Interkommunale Zusammenarbeit: Dem Privatisierungszwang trotzen
Reine Kooperationen bleiben auch künftig vom Vergaberecht verschont
Kommunale Zusammenarbeit ist eine reine Organisationsentscheidung der beteiligten Kommunen und nicht etwa die Nachfrage von Leistungen am Markt. Das lediglich für eine solche Beschaffung am Markt geschaffene Vergaberecht findet daher auch keine Anwendung. Dies war lange Zeit Konsens und hat an Richtigkeit auch nichts eingebüßt. Trotzdem wird diese Grundaussage durch einzelne Gerichtsentscheidungen in Frage gestellt. Allerdings sind derzeit sowohl national als auch auf europäischer Ebene Entwicklungen absehbar, die eine kommunalfreundliche und staatsorganisatorisch richtige Behandlung der interkommunalen Zusammenarbeit erkennen lassen.
Auf europäischer Ebene sind im Vorlageverfahren in Sachen Coditel (Rs. C-324/07) beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) die darin gestellten Schlussanträge der Generalanwältin Prof. Verica Trstenjak vom 4. Juni aus kommunalwirtschaftlicher Sicht sehr positiv zu bewerten. Die Generalanwältin spricht sich insbesondere für eine (inter-) kommunalfreundliche Auslegung des sog. ersten Teckal- Kriteriums „Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle“ aus: Das Kontrollkriterium sei dann grundsätzlich erfüllt, wenn ein Zusammenschluss ausschließlich aus Gemeinden und Gemeindeverbänden (bzw. öffentliche Körperschaften) – ohne jegliche Einbeziehung privaten Kapitals – bestehe. Eine andere Auslegung – so die Generalanwältin – würde eine interkommunale Kooperation für die Zukunft unmöglich machen, was in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden sowie in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten unangemessen eingreifen würde. Die Generalanwältin stellt zu Recht auf die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit als staatsinternen Akt ab und gewichtet die Besonderheiten dieser Form der Zusammenarbeit im Rahmen der Auslegung der Teckal-Kriterien richtig. Der Verweis und das Hervorheben der Bedeutung der interkommunalen Zusammenarbeit für die kommunale Selbstverwaltung und deren europäisch verankerter Schutz in der Charta der kommunalen Selbstverwaltung und des Vertrages von Lissabon ist besonders positiv zu würdigen und lässt hoffen, dass sich der Europäische Gerichtshof für seine zukünftige Rechtsprechung hiervon leiten lässt.
Klarstellung in der GWB-Novelle
Auch national zeichnen sich positive Entwicklungen hinsichtlich der Behandlung von interkommunalen Kooperationen in vergaberechtlicher Sicht ab. So sieht der Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts im Rahmen der Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) eine Klarstellung zugunsten der interkommunalen Zusammenarbeit vor, indem diese als nicht vergaberechtsrelevant herausgestellt wird. Dies geschieht durch die neu gefasste Definition des „öffentlichen Auftrags“ in § 99 Abs. 1 GWB neuer Fassung. Mit dieser Neuregelung will die Bundesregierung festlegen, was jedenfalls nicht als öffentlicher Auftrag anzusehen ist. Ausweislich des Begründungstextes zum Gesetzentwurf sind dies u.a. vertikale Kooperationen zwischen staatlichen Stellen und damit auch die kommunale Zusammenarbeit. Damit entspricht die Bundesregierung einer Forderung des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) und tritt der bisherigen Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte, die in unterschiedlichem Umfang die kommunale Zusammenarbeit als einen dem Vergaberecht unterworfenen Vorgang angesehen hatten, entgegen. Das Bundeskabinett hat am 21. Mai den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts beschlossen und in das weitere Gesetzgebungsverfahren eingespeist. Der Bundesrat befasste sich am 4. Juli mit dem Gesetzentwurf. Es ist damit zu rechnen, dass Beratung und Beschlussfassung im Bundestag im Oktober abgeschlossen sind.
Ebenfalls soll sich der Bundestag nach dem Willen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit einem Antrag zur „Sicherung der interkommunalen Zusammenarbeit“ (Drs. 16/9443) befassen, der am 4. Juni eingebracht worden war und im Laufe des Septembers zur Beratung stehen soll. Die Grünen stellen in ihrem Antrag zu Recht fest, dass durch die europäischen Entwicklungen und die Ausweitung des EG-Vergaberechts auch auf die bewährten Formen der interkommunalen Zusammenarbeit ein faktischer Privatisierungszwang bei Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge eintrete, der bislang durch den Bundestag entschieden abgelehnt worden sei. Gleichzeitig, so der Antrag weiter, obliege es der Verantwortung der Bundesländer, die rechtlichen Rahmenbedingungen ggf. so zu korrigieren, dass eine Beteiligung Privater an interkommunalen Kooperationen ausgeschlossen sei, um so eine einheitliche, EG-rechtskonforme und rechtssichere Lösung für die Kommunen zu erhalten. Aus denselben Gründen sei auch die in einigen Bundesländern getätigte Unterscheidung zwischen Mandatierung und Delegation abzuschaffen.
Insgesamt stellen diese Bestrebungen eine positive Entwicklung für die Interkommunale Zusammenarbeit dar. Es bleibt – wie immer – abzuwarten, wie sich der EuGH und die nationale Politik hierzu endgültig stellen.
Thomas Abel und Dr. Nicole Weiß, Verband kommunaler Unternehmen (VKU), Berlin