Die neue japanische Regierung friert die Privatisierung der Post ein. Statt ausschließlich als gewinnorientiertes Unternehmen soll die Japan Post künftig gemeinnützig operieren, stellte Premier Yukio Hatoyama gestern klar. Er erfüllt damit eines seiner zentralen Wahlkampfversprechen. Und riskiert damit großen Zoff.
TOKIO. Postchef Yoshifumi Nishikawa trat gestern schon aus Protest gegen den Kurswechsel zurück. „Es gibt eine erhebliche Abweichung zwischen dem, was wir schon in der Privatisierung der Japan Post Group geleistet haben und der neuen Regierungspolitik“, sagt Nishikawa. Die Privatisierung der japanischen Briefpost und der Postbank sollte nach Plänen vom Anfang des Jahrzehnts ein neues Schwergewicht an der Tokioter Börse und eine der größten Banken der Welt schaffen. Die Gruppe betreibt 24 700 Filialen und hat 230 000 Mitarbeiter. Nach zwei Privatisierungsschritten 2003 und 2007 ist die japanische Post keine Behörde mehr, sondern ein Holding-Unternehmen mit der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Die Aktien gehören jedoch alle dem Staat. Bank, Versicherung, Zustelldienst und Filialnetz sollten in den kommenden Jahren getrennt an die Börse gehen. Der gestrige Politikwechsel ändert diese Pläne. Die Post soll jetzt stattdessen „für das Leben der Menschen da sein und die Gemeinden revitalisieren“, sagte Chefkabinettsekretär Hirofumi Hirano. Durch die Abspaltung der Finanzsparte wäre eines der Unternehmen mit dem weltweit meisten anzulegenden Kapital entstanden: gut zwei Billionen Euro stecken in der Lebensversicherung – etwa so viel wie das deutsche Bruttoinlandprodukt. Schon seit zwei Jahren verschleppt die japanische Politik weitere Privatisierungsschritte bei der Post. Endgültig brachte dann die Finanzkrise die Pläne durcheinander. Deswegen erwarten Analysten in Tokio durch den jetzt definitiven Privatisierungsstopp auch keine allzu tiefgreifenden Änderungen. „Auch bisher haben die Schritte zur Privatisierung nur wenig Auswirkungen gehabt“, sagt Takashi Miwa von Nomura Securities. Der Ökonom sieht derzeit auch keine nennenswerten Auswirkungen des Politikwechsels auf die Finanzmärkte – die Umsetzung der Privatisierung war noch zu weit entfernt, als dass eine Abkehr von diesem Plan die Börse verunsichern würde. Hatoyama war es besonders wichtig, dass die kleinen Postämter in Japans Dörfern erhalten bleiben. Dieses Versprechen dürfte ihm manche Wählerstimme gebracht haben: Nach Jahrzehnten der Landflucht ist das Postamt für viele ältere und einsame Menschen ein wichtiger Anlaufpunkt. Am Postbankschalter holen sie auch ihre Rente ab. Hatoyama hat der Post nun offiziell die Rolle zugewiesen, als sozial fürsorgliche Institution auch für ältere Menschen auf dem Lande da zu sein.
Das Hin und Her um die Post ist ein weiterer Mosaikstein in der neuen japanischen Wirtschaftspolitik. Die frisch gewählte Regierung hat einen antikapitalistischen Kurs eingeschlagen. Postreformminister Shizuka Kamei kommt aus einer Partei, die sich aus Protest gegen die Privatisierung gegründet hatte. Diese „Neue Volkspartei“ befindet sich derzeit mit Hatoyamas Demokratischer Partei Japans in einer Koalition. Dabei geht es vor allem um politische Gesichtswahrung. Denn eine komplette Privatisierung der Zweigstellen im „Japan Post Network“ war nie vorgesehen. Auch unter dem ursprünglichen Privatisierungsplan wären Omis Anlaufstellen auf dem Dorf lange erhalten geblieben. Als Nachfolger für den scheidenden Postchef Nishimatsu ist Tokioter Gerüchten zufolge Eiji Hosoya im Gespräch, der Chairman der Bankengruppe Resona. Hatoyama sagte der Presse jedoch vorerst nur, seine Regierung habe einen „erstklassigen Nachfolger“ für Nishimatsu vorgesehen. Hosoya hat Erfahrung mit Privatisierungen in einem schwierigen Umfeld: Er hat zuvor bei der Bahngesellschaft East Japan Railway gearbeitet. Heute befindet die größte Eisenbahngesellschaft der Welt in Händen von Investoren – und liefert ihren Kunden guten Service.
Quelle: Handelsblatt 20.10.2009