Reprivatisierung in Heidenheim?

Mit einem Bürgerentscheid soll der Verkauf ehemals städtischer 
Wohnungen an Immobilieninvestor Gagfah rückgängig gemacht werden.

Am 11. März wird es erstmals in der Geschichte der schwäbischen 
Industriestadt Heidenheim einen Bürgerentscheid geben. Die 36000 
Wahlberechtigten entscheiden, ob der Gemeinderatsbeschluß zum Verkauf der städtischen Anteile an der Grundstücks- und Baugesellschaft in Heidenheim (GBH) aufgehoben werden soll.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hatte der Gemeinderat am 9. November mit der Mehrheit aus CDU und Freier Wählergemeinschaft einen entsprechenden Beschluß gefaßt. Geplant ist der Komplettverkauf der GBH an die GAGFAH, einen jener als »Heuschrecken« bezeichneten Wohnimmobilieninvestor mit Sitz in Luxemburg. Der Verkauf der Anteile soll der Stadtkasse Einnahmen in Höhe von 40 Millionen Euro bescheren. Die Grünen, die Mehrheit der SPD-Fraktion und die beiden Gemeinderäte der DKP stimmten dagegen. Sie befürchten weitere Belastungen für die betroffenen Mieter. Zwar befanden sich die 9000 Wohnungen der GBH zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr im direkten Besitz der Stadt, doch durch den 28,6prozentigen Anteil, den die Kommune an dem Unternehmen noch hielt, konnte sie dessen Geschäftspolitik beeinflussen.

Der Verkaufsbeschluß sorgte in der Stadt für Empörung. Die SPD, die 
Grünen, die DKP, der Mieterverein und die IG Metall initiierten ein 
Bürgerbegehren dagegen. Innerhalb weniger Wochen wurden knapp 4300 Unterschriften gesammelt und das Quorum von zehn Prozent der Wahlberechtigten deutlich übertroffen.

Das Kommunalparlament machte am vergangenen Freitag den Weg frei für den Entscheid, indem er das Bürgerbegehren für zulässig erklärte. Falls rund 9000 Heidenheimer der Aufhebung des  Gemeinderatsbeschlusses vom 9. November 2006 zustimmen, hat dies die  Wirkung eines endgültigen Gemeinderatsbeschlusses.

Der DKP-Abgeordnete Ulrich Huber geht davon aus, daß die 
Verkaufsgegner erfolgreich sein werden. »Wir haben beim Sammeln der  Unterschriften gemerkt, daß die Menschen das nicht wollen«, so Huber  gegenüber jW.

Der politische Erfolg der Antiprivatisierungskampagne scheint somit 
greifbar nahe, doch ob damit der Verkauf der städtischen Anteile 
rückgängig gemacht werden kann, steht auf einem anderen Blatt. 
Oberbürgermeister Bernhard Ilg (CDU) stellt sich laut Südwestrundschau vom vergangenen Donnerstag auf den Standpunkt, daß der Verkauf der städtischen Anteile rechtswirksam getätigt worden sei. Die Vertragsbindung der Stadtwerke würde auch durch einen Gemeinderatsbeschluß nicht beseitigt werden, so Ilg auf der Gemeinderatssitzung. Die Stadt könne lediglich auf die Stadtwerke einwirken, daß diese in Verhandlungen über eine etwaige Rückabwicklung des Verkaufs mit der GAGFAH treten. Dies würde aber  Kosten in noch nicht bezifferbarer Millionenhöhe nach sich ziehen, so  Ilg.

Auch Huber sieht die Probleme, die durch die »komplizierte 
juristische Konstruktion« entstanden seien. Jetzt räche sich die 
Entscheidung des alten Gemeinderats, die den Stadtwerken gehörende  GmbH, die den ehemals kommunalen Wohnungsbesitz verwaltete, in die  GBH einzugliedern, an der die Stadtwerke nur Minderheitsanteile halten. Wenn der Bürgerentscheid aber erfolgreich sei, könnten die  Verkaufsbefürworter wenigstens kaum so weitermachen wie bisher.

Die erfolgreiche kommunalpolitische Arbeit der DKP in Heidenheim wird  von Landesbehörden durchaus zur Kenntnis genommen. So heißt es im  Jahresbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: »Die Heidenheimer Ortsgruppe der Deutschen 
Kommunistischen Partei, die seit der Kommunalwahl am 13. Juni 2004  mit zwei Mandaten statt mit bisher einem im örtlichen Stadtrat  vertreten ist, zeigt sich innerhalb der Heidenheimer  Politiklandschaft durchaus rührig. (..) Das Engagement der Partei  stößt in interessierten Bevölkerungskreisen nicht selten auf  Sympathie und zeigt wieder einmal, daß die DKP trotz  bundespolitischer Bedeutungslosigkeit auf kommunaler Ebene durchaus 
in der Lage ist, sich aktiv in das örtliche Tagesgeschehen 
einzumischen und vor allem, bei einem Teil der Öffentlichkeit den 
einen oder anderen Pluspunkt zu sammeln.«

Tageszeitung  Junge Welt, 31. Januar 2007
http://www.jungewelt.de/2007/01-31/042.php

Bericht: ESF Workshop "Health, drugs and research as a Public Good"

Der Workshop wurde veranstaltet von der rls in Kooperation mit PHM (People’s Heath Movement) und REDS (Red d‘ Europe pour la Defence de la Santé) und fand am XXX in XXX statt.

Referenten:
Thomas Seibert (medico international)
Christian Wagner (Buko Pharmakampagne)
Sofie Blancke (médecine pour le peuple, NGO, www.gvhv.be)
Amal Sabri, Directorin der Association for Health and Environmental Development (AHED) aus Ägypten (leitet momentan das Internationale Sekretariat des People’s Health Movement)
Kostas Diakos von den griechischen EcoloGreens

Thomas Seibert stellte die These auf, dass der Begriff der öffentlichen Gütern deshalb eine Konjunktur innerhalb der Linken habe, weil er die Orientierungsbegriffe „Sozialismus“ und „Kommunismus“ im Neoliberalismus abgelöst habe. Der Slogan „Eine andere Welt ist möglich“ würde in den Kämpfen gegen Privatisierung konkretisiert und beschreibe so die Politik gegen den Neoliberalismus. Dabei kommt dem Begriff der öffentlichen Güter die Funktion zu, eine positive Perspektive zu formulieren, die nicht allein in der Kritik der bestehenden Verhältnisse verhaften bleibe. Im Anschluss daran referierte Seibert Kennzeichen, die für ihn den Epochenbruch nach 1989 markieren und zugleich die Ausgangsbedingungen politischer Perspektiven abstecken. Neben dem Ende der Systemkonkurrenz nannte er die Internationalisierung der Arbeitsteilung und das Ende der fordistischen Massenproduktion. Diese Entwicklungen hätten die Basis des keynesianischen Sozialstaats untergraben. Deshalb müsse es vor allem darum gehen, eine Sozialpolitik durchzusetzen, die von der Lohnarbeit unabhängig ist. Dies würde die Möglichkeit bieten, die Ausschlussmechanismen des fordistischen Sozialstaats zu überwinden. Ziel müsse es sein, eine allgemeine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Dieses öffentliche Gut könne nur im Rahmen einer sozialen Infrastruktur ermöglicht werden. Dies impliziere die Möglichkeit einer Radikalisierung dieser Forderung, weil sie notwendigerweise eine offene Bürgerschaft, ein bedingungsloses Grundeinkommen und globale öffentliche Güter mit sich bringt. Dies seien alles nicht unmittelbar Forderungen, die an den Staat gerichtet seien, sondern ein Rahmen, auf den sich alle sozialen Bewegungen verständigen müssen. Ausgehend von bereits geführten Kämpfen.
Christian Wagner bezeichnete seine Gruppe (Buko Pharmakampagne) als Wachhunde gegenüber der Pharmaindustrie. Aus der Perspektive der Gesundheitspolitik gehe es ihm vor allem um billige und gute Medikamente. Dabei sei vor allem der international organisierte Patentschutz (u.a. durch das TRIPS-Abkommen) ein Hindernis. Besonders für gefährliche Krankheiten. So koste aufgrund des Patentschutzes eine HIV-Kur 10.000 US-Dollar, während es in Indien mit Generika möglich sei, durch wirkungsgleiche Medikamente dieselbe Kur für nur 200 US-Dollar anzubieten. Aber auch für vernachlässigte Krankheiten, die im Trikont ca. 12 Prozent der Todesfälle ausmachen, werde aufgrund der am Profit ausgerichteten Forschung kaum Geld aufgewandt. Dabei würde sich jedoch zeigen, dass diejenigen Medikamente, die tatsächlichen einen Fortschritt für die Bekämpfung von Krankheiten darstellen würden, vor allem in öffentlichen Labors produziert werden. Ziel sollte es deshalb sein, über den Ausbau öffentlicher Labors bezahlbare Medikamente zu entwickeln, die sich am realen Bedarf (unabhängig von der Zahlungsfähigkeit) orientieren.
Sofie Blancke stellte einen ähnlichen Punkt heraus. In Neuseeland seien im Vergleich zum US-amerikanischen Markt patentierte Medikamente bis zu 53 Prozent billiger und nicht-patentierte bis zu 90 Prozent (sic!). Dabei würde zunehmend der Posten Marketing und Werbung unnötige Kosten verursachen. Die Produktionskosten seien inzwischen sehr gering. Etwa 15 von 20 Medikamenten würden in Puerto Rico hergestellt. Unter dem Slogan „A rational drug policy is possible“ warb Sofie Blancke für eine auf Nachfrage orientierte Medikamentenpolitik. Einer solchen sei es möglich, den Bedürfnissen gerecht zu werden. Sie plädiert also für eine Liberalisierung des Medikamentenmarktes gegen die Vorherrschaft der Patente. In Belgien hätte ihr Netzwerk auch schon Apotheker gewinnen können, da diese unter dem unüberschaubaren Medikamentendschungel leiden würden.
Amal Sabri stellte die internationalen Abkommen TRIPS und TRIPS plus dar. Die internationale Kooperation ermögliche es mehr und mehr, dass öffentliche Güter dem Markt anheim fallen würden. Das würde nicht nur den Umfang der Güter, sondern auch der Länder umfassen. Damit würde sich in der Kontrolle des Medikamentenmarktes alles auf wenige so genannte transnationale Konzerne (TNCs) konzentrieren. Das würde das Saatgut ebenso betreffen wie traditionelles Wissen. Neben den beiden großen Abkommen würde es zunehmend auch unbekannte Abkommen zwischen entwickelten und nicht-entwickelten Ländern geben. Die Macht der TNCs und der entwickelten Ländern würden den Trikont nach und nach in ein Freihandelsnetz ziehen, das traditionelle Ökonomien gefährde und die Grundlage für billige und nützliche Medikamente unterminiere.
Kostas Diakos machte die Homöopathie als eine alternative Medizin von Unten stark.
In diesem am Freitag Vormittag ausgerichteten workshop, der in fünf Sprachen übersetzt wurde (I, E, F, Gr, D) nahmen ca. 70 Menschen teil, die zu einem großen Teil auch schon zuvor auf den Seminaren und Workshops der PHM-REDS-Schiene (People’s Heath Movement und Red d‘ Europe pour la Defence de la Santé) waren. Dadurch konnten auch Bezüge zu anderen, bereits angeschnittenen Themenbereichen hergestellt werden.

PRESOM Athens Workshop: Privatisation and the European Social Model (26/27 January 2007)

Zum Auftakt gab es eine Podiumsdiskussion mit griechischen Gewerkschaftsvertretern, auf der verschiedene Aspekte der Privatisierungspolitik in Europa erörtert wurden. Jürgen Huffschmid, einer der Koordinatoren des PRESOM Projektes stellte zunächst die Ziele und Fragestellungen der Projektes vor. Anschließend gab Malcolm Sawyer von der Business School der Universität in Leeds einen Einblick in seine Forschung zu den finanzpolitischen Auswirkungen der Privatisierungspolitik und argumentierte, dass die Privatisierungen keineswegs zu einer Entlastung der öffentlichen Haushaltsschulden führen. Im Gegenteil: gerade in langfristiger Perspektive wird die Sicherung öffentlicher Infrastrukturen und die Versorgung mit sozialen Dienstleistungen für die öffentlichen Haushalte teurer, wenn sie von privaten Anbietern gekauft oder geleast werden müssen. Christoph Hermann von der Forschungs- und Beratungstelle für betriebliche Arbeitnehmerfragen (FORBA) in Wien stellte die ersten Überlegungen zum Europäischen Sozialmodell vor. Problem sei es dabei vor allem, dass der Begriff einer blackbox gleich von verschiedenen politischen Kräften gebraucht und mit jeweils eigenen Inhalten gefüllt werde. Insbesondere die Liberalisierungslobby in der EU gebrauchen den Begriff vor allem als Instrument um bisher bestehende nationalstaatliche Regelungen auszuhebeln. Die Linke habe es bisher verpasst, den Begriff des Europäischen Sozialmodells nach eigenen Vorstellungen zu definieren. Marica Frangakis, von der Nicos Poulantzas Gesellschaft stellte die ersten Ergebnisse der PRESOM Forschung vor und differenzierte das Privatisierungsgeschehen sowohl in zeitlichen Wellen als auch nach Ländergruppen. Insbesondere unterschied sie ein skandinavisches, ein west-, ein ost- und ein südeuropäisches Privatisierungsmuster. Karoly Lorant, ungarischer Abgeordneter des Europaparlaments, gab einen Überblick zum Privatisierungsgeschehen in den mittel- und osteuropäischen Ländern. Anders als die Privatisierungsprozesse in Westeuropa erfolgte der Ausverkauf staatlicher Beteiligungen hier nicht schrittweise, sondern schockartig im Rahmen einer abrupten gesellschaftlichen Transformation. Die anschließende Diskussion rankte sich vor allem um die Gefahren und Perspektiven einer Europäisierung. Während einerseits vor allem auf die neoliberalen Impulse der Europäischen Union verwiesen wurden, plädierten andere dafür, die europäische Ebene stärker als politische Arena zu begreifen und sich entsprechend mit eigenen Vorstellungen in die Europäisierungsprozesse einzubringen.
Auf der eigentlichen PRESOM Tagung wurde der erste Jahresbericht diskutiert und die Ergebnise der ersten drei Arbeitsgruppen (WP 1: Hintergrund und Geschichte der Liberalisierung und Privatisierung in der EU; WP 2: Theoretische Ansätze zur Privatisierung; WP 3: Konzepte des Europäischen Sozialmodells) vorgestellt. Anschließend wurden die Arbeitspläne für 2007 abgestimmt. Im Vordergrund werden dabei Untersuchungen in den Sektoren Finanzen, Soziale Dienste (Gesundheitsversorgung und Rentensystem) sowie Bildung stehen. Parallel sollen die Privatisierungseffekte in den neuen Mitgliedstaaten der EU in Osteuropa systematisch untersucht werden. Erste Zwischenergebnisse sollen bereits in den nächsten Monaten auf verschiedenen Konferenzen (unter anderen auf der Alternativen EcoFin-Konferenz am 20./21. April in Berlin) zur Diskussion gestellt werden. Die nächste größere PRESOM-Tagung wird am 29./30. Juli in Ljubljana (Slowenien) stattfinden.

http://www.presom.eu/

Linksfraktion fordert Privatisierungsbericht

In dem Antrag heisst es:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. gemeinsam mit den anderen deutschen Gebietskörperschaften einen Privatisierungsbericht über die Auswirkungen der Privatisierungen seit 1995 vorzulegen;

2. bis zur Vorlage und Diskussion des Privatisierungsberichtes keine weiteren Privatisierungsschritte zu unternehmen.

3. Der Privatisierungsbericht der Bundesregierung soll für die privatisierten Bereiche darstellen:

– die Privatisierungsschritte der öffentlichen Hand;

– die Ergebnisse aller Volksabstimmungen einschließlich Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, die zu Fragen der Privatisierung durchgeführt wurden;

– die Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen;

– die Auswirkungen auf politische Gestaltungsmöglichkeiten (Einfluss- möglichkeiten auf Geschäftsführung und Informationsrechte der öffentlichen Hand), Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Informationsrechte für Bürgerinnen und Bürger;

– die Entwicklung von sozialversicherungspflichtiger und sonstiger Beschäftigung, Arbeitsentgelten nach Lohngruppen, Managementgehältern und Ausbildungsplätzen;

– die Auswirkungen auf Wochenarbeitszeit, Sonntags- Feiertags- und Nachtarbeit und Schichtarbeit;

– die Entwicklung von Preisen, Gebühren und Gewinnen;

– die Entwicklung von Qualität der Leistung, Verbrauchernähe und flächendeckender Versorgung und

– die Entwicklung der Investitionen.

Dem Bericht ist ein weiterer Privatisierungsbegriff zugrunde zu legen, der neben dem Verkauf von Beteiligungen und sonstigen Vermögenswerten auch die Ausgliederung öffentlichen Vermögens in privatrechtlich organisierte Unternehmungen und die Übertragung öffentlicher Aufgaben an private Unternehmen beinhaltet.
Die Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen sollen umfassend untersucht werden. Den Privatisierungserlösen sind die Vermögensverluste und die zukünftigen Mehrausgaben und Einnahmeverluste gegenüberzustellen. Steuerminder- einnahmen durch internationale Transferierbarkeit von Gewinnen oder durch Steuervergünstigungen etwa bei öffentlich-privaten Partnerschaften (Public Private Partnerships) sind zu berücksichtigen. Es soll auch berücksichtigt werden, inwieweit durch Personalabbau Steuereinnahmen und Sozialbeiträge sinken. Bei der Darstellung der Entwicklung von Beschäftigung und Ausbildung ist auf die Situation von Frauen speziell einzugehen. Es ist anzugeben, inwieweit die Verschuldungsgrenze des Artikel 115 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und der entsprechenden Bestimmungen in den Länderverfassungen nur aufgrund von Privatisierungserlösen eingehalten wurden.
Die Darstellung der Preisentwicklung in privatisierten Bereichen soll nach Geschäfts- und Privatkundensegment unterscheiden. Hierbei ist zu berücksichtigen, inwieweit die Preisentwicklung auf allgemeinen technischen Fortschritt zurückzuführen ist, der auch in öffentlich-rechtlichen Unternehmen realisiert werden kann. Als Maßstab hierfür sind internationale Vergleichsstudien heran- zuziehen. Auf die Entwicklung von Sozialtarifen ist einzugehen. Der Privatisierungsbericht soll damit deutlich über den Beteiligungsbericht des Bundes hinausgehen.

Begründung

In zahlreichen Bürger- und Volksentscheiden wurden Privatisierungen öffentlichen Eigentums abgelehnt, beispielsweise in Hamburg und in Mülheim/Ruhr. Einer Umfrage im Auftrage des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen- Thüringen zufolge sind 82 Prozent der Hessen gegen einen Verkauf von Sparkassen.
Aktuell geplante Privatisierungen sind sehr umstritten. Gegen den Plan der Regierung Baden-Württembergs, den größten Teil der historischen Handschriftenbestände der Badischen Landesbibliothek zu verkaufen, und damit das Fürstenhaus Baden aus einer finanziellen Notlage zu retten, protestierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt und verhinderten den Verkauf bis auf weiteres.
Das Flugsicherungsgesetz, das den Verkauf von 74,9 Prozent der Anteile an der Deutschen Flugsicherung GmbH vorsieht, wurde vom Bundespräsidenten zunächst nicht unterschrieben, um verfassungsrechtliche Bedenken zu prüfen. Bestärkt wird die Kritik an der Privatisierung der Flugsicherung durch das Urteil des Landgerichts Konstanz zum Flugunglück von Überlingen, in dem die Bundesrepublik Deutschland haftbar gemacht wird, da sie ohne Staatsvertrag die Flugsicherung in deutschem Luftraum der privatrechtlich organisierten Schweizer Firma Skyguide übertragen hatte. Das Gericht stellte fest, dass die Sicherstellung des Flugverkehrs grundgesetzliche Aufgabe des Staates ist.
Umstritten ist auch der Börsengang der Deutsche Bahn AG. Kritiker befürchten einen Verkauf weit unter Wert, Personalabbau, großflächige Streckenstilllegungen, einen Rückgang der Investitionen und stark steigende Preise. Sie verweisen dabei auf die Bilanz der Bahnprivatisierung in Großbritannien.
Die Bundesregierung plant für 2007 laut Haushaltsentwurf Einnahmen aus der Veräußerung von Beteiligungen und aus der Verwertung von sonstigem Kapitalvermögen in Höhe von 9,2 Mrd. Euro. Angesichts umfangreicher geplanter Privatisierungen und ernstzunehmender Kritik ist es dringend erforderlich, eine Bilanz der Auswirkungen der bisherigen Privatisierungspolitik zu ziehen.
Privatisierungserlöse werden dazu verwendet, Einnahmeverluste an anderer Stelle auszugleichen. Laut Finanzplanung will der Bund bis 2009 so haushalten, dass die Verschuldungsgrenze nur dank Privatisierungserlöse eingehalten wird. Dies läuft dem Grundgedanken des Artikel 115 GG zuwider, die Vermögenssubstanz des Staates zu erhalten. Das Sachvermögen des Staates geht, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, seit Jahren kontinuierlich zurück. Privatisierungen führen neben den Vermögensverlusten auch zu nachhaltigen Einnahmeverlusten für die öffentliche Hand. Vor weiteren Privatisierungsschritten müssen diese Auswirkungen dringend detailliert untersucht werden. Auf eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. nach den Einnahmeverlusten, die mit den Einmaleinnahmen im Haushaltsplan 2007 verbunden sind, antwortete die Bundesregierung: „Im Übrigen entfallen im Rahmen von Vermögensveräußerungen des Bundes generell künftige Vermögenserträge, deren Höhe – wie etwa bei Dividenden – gegenwärtig jedoch nicht prognostiziert werden kann.“ (Bundestagsdrucksache 16/2327) Dieser Aussage ist zu entnehmen, dass die Bundesregierung eine bewusste Abwägung zwischen der kurzfristigen und langfristigen Haushaltswirkung bisher nicht vorgenommen hat. Der angemessene Umgang mit der Ungewissheit der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung ist nicht der Verzicht auf Prognose, sondern die Anwendung wissenschaftlicher Prognosemethoden unter Kenntlichmachung von Prognoseunsicherheiten. Dies soll im Privatisierungsbericht geschehen.
Die Privatisierungen von Post und Telekom waren mit hohen Arbeitsplatz- und Ausbildungsplatzverlusten verbunden. Allein die Telekom AG hat von ihrer Privatisierung bis 2005 mehr als 100 000 Stellen gestrichen. Bis 2008 sollen weitere 32 000 Stellen abgebaut werden. Vor weiteren Privatisierungen müssen die bisherigen Privatisierungsfolgen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewissenhaft untersucht werden.
Privatisierungsmaßnahmen wurden meist mit erwarteten Effizienzgewinnen begründet. Es stellt sich die Frage, inwieweit für die Verbraucherinnen und Verbraucher, nicht nur für Großkunden, die Versorgung mit günstigen und hoch- wertigen Leistungen durch Privatisierungen zugenommen hat. Versorgungsdichte und Bürgernähe haben etwa bei der Post abgenommen. Sozialtarife wurden bei privatisierten Unternehmen teilweise zurückgenommen. Bei der Feststellung von Effizienzgewinnen darf nicht stillschweigend angenommen werden, ein öffentliches Unternehmen würde heute noch mit der Technologie arbeiten, die zum Zeitpunkt der Privatisierung aktuell war.
Privatisierung und Liberalisierung von so genannten natürlichen Monopolen, also in Wirtschaftszweigen mit sinkenden Durchschnittskosten, und in netzgebundenen Wirtschaftszweigen haben, wie von fast allen Wirtschaftstheorien vorausgesagt, zu Monopolgewinnen geführt. Vor einer Untersuchung dieser Entwicklung darf die geplante Privatisierung von Deutsche Flugsicherung GmbH, Deutsche Bahn AG und Flughafenbeteiligungen keinesfalls umgesetzt werden.
Auf der Ebene der Länder und Kommunen sind Privatisierungen eine Antwort auf Haushaltsnotlagen, die unter wesentlicher Beteiligung der Bundesregierung durch steuerpolitische Entscheidungen verursacht wurden. Da diese Entwicklung nur aus dem finanzpolitischen Zusammenhang zu beurteilen ist, muss der Privatisierungsbericht die Ebene des Bundes, der Länder und Gemeinden berücksichtigen.
Bereits 1998 forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund einen Privatisierungsbericht von der Bundesregierung ein. Die Bundesregierung sollte dieser Aufforderung zügig nachkommen.

Kritik kalkulatorischer Kosten als Privatisierungszwang

Die falsche Bewertung von bezirkseigenen Gebäuden und die dadurch enstehende Belastung der Bezirkshaushalte durch so genannte kalkulatorische Kosten führt dazu, dass öffentliche Gebäude für die Bezirke nicht mehr finanzierbar sind und verkauft werden müssen.
Gegen die Folgen der Privatisierung der öffentlichen Gebäude wehrten sich die BerlinerInnen bereist durch drei BürgerInnenbegehren auf Bezirksebene.

Die Regelung führt u.a. auch dazu, dass das System der Zuweisungen des Landes Berlins völlig absurde Ergebnisse produziert:
So werden allein bei den Schulen z.B. die Bezirkshaushalte Lichtenberg (ca. -1,91 Mio. €) und Friedrichshain-Kreuzberg (ca. – 2,66 Mio. €) durch die fehlerhafte Ansetzung der kalkulatorischen Kosten exorbitant belastet. (Anhang: Hintergrundinformation)

Dies ist eines der Ergebnisse, die die Initiative Zukunft Bethanien auf ihrer Homepage
unter http://www.bethanien.info veröffentlicht hat.

Die IZB hat auf Grund der Dringlichkeit daher Finanzsenator Sarrazin und Wirtschaftssenator Wolf in einem offenen Brief um einen Gesprächtermin gebeten.
(Anhang: Offener Brief)

Ausserdem hat die IZB die Fraktionen der Berliner Bezirke und des Abgeordnetenhauses dazu aufgefordert, durch eine vorformulierte Anfrage endlich Transparenz zu schaffen.
(siehe unter: http://www.bethanien.info ) .

Die Initiative Zukunft Bethanien (IZB) fordert die Überprüfung des Privatisierungssystems kalkulatorische Kosten.
Sie fordert darüberhinaus, mit Vernunft und Sachverstand die sozialen Folgekosten einer fatalen Regelung abzuwenden, die BERLIN TEUER ZU STEHEN KOMMT und NOCH TEURER KOMMEN WIRD.

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Initiative Zukunft Bethanien – Haus Bethanien/Südflügel
Mariannenplatz 2, 10997 Berlin-Kreuzberg
Telefon: 0179 – 851 77 00
Email: initiative@bethanien.info
Internet: http://www.bethanien.info

"Muelheim ist unser!" Neuauflage des Buergerentscheids steht an

Das Bürgerbegehren in Mülheim zur Erneuerung des erfolgreichen Bürgerentscheids gegen weitere Privatisierung startet in Kürze. Auf einer gut besuchte Bürgerversammlung wurde besprochen, ob der in 2005 erfolgreiche Bürgerentscheid gegen weitere Privatisierung erneuert werden soll, da die rechtliche Bindung Ende Februar ausläuft. Oberbürgermeisterin, SPD, CDU und FDP waren 2005 gegen diesen Bürgerentscheid. Nach Ablauf der Bindung werden wieder verstärkte Privatisierungen befürchtet.

So ist die Übertragung von Anteilen der Ruhrbania-Projektentwicklungsgesellschaft (RPG) an Private durch den Bürgerentscheid zur Zeit noch eindeutig verboten. Auch der RP Düsseldorf hat das bestätigt! Seit mind. einem Jahr arbeiten Stadtspitze und M&B dennoch mit Volldampf gegen dieses Verbot an der RPG, was der Rat am 1. März absegnen soll, nur 1 Tag nach Ablauf der rechtlichen Bindung des Bürgerentscheids! Der MBI-Antrag, per Ratsbürgerentscheid noch vor Ostern die Bevölkerung erneut über die Grundsatzfrage entscheiden zu lassen, wurde in der letzten Ratsitzung wegen CDU-Beratungsbedarfs vertagt auf den 1.März.Die Versammlung war sich einig, darauf nicht zu warten (bzw. zu hoffen) und möglichst bald eine Unterschriftenaktion zur Wiederholung bzw. Erneuerung des Bürgerentscheids aus 2005 zu starten. Der allergrößte Teil der weit über 60 Anwesenden erklärte sich bereit, sich aktiv daran zu beteiligen. Ein erster Vorentwurf für den Text eines Bürgerbegehrens wurde ebenfalls besprochen und einige Hauptpunkte bereits im wesentlichen abgeklärt.

Dieser erneute Bürgerentscheid betrifft folgende Bereiche bzw. Fragestellungen:

  • Soll in Zukunft das langfristige Betreiben von Schulen, Kindergärten usw. an private Firmen übertragen werden, wenn diese Bau oder Sanierung der Gebäude durchführen?
  • Sollen die denkmalgeschützten Ostruhranlagen in einer Ruhrbania-Projektentwicklungsgesellschaft einem privaten Investor übertragen werden?
  • Ausgegliederte städtische Eigenbetriebe wie der Immobilienservice, MSS (MülheimerSportService), Grün&Wald und städtische GmbHs wie MST (Mülheimer Stadt Marketing), die Sozialholding (Altenheime), BtmH (Betriebe) dürften weder ganz noch teilprivatisiert werden.
  • Weitere Anteile der bereits teilprivatisierten Gesellschaften der Ver- und Entsorgung, insbesondere von medl, MEG, SEM, MVG, RWW und SWB dürften nicht verkauft werden.

    Nächstes Treffen zur Vorbereitung der Unterschriftensammlung für das
    Bürgerbegehren „Mülheim ist unser!“
    am Mittwoch, dem 31. Januar, um 19 Uhr
    in der Gaststätte „Altes Schilderhaus“, Südstraße 2

    WAZ Mülheim von 25.? Januar 2007:

    Privatisierung: MBI machen erneut mobil

    Unterschriften für Bürgerbegehren. Die MBI-Fraktion bereitet einen zweiten Bürgerentscheid gegen die Privatisierung städtischer Leistungen vor.

    Der Hintergrund: Bereits am 27. Februar 2005 kam beim damaligen Bürgerentscheid eine Mehrheit gegen Privatisierungen zustande. Dessen Bindungskraft läuft nun nach zwei Jahren – also Ende Februar – aus. Voraussichtlich am 1. März aber will der Rat entscheiden, welchen Investor die Stadt in die Projektentwicklungsgesellschaft, die den Bau der Ruhrpromenade, des Hafenbeckens und den Abriss von Rathaus-Anbau und Stadtbücherei vorfinanzieren soll, beruft.

    Wolfgang Sauerland, Leiter des Amtes Rat der Stadt, bestätigt, dass die Benennung des privaten Investors bis 27. Februar nicht möglich sei. Danach aber sehr wohl. Ein neuerliches Bürgerbegehren, so schreibe es die Gemeindeordnung vor, müsse dann innerhalb von drei Monaten nach dem 1. März auf den Weg gebracht worden sein. Sauerland schränkt aber ein: „Ob dann ein Bürgerentscheid gegen die Projektentwicklungsgesellschaft zugelassen werden kann, müssen wir konkret rechtlich prüfen.“

    Nach einer Bürgerversammlung am Montagabend, an der rund 60 Mülheimer teilnahmen, zeigt sich MBI-Sprecher Lothar Reinhard entschlossen, erneut Unterschriftenb für ein Bürgerbegehren zu sammeln. Er will damit nicht nur den Verkauf der Ostruhranlagen, sondern auch die Übertragung von Schulen an Unternehmen, die die Gebäude sanieren, die Privatisierung städtischer Betriebe und den Verkauf von Anteilen an städtischen Gesellschaften verhindern.

  • Buch: Wem gehoert das Wasser (Lars Mueller, Schweiz)…

    …mit einem Plädoyer: „Das Wasser gehört allen!“ und einer sehr schönen Buch-Promo-Homepage: http://www.wem-gehoert-das-wasser.com/

    Aus der Ankündigung: «Die Knappheit an frischem, sauberem Wasser», so heisst es in einem Bericht der Vereinten Nationen, «ist die grösste Gefährdung, der die Menschheit je ausgesetzt war.» Nur dank dem Wasser und vielen seiner rätselhaften Eigenschaften wird das Leben auf der Erde erst möglich. Ohne Wasser gäbe es keine Nahrung, keine Kleidung, es gäbe noch nicht mal die Tinte, mit der die Bill of Rights geschrieben worden ist. Wem gehört das Wasser? erörtert das Phänomen Wasser, staunt über seine Einzigartigkeit und setzt sich mit den Gefahren und den Chancen des Wassers für das Leben auseinander. Das Buch diskutiert die wichtigsten Fragen zur Trinkwasserversorgung und Nahrungsmittelproduktion, verhandelt Wasser aber auch als zerstörerische Kraft und erforscht die chemischen Eigenschaften des Moleküls. Wem gehört das Wasser? weist auf die Risiken einer ungehemmten Privatisierung des Wassers hin und dokumentiert, wie die Abhängigkeit vom Wasser politisch ausgenutzt wird. Engagierte Bildfolgen und ausführliche Texte erläutern, wieso das Wasser niemandem gehören kann, sondern der Verantwortung und Wertschätzung der gesamten Menschheit untersteht.

    Herausgeber: EAWAG (eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz) und Lars Müller

    Link direkt zum Katalog:
    http://www.lars-mueller-publishers.com/d/katalog/ausgaben/set.php

    "KarlsRuhe stoeren!" Bundesweite Demo gegen Studiengebuehren und Bildungsprivatisierung

    Bundesweite Demo gegen Studiengebühren:
    KarlsRuhe stören! am Freitag, den 26. Januar in Karlsruhe am Hauptbahnhof um 14 Uhr.
    http://www.protest-frankfurt.de/
    Aus dem Aufruf: „Anlässlich des 2. Jahrestages des Bundesverfassungsgerichtsurteils wollen wir nach Karlsruhe fahren und dort mal wieder laut und deutlich sagen, was wir tatsächliche von Studiengebühren halten.
    Hintergrund ist der Beschluss der hessischen Landes-ASten-Konferenz, Verfassungsklage gegen die Einführung von Studiengebühren einzureichen und ca. 43 300 hessische Wahlberechtigte zur Unterschrift zu bewegen. Die Initiative wird getragen vom DGB Hessen-Thüringen, GEW-Hessen, ver.di Hessen, dem „Bündnis für soziale Gerechtigkeit in Hessen“, attac Frankfurt, attac Rüsselsheim, …
    http://www.verfassungsklage-bildung.de
    http://www.asta.uni-frankfurt.de/aktuell/studiengebuehren/index.html
    http://www.attac.de/frankfurt

    Die Armen und die Superreichen

    Im Freitag vom 12.01.2007 schreibt Michael R. Krätke – Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität von Amsterdam – über die „Die Armen und die Superreichen“: Erstmals gibt es verlässliche Daten zur Verteilung von Einkommen und Privatvermögen in der Welt von heute.
    http://www.freitag.de/2007/02/07020601.php

    Vor etwas mehr als 250 Jahren stellte die Akademie von Dijon 1754 eine der damals beliebten Preisfragen: „Was ist der Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen? Wird sie durch das natürliche Gesetz autorisiert?“ Jean Jacques Rousseau beteiligte sich an der Antwort mit der Abhandlung Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen. Soziale und politische Ungleichheit, schrieb er darin, sei weder natürlich noch gottgewollt noch Konsequenz der natürlichen Ungleichheit der Menschen. Sie entstehe vielmehr mit und durch das Privateigentum, durch private Aneignung und Ausbeutung aller Reichtümer der Erde – und sie bedürfe der Legitimation, der Zustimmung aller (oder doch vieler). – Seither gilt die Erklärung der sozialen Ungleichheiten als Schlüsselfrage der Sozialwissenschaften, seither zielt die Kritik der bürgerlichen Gesellschaft auf die Struktur der sozialen Ungleichheit und der damit verbundenen Unfreiheit für die große Mehrheit.

    Es ist hinreichend bekannt, dass derzeit zwei Milliarden Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen, die Hälfte der Weltbevölkerung von knapp zwei Dollar. Wir wissen, dass die soziale Ungleichheit weltweit rasch zunimmt, innerhalb der einzelnen Länder und Regionen ebenso wie zwischen „armen“ und „reichen“ Ländern. Zu Rousseaus Zeiten – so scheint es nach der Datenlage – war die ökonomische Ungleichheit zwischen den Weltregionen noch gering. Geringer jedenfalls als innerhalb der einzelnen Länder. Nach 1800 änderte sich das gründlich, und um 1900 herum betrug das Verhältnis zwischen dem durchschnittlichen Einkommensniveau in den reichen Ländern des „Nordens“ und dem in den armen Ländern des „Südens“ bereits 1 : 4. Ein Jahrhundert später, in der Ära der Globalisierung, haben wir ein Verhältnis von 1 : 30.

    Heißes Eisen

    Folglich wird die Kluft zwischen Armut und Reichtum weltweit immer größer, auch wenn die absolute Zahl der Armen in jüngster Zeit rückläufig scheint. Vorrangig eine Folge des Aufstiegs der „Schwellenländer“ China, Indien, Brasilien, Südkorea und Türkei. Nach wie vor leben aber 2,8 Milliarden Menschen auf der Welt in Armut, 1,3 Milliarden davon in extremem Elend. In Deutschland, einem der reichsten Länder, stieg die Zahl der Armen auf einen Bevölkerungsanteil von 13,5 Prozent, wie mittlerweile zwei „Armutsberichte“ der Bundesregierung eingestehen. Ein Armutszeugnis für sieben Jahre rot-grüner Regentschaft.

    Wissenschaftliche Studien darüber, wie sich Armut und Reichtum verteilen, sind Mangelware. Für die globale Einkommensentwicklung reichen die aktuellsten Daten nur bis 1998. Für Weltbank und IWF war die soziale Ungleichheit im Weltmaßstab nie ein Thema von Rang. Für die Vereinten Nationen schon. Sie haben zuletzt mit dem Weltsozialbericht 2005 das rapide wachsende ökonomische Gefälle zwischen den Weltregionen wie innerhalb einzelner Länder als entscheidende Ursache von Gewalt und (Bürger-)Kriegsgefahr benannt und bezweifelt, ob das Millenniumsziel des Kopenhagener Weltgipfels von 1995, die extreme Armut in der Welt zu halbieren, je erreicht werden kann.

    Kurz vor dem Jahreswechsel hat nun das World Institute for Development Economics Research (WIDER) der UN-Universität in Helsinki eine neue Studie veröffentlicht, die erstmals für mehr als 94 Prozent der Weltbevölkerung die Verteilung von Einkommen und Vermögen sowie deren Entwicklung bis zum Jahr 2000 detailliert untersucht. Damit wird eine große Forschungslücke annähernd geschlossen, die von der Bundesregierung mit ihrem Armutsbericht 2006 vornehm beklagt wurde. Wohl wissend, dass die Untersuchung des Reichtums der Reichen und Superreichen dieser Welt, der privaten Vermögen und des Kapitals, auf dem heutzutage Macht beruht, seit jeher eines der heißen Eisen ist, von denen die offizielle Sozialwissenschaft lieber die Finger lässt.

    Aus einzelnen Länderstudien wissen wir seit langem, dass die Vermögensverteilung in aller Regel noch weit ungleicher ausfällt als die Einkommensverteilung. Ein halbwegs zutreffendes Bild von der tatsächlichen ökonomischen Ungleichheit erhält nur, wer beides gleichermaßen analysiert. Die Autoren der WIDER-Studie haben das zum ersten Mal getan. Dank ihrer Pionierarbeit verfügen wir endlich über einigermaßen verlässliche Daten zum Verhältnis von Armut und Reichtum in der Welt von heute. Untersucht wurde die globale Verteilung des Reichtums für die erwachsene Weltbevölkerung im Blick auf Haushaltsvermögen (netto, nach Abzug der Schulden).

    Die Studie reicht bis 2000, aktuellere Daten sind weltweit nicht verfügbar. Nur für die relativ kleine Zahl von 18 Ländern gab es überhaupt vollständige Erhebungen, auf die WIDER zurückgreifen konnte. Für eine Reihe weiterer Staaten war man auf Umfragedaten angewiesen, die freilich einen gewaltigen Nachteil haben: Schulden und Finanzvermögen (besonders Immobilien) werden in der Regel nicht vollständig oder viel zu niedrig angegeben. Dies schlägt auf die Schätzungen durch, die von den Autoren der Studie mit Hilfe der Datensätze aus 38 Ländern für weitere 150 vorgenommen wurden.

    In der Topliga

    Dem vorliegenden Material lässt sich entnehmen: 90 Prozent des weltweiten Reichtums (Netto-Haushaltsvermögens) befinden sich in Nordamerika, Europa und im asiatisch-pazifischen Raum (Japan, Australien). Auf Nordamerika, mit sechs Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung entfällt allein ein Drittel des Weltvermögens – auf Indien mit mehr als 15 Prozent der Erwachsenen weltweit hingegen nur ein knappes Prozent. Aber auch zwischen den reichen Ländern des Nordens variieren die Vermögenswerte beträchtlich: In Irland gehören dem obersten einen Prozent der Vermögenden 10,4 Prozent aller privaten Haushaltsvermögen, in der Schweiz sind es nicht weniger als 34,8 Prozent, in den USA (wegen notorisch unvollständiger Daten für die Superreichen) „nur“ 33 Prozent. Dafür entfallen dort auf die Spitzengruppe der obersten zehn Prozent der Vermögensinhaber fast 70 Prozent der gesamten privaten Haushaltsvermögen. In China halten die obersten zehn Prozent gerade 40 Prozent.

    Wer zur Topliga der Reichen dieser Welt gehören will, muss über ein Vermögen von mehr als 500.000 Dollar verfügten. Diese Spitzengruppe umfasst immerhin 37 Millionen Erwachsene. Seit dem Jahr 2000 dürfte sich die Mindestsumme an Vermögen, die man braucht, um in diese Kategorie aufzurücken, jedoch erhöht haben – um geschätzte 32 Prozent.

    Daraus folgt, dass den obersten zehn Prozent gut 85 Prozent des Weltvermögens gehören. Wer sich zu dieser Gruppe rechnen darf, besitzt im Durchschnitt 40 mal mehr als der Weltdurchschnittsbürger. In der unteren Hälfte dieser Pyramide muss sich die Hälfte der erwachsenen Weltbevölkerung hingegen mit gerade einmal einem Prozent des Weltvermögens begnügen.

    Nehmen wir den berühmten Kuchen, den die konservativen Damen und Herren so schätzen, um uns und sich weiszumachen, jede Umverteilung sei sinnlos, da man bekanntlich nicht mehr verteilen könne als produziert werde. Übertragen wir die Struktur der weltweiten Vermögensverteilung auf eine Gruppe von zehn Menschen, die sich den bewussten Kuchen teilen, dann müssen wir uns einen Herrn vorstellen, der 99 Prozent des Kuchens für sich allein beansprucht, während sich die übrigen neun das verbleibende eine Prozent teilen. Würde der Kuchen umverteilt, würde der eine nicht daran sterben, und den anderen neun ginge es erheblich besser als zuvor.

    Wo sind die Reichen und Superreichen dieser Erde zu finden? Nordamerika, Europa, Japan und Australien wurden bereits erwähnt. In den USA zum Beispiel leben 37 Prozent der Superreichen, es folgt Japan mit 27 Prozent. Auf Brasilien, Indien, Russland, die Türkei und Argentinien entfällt jeweils knapp ein Prozent der globalen Spitzengruppe, China hat schon 4,1 Prozent der reichsten Weltbürger vorzuweisen. Nach der WIDER-Studie gab es 2000 bereits 13,5 Millionen Dollar-Millionäre weltweit (erheblich mehr also als in den Studien der Vermögensverwalter Merrill-Lynch und Forbes verzeichnet) und genau 499 Vermögens-Milliardäre. Inzwischen dürften es erheblich mehr sein.

    Der Autor ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität von Amsterdam.

    Privatisierungsfolgen in Neuseeland

    Helen Clark, Premierministerin von Neuseeland, im Interview mit der NZZ:
    «Wir brauchen einen starken Staat»
    http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/519837ca-e9c2-4c20-918c-31ac11ad8045.aspx
    kurzer Ausschnitt zum Thema Privatisierung und ihre Folgen:
    Frage: Neuseeland hat damals im großen Stil Staatseigentum verkauft. Das war also keine gute Idee?
    Helen Clark: Das waren oft Desaster! Zum Beispiel die Privatisierung der Eisenbahn und auch der Fluggesellschaft. Wir mussten beide in den letzten fünf Jahren zurückkaufen, sonst hätte Neuseeland weder das eine noch das andere. In der Telekommunikation wurde aus dem Staatsmonopol ein Privatmonopol, das Mitbewerbern den Zugang verwehren konnte.
    (gefunden bei http://www.nachdenkseiten.de/?p=1983 )

    Das vollstaendige Interview der NZZ:

    Privatisierung – NZZ Folio 09/06
    «Wir brauchen einen starken Staat»

    Seit die Sozialdemokratin Helen Clark Neuseeland regiert, hat sie die Privatisierung behutsam zurückgedreht. Und das Land kann erstaunlich gute Wirtschaftsdaten vorweisen. Trotzdem oder deswegen? Von Anja Jardine

    Frau Premierministerin, Neuseelands Wirtschaft floriert, es gibt kaum Arbeitslose. Verdanken Sie das den «Rogernomics» – den radikalen Wirtschaftsreformen der 1980er Jahre, benannt nach dem damaligen Finanzminister Roger Douglas?

    Das glaube ich nicht. Die Deregulierung erfolgte vor zwanzig Jahren, danach sind wir jahrelang furchtbar gestrauchelt. Und ich bin überzeugt, dass die Rogernomics deshalb nicht funktioniert haben, weil es für den Staat keine angemessene Rolle gab, denn es bedarf in der Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts unbedingt einer Führungsrolle des Staates. Seit ich im Amt bin, versuche ich, die für Neuseeland herauszuarbeiten.

    Worin besteht die Rolle?

    Wir sind ein kleines Land, wir müssen als «Neuseeland Incorporated» arbeiten, wir müssen unsere Politik eng auf unsere Wirtschaft ausrichten – ihre Potentiale identifizieren, gezielt forschen und entwickeln, sicherstellen, dass genug Risikokapital zur Verfügung steht. Die Privatwirtschaft reisst sich nicht drum, Ideen zu finanzieren, die sich noch nicht bewiesen haben. Sowenig wie sie freiwillig Grundversorgung gewährleistet oder in Infrastruktur investiert. Das hat uns die Erfahrung gelehrt.

    Neuseeland hat damals im grossen Stil Staatseigentum verkauft. Das war also keine gute Idee?

    Das waren oft Desaster! Zum Beispiel die Privatisierung der Eisenbahn und auch der Fluggesellschaft. Wir mussten beide in den letzten fünf Jahren zurückkaufen, sonst hätte Neuseeland weder das eine noch das andere. In der Telekommunikation wurde aus dem Staatsmonopol ein Privatmonopol, das Mitbewerbern den Zugang verwehren konnte. Es mangelt in diesem Bereich noch heute an Wettbewerb und Angebot. Wir haben grosse Mühe, das zu korrigieren. Zum Beispiel versuchen wir gerade, im Bereich der Breitbandtechnologien das Gefüge aufzubrechen.

    Warum gab es beim Verkauf keine Auflagen, die Grundversorgung und Wettbewerb sicherstellten?

    Wir waren mit die ersten weltweit, die deregulierten. Das Pendel schwang von einer Art westlichem Albanien, das wir waren, zu einem Zustand ohne jede Regeln. Die privaten Energiekonzerne zum Beispiel haben über Jahre hinweg nur den Profit abgezogen und weder in Instandhaltung noch Erneuerung des Netzes investiert.

    Was unter anderem dazu führte, dass 1998 für 66 Tage weite Teile Aucklands ohne Strom waren.

    Ja. Ähnlich erfolglos war der Verkauf der Banken: der Postbank und auch der Bank of New Zealand. Es gibt heute keine neuseeländische Bank von Rang mehr, die meisten sind in australischer Hand. Und weil diese Grossbanken kein Interesse am kleinen Mann haben, konnte man in manchen Städten jahrelang kein Konto mehr eröffnen. Die Regierung musste auch da einspringen und hat in den Postfilialen eine Bank eingerichtet.

    Hätte Neuseeland 1984 die Möglichkeit gehabt, die Reformen behutsamer durchzuführen?

    Fest steht: Wir konnten nicht weitermachen wie bisher. Aber es hätte besser geplant sein müssen, von entsprechenden Massnahmen begleitet. So gibt es in Neuseeland zum Beispiel Potential für Nischenproduktion, doch dazu bedarf es hochqualifizierter Arbeiter und Innovation. Das hätte man parallel initiieren müssen. Vor allem hätten die Menschen wissen müssen, was auf sie zukommt. Die haben die Reformen nie gewählt. Auf diese Weise verliert man die demokratische Legitimation. Wir mussten das Wahlrecht ändern – vom britischen Modell zum deutschen Verhältniswahlrecht, das kleinen Parteien den Zugang erleichtert. Die Menschen haben uns nicht mehr vertraut.

    Wie waren Sie persönlich in die Reformen involviert?

    Ich war im Parlament, und ich war zweifelsfrei nicht einverstanden mit dem, was da geschah. Und als ich 1987 dann Ministerin für Wohnungsbau und Gesundheit wurde, musste ich mich mit den sozialen Konsequenzen der Reformen auseinandersetzen, und die waren enorm. Wenn man ein System mit freier Ausbildung und freiem Gesundheitswesen abschafft, bewegt man sich als Nation rückwärts.

    Aber es gab keine nennenswerte Opposition. Die National-Partei machte weiter, wo Labour aufgehört hatte.

    Moment, die Labour-Regierung hat in der ersten Reformrunde die Wirtschafts- und Finanzmärkte dereguliert, aber wir haben weder das soziale Netz gekappt noch den Arbeitsmarkt angefasst. Das hat die National Party getan, als sie 1990 an die Macht kam. Die haben Renten und Sozialleistungen gekürzt, Gebühren für Krankenhäuser und Universitäten eingeführt sowie die Gewerkschaften entmachtet. Es kam zu Massenentlassungen. Da ging es erst richtig abwärts.

    Aber es war die Labour-Partei, die den Bauern über Nacht die Subventionen gestrichen hat.

    Das war richtig. Wir mussten die Subventionen los werden – dauerhafte Bezuschussung der Produktion ist grundsätzlich falsch –, aber es geschah zu schnell, zu hart, zu radikal. Viele Farmer sahen ihr Lebenswerk zerstört. Mein Vater, ebenfalls Bauer, nahm Antidepressiva.

    Wer die Krise durchgestanden hat, scheint heute sehr robust zu sein. Ist das so?

    Ja, Sie finden keinen einzigen Bauern im Land, der zu den alten Zuständen zurückwill. Unsere Farmen sind hochproduktiv, und der abgelegenste Hochlandbauer hat ein ausgeprägtes unternehmerisches Bewusstsein. Aber es geht nicht nur um Milch, Fleisch, Wolle und Holz, sondern zum Beispiel auch um Biotechnologie. Wir haben vor Jahren eine Taskforce mit Leuten aus Industrie und Regierung eingerichtet, um auf diesem Feld eine klare Strategie zu entwickeln. Die Herausforderung besteht für uns darin, Mehrwert zu schaffen: Functional Food, Nahrungsergänzungsstoffe. Das müssen wir fördern, fördern, fördern.

    Weit über 90 Prozent der rund 13 000 Milchbauern haben sich zu einer Grosskooperative zusammengeschlossen: Fonterra. Das sieht nach Sozialismus aus.

    Wenn neuseeländische Milchproduzenten anfangen, sich gegenseitig zu unterbieten, haben sie auf dem Weltmarkt keine Chance; wir müssen nach aussen hin gemeinsam auftreten; unsere mittelgrossen Molkereien wären andernfalls längt von Nestlé oder sonstwem geschluckt worden. Deswegen haben wir dem Zusammenschluss eine Sondererlaubnis erteilt. Die Mitgliedschaft ist für die Bauern freiwillig, es gibt drei weitere kleinere Milchkooperativen, so dass im Inland durchaus Wettbewerb herrscht. Kooperativen spielten in Neuseeland schon immer eine grosse Rolle. Auch Obstbauern tun sich für Marketing und Vertrieb zusammen – die Kiwis unter Zespri, die Äpfel unter Enza.

    Es ist also legitim, wenn ein Staat seine Industrien vor den rauhen Winden der Weltwirtschaft zu schützen versucht? Tut Europa mit seinen Subventionen für die Landwirtschaft nicht genau das?

    Der Unterschied ist der, dass wir die Landwirtschaft als Industrie betrachten, während sie in Europa eher als Naturpflege gesehen wird. In Anbetracht der Grössenordnung der Landwirtschaft in Europa ist das absurd. Länder wie die Schweiz sollten unterscheiden zwischen der Unterstützung ländlichen Lebens einerseits und der Landwirtschaft als Industrie andererseits, denn so wie es nun läuft, profitieren grosse Agrarbetriebe am meisten von den Subventionen. Und das ist unfair gegen alle anderen.

    Wie steht es mit dem Recht eines Staates auf Selbstversorgung?

    Das ist altes Denken – allerdings auch in der Psyche der Briten tief verankert. Aber wir müssen den Mechanismen im neuen Europa vertrauen.

    Subventionen gehören also gestrichen. Welche weiteren Lehren haben Sie aus den Rogernomics gezogen?

    Nicht Privatisierung ist das zentrale Thema, vielmehr geht es darum, Staatsunternehmen so zu organisieren, dass sie nicht nach politischen Kriterien geführt werden, sondern nach unternehmerischen. Neuseeland hat nie Fabriken nach sowjetischem Muster besessen, sondern bei uns ging es um Infrastruktur. Die Eisenbahn gehört zur Grundausstattung, sie ist ein natürliches Monopol. Auch die Airline hätte nicht privatisiert werden sollen, es ist schwer, mit einer Fluggesellschaft Geld zu verdienen. Aber wir vermarkten Neuseeland durch Air New Zealand, deswegen brauchen wir eine Fluggesellschaft, um im Tourismus Geld zu verdienen.

    Welche Rolle spielt die nationale Identität in einer globalisierten Wirtschaft?

    Wenn wir als Regierung die Kultur nicht fördern, enden wir als Vorstadt von Los Angeles, Sydney oder Frankfurt. Aber wir haben unsere eigenen Geschichten zu erzählen. Europäischer Lebensstil in Neuseeland ist anders als in Europa, Maori gibt es nur hier.

    Offensichtlich bedarf es immer wieder der Ermutigung, des Appells an dieses Nationalbewusstsein?

    Jemand muss dafür Sorge tragen, dafür Raum schaffen, und dabei geht es letztlich auch um Geld. Warum werden in Neuseeland in letzter Zeit so viele interessante Filme gedreht? Weil wir dafür bezahlen! Wir haben einen Fonds eingerichtet, der Drehbuchautoren und Filmemacher anlockt. Das Gleiche gilt für Musik. Wir stellen sicher, dass neuseeländische Kultur präsent ist. Wenn wir unsere eigene Kultur in Mode, Musik und Kunst zum Ausdruck bringen, gibt das den Menschen Sicherheit.

    Fördern Sie die Kultur auch aus ökonomischen Gründen?

    Ganz gewiss, denn ikonische Industrien wie Film haben einen Multiplikatoreffekt, der das Image eines Landes prägt, wovon wiederum Tourismus und Handel profitieren. Wir versuchen hier eine ganzheitliche Marke aufzubauen.

    Nach den Reformen stand es schlecht um das gesellschaftliche Wohlbefinden. Das soziale Klima war rauh.

    Das stimmt, es gab eine latente Aggression, und solche Spannungen in der Gesellschaft darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Schauen Sie nur, was in Frankreich passiert: zehn Prozent Arbeitslosigkeit, konzentriert in Ghettos, da brennen die Städte. Und wenn Sie sich die Geschichte Deutschlands vor Augen führen, so war es in Zeiten von Armut und Arbeitslosigkeit in der Weimarer Republik, als Hitlers Stunde kam. Ein soziales Gefüge sollte sehr behutsam restrukturiert werden. So gesehen hatten wir in Neuseeland damals erstaunlich wenig Krawall.

    Aber eine sehr hohe Jugendselbstmordrate.

    Ich bin überzeugt, dass das mit der hohen Jugendarbeitslosigkeit zu tun hatte. Junge sahen keine Zukunft. Seit sie wieder Hoffnung haben, ist die Rate zurückgegangen.

    Ihre Politik stand von Anfang an unter dem Slogan «Closing the Gap» (Schliessen der Kluft).

    Es ging sowohl um die Kluft zwischen Maori und weissen Neuseeländern als auch zwischen Arm und Reich. Was die Angleichung der Einkommen anbelangt, so müssen wir zusehen, dass unsere besten Leute im Land bleiben, aber auch im untersten Segment Jobs erhalten. Ein Instrument, trotz den Differenzen soziale Sicherheit zu gewährleisten, sind Steuererleichterungen für geringe Einkommen, Investitionen in Gesundheit und Ausbildung, Pensionen. Wir sind Sozialdemokraten, wir wollen keine Bettler auf der Strasse. Schauen Sie sich in Neuseeland um, Sie werden keine finden.

    Anja Jardine ist NZZ-Folio-Redaktorin.

    Armut und Reichtum in Europa

    Im Gegenteil: Der Druck auf Löhne und Sozialstandards hat in ganz Europa zugenommen; nicht weniger, sondern weit mehr Menschen sind heute arbeitslos. Die Armut ist erheblich gewachsen. Gleichzeitig sind die Gewinn- und Vermögenseinkommen explodiert. Es haben sich europäische „global player“ formiert, die ihre Marktmacht und ihren politischen Einfluss in der EU rücksichtslos ausnutzen. Die Konferenz will den 15. Jahrestag der Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages zum Anlass nehmen, um über die Entwicklung von Armut und Reichtum in Europa zu informieren und die europäische Wirtschafts-, Finanz- und Wettbewerbspolitik einer kritischen Analyse zu unterziehen. Gemeinsam mit ExpertInnen aus Wissenschaft, Politik und sozialen Bewegungen soll über Alternativen zur neoliberalen Politik und zu europäischen Institutionen, die sich bislang einseitig an den Interessen der großen Konzerne und Wirtschaftslobbys orientieren, nachgedacht werden.

    Programm:

    13 Uhr: Armut und Arbeitslosigkeit in der EU

    mit Michael Klundt (Universität Köln), Dr. Heribert Kohl (Büro für wissenschaftliche Publizistik und Politikberatung (BwP), Erkrath), Prof. Dr. Hansjörg Herr (FHW Berlin) und Ulla Lötzer (MdB)

    15.00 Uhr: Reichtum und Konzernmacht in der EU

    mit Prof. Dr. Hans-Jürgen Krysmanski (Soziologe, Universität Münster), Prof. Dr. Gretchen Binus (Wirtschaftswissenschaftlerin, Berlin) und Ulrich Müller (LobbyControl)

    16.15 Uhr Deregulierung und Privatisierung in der EU

    mit Prof. Dr. Jörg Huffschmid (Memorandum-Gruppe, Universität Bremen) und Jürgen Klute (WASG Bundesvorstand)

    18 Uhr Alternativen zu Lohnraub und Sozialdumping – der Kampf für ein soziales Europa

    mit Oskar Lafontaine (MdB), Sahra Wagenknecht (MdEP), Ernest Kaltenegger (Landtagsabgeordneter, KP Österreich), Michael Schlecht (Chefvolkswirt ver.di Bundesvorstand), Prof. Dr. Christoph Butterwegge (Universität Köln)

    Wir laden Sie herzlich ein, an der Konferenz teilzunehmen, die am 10. Februar 2007 ab 13 Uhr im Europahaus (Unter den Linden 78, 10117 Berlin) stattfinden wird.

    Um Anmeldung wird gebeten (Kontakt: sahra.wagenknecht@europarl.europa.eu)

    Steuerpolitik und Service Public – zwei aktuelle Publikationen von attacschweiz

    Mit zwei aktuellen Büchern aus der Reihe ATTAC-Texte im Rotpunktverlag kümmert sich attac um Steuerpolitik und Öffentliche Dienste. Die soeben erschienene Publikation „Kassenkampf“ zeichnet die Geschichte der schweizerischen und internationalen Steuerpolitik der letzten Jahrzehnte nach. Und dass mit „leeren Kassen“ kein Staat zu machen ist, zeigt das Buch „Service Public“ auf, welches letztes Jahr erschienen ist.

    Bei Kampagnen gegen die zerstörerischen Praktiken der multinationalen Konzerne und internationalen Finanz- und Handelsinstitutionen, sowie bei sozialpolitischen Auseinandersetzungen im Rahmen von Mobilisierungen gegen die Privatisierung öffentlicher Dienste und sozialer Sicherungssysteme trifft die Frage der öffentlichen Finanzen nach wie vor den Nerv sämtlicher Diskussionenum eine „mögliche andere Welt“. Politik, und insbesondere der Bedarf an Schulen, Krankenhäusern, öffentlichem Verkehr oder Sozialversicherungen im Norden wie im Süden, wird mit öffentlichen Mitteln finanziert.

    Mit zwei aktuellen Büchern aus der Reihe ATTAC-Texte im Rotpunktverlag will attac schweiz diese Thematik einem breiten Publikum, insbesondere aber Mitarbeitern und Aktivistinnen aussozialen Organisationen näher bringen. Die soeben erschienene Publikation „Kassenkampf“ zeichnet die Geschichte der schweizerischen und internationalen Steuerpolitik der letzten Jahrzehnte nach, erklärt am Beispiel der laufenden Unternehmenssteuerreform die Umverteilung der Steuerlast von den grossen Vermögen auf die weniger begüterte lohnarbeitende Mehrheit, weitet den Blick aus auf die internationalen Verflechtungen des Steuerparadieses Schweiz und widmet sich möglichen Vorschlägen, wie eine solidarische, demokratische und nachhaltige Steuerpolitik zu gestalten wäre.

    Dass mit „leeren Kassen“ kein Staat zu machen ist, zeigt das Buch „Service Public“ auf, welches letztes Jahr erschienen ist. Die aktuellen Diskussionen um die Zukunft der Post, der Bahn und des Elektrizitätsnetzes sowie die ständigen Angriffe auf das Gesundheits- und Bildungswesen sind Anzeichen dafür, dass Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Dienstleitungen zu einem zentralen Pfeiler desneoliberalen Gesellschaftsmodells geworden sind. Die Publikation erläutert, wie diese Politik zunächst in den Ländern des Südensdurch Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Welthandelsorganisation (WTO) zwangsweise gegenüber den Nationalstaaten durchgesetzt wurden, zeigt deren verheerenden Folgenin konkreten Beispielen auf und versucht, allen um das Gemeinwohlbesorgten Menschen schlagkräftige Argumente für zukünftige Auseinandersetzungen rund um den Service Public zubieten.

    Die beiden Publikationen bieten einewertvolle Unterstützung für die politische Bildungsarbeit insozialen Institutionen und Organisationen und können direkt beiattac schweiz zum Preis von je 15.-/9,50€ bezogen werden. Die Autorinnen und Autoren sind auf Anfrage auch gerne bereit, die Thesenund Argumente an Vereinsversammlungen oder Teamsitzungen eineminteressierten Publikum auch mündlich zu präsentieren. Siekönnen uns zu diesem Zweck direkt per Mail unter schweiz@attac.org kontaktieren.

    Wagenknecht-Lederer-Debatte (Sparkassenprivatisierung)

    Klaus Lederer (MdA in Berlin) fragt „Privatisierung der Berliner Sparkasse?“ im Kontext des Verfahrens zur Veräußerung der Bankgesellschaft Berlin.
    Sahra Wagenknecht kommentiert.
    Der Lederer-Text: http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=11730&type=0
    Der Wagenknecht-Kommentar: http://www.antikapitalistische-linke.de/serveDocument.php?id=14&file=3/c/908.pdf

    Der Kommentar in englisch:

    Sahra Wagenknecht: Commentary to the Paper by Klaus Lederer: “Privatisation of the Berlin Savings Bank?”

    In his paper “Privatisation of the Berlin Savings Bank”, Klaus Lederer deals with the policy of the Berlin Senate in the run-up to the upcoming tender procedure for the Berlin Bank Society and the danger of privatisation of the Berlin Savings Bank. Since in this context, the reproach is raised that I claimed erroneously that the Left Party, in 2005, by its consent to the Savings Bank Law created the prerequisites for the “Privatisation of the Savings Bank” in Berlin, I want to take issue with some of Klaus‘ theses. I would be happy if it were possible to lead on this concrete example a matter-of-fact discussion about the origins and consequences of privatisation and to work out possible alternatives for action.

    Privatisation as material constraint?
    Do communal representatives accept the “trend in the direction… of the participation of private institutions and firms” as “reality of local economic activity and fulfilment of tasks”? Klaus suggests this, when he writes that the Left had to face the “difficulties and problems of communal action resulting from that”.

    Wouldn’t it be better if the Left would turn the fatal consequences that corresponding privatisation projects brought with themselves precisely in Berlin into a public topic, and by way of the mobilisation by social movements produce the necessary pressure to be able to correct past wrong decisions and to be able to pursue a different policy? The prerequisites for that are not so bad inasmuch as it can very well be shown on the example of the Berlin Bank Society or the Berlin Water Works that (partial) privatisations and other “forms of combination of public task fulfilment with private strategies and interests” have had no advantages but have further facilitated a plundering of the citizens and the public budgets to the benefit of public investors.

    Does legal form really not matter?
    Klaus Lederer criticises “confessions to seemingly better legal forms” and defends the thesis that the concrete property and legal form does not play a role in the “pushing through of practical solutions of task fulfilment that do justice to the needs of the population and to democratic and transparent public control”.

    I should resolutely contradict that. Even if firms organised in a public and legal way do not automatically satisfy the requirements of democratic and transparent control and guarantee a better supply of goods and services to the population, the public-legal form is nevertheless a prerequisite to be able to realise the alignment of an enterprise with the common weal at all.

    After all, the private legal form is meant for enterprises that do not serve the common interest but by the obtaining of profit serve private interests. Accordingly, private entrepreneurs will resist every attempt to operate a business policy oriented towards the common weal that would narrow their profits. The possibilities of a democratic and transparent control are automatically narrowed down by a privatisation (or respectively the taking over of a private economic legal form). Thus private firms in the first instance have to present their accounts to their stockholders – not, however, to the citizens and consumers that have to use the goods and services offered. Moreover, there is the fact that on normal markets, there is competition so that processes internal to the enterprise fall under a strict duty to secrecy. Even partly privatised firms such as the Berlin Water Works, following an order of the Berlin Administrative Court of Justice, are not obligated to lay open their price calculation, since this might disadvantage the company – that has a monopoly in Berlin – in the competition on the Brandenburg market. Thus there can hardly be any question of transparent public control.

    On the interpretation of the credit system law
    As Klaus Lederer records, the Savings Banks, according to § 40 KWG (Credit System Law), as public legal companies, are oriented towards the common weal and obligated to their local circle of action (regional principle). By contrast, there was, according to him, absolutely no unity on the “question whether this also necessarily presupposes a public ‚owner‘ and whether the profits on principle had to be invested in a way related to the common weal.”

    To my knowledge, unity ranges from the German government by way of the German Saving Banks Association to the Federal Agency of Supervision of the Credit System (BaFin) with regard to the point that only public-legal institutes that use their profits for the common weal or save them should have the right to carry the name “Savings Bank”. Everything else would be a deceit of the consumers as the German Savings Bank Association states with view to Berlin.

    Now the interpretation of the Credit System Law following which only public-legal institutes can call themselves Savings Bank that use their profits in a common weal-oriented way is being questioned by Berlin’s Finance Senator Sarrazin in agreement with the economic advisory firm Freshfields Bruckhaus Deringer that already for years intends to play a pioneer role in the privatisation of Regional and Savings Banks. In this context, he points to the fact that the Berlin Savings Bank already since the founding of the Bank Society has transferred its profits to the Bank Society. “If paragraph 40 KWG (Credit System Law) really presupposed a use of profits for the common weal and at the same time prohibited any kind of transfers to private operators, the BaFin would have been acting in contravention to the law and would have to permit the question why it did not intervene against a use of the name ‚Berlin Savings Bank”, thus Sarrazin in a letter to the BaFin. Of course, it would have been better if the BaFin had intervened earlier and had already prevented such a dubious construction like the Bank Society Berlin Inc. where – as already in the case of the Berlin Water Works – an institution of public law has been placed under the direction of a private legal holding with private participation. Yet should one demand to give legal blessing to this breach of law with hindsight?

    The fact that parts of the Berlin Senate appropriate an argument according to which private banks as well under certain conditions should have the right to bear the name Savings Bank is a scandal. Here it is played in an irresponsible way into the hands of the private banks that in one or the other way want to “crack” § 40 KWG / Credit System Law. In case they should not succeed to strike out the corresponding paragraphs in the Credit System Law – and the Federal Government has announced that it is not prepared for that – they would have to depend on such a kind of reinterpretation of the Credit System Law. A corresponding precedence case in Berlin would be very welcome to them in that connection. And the precedence case does not let itself be defined away as easily as Lederer is trying who reproaches the anti-capitalist left with trying to stylise a “model case Berlin”. As certain articles from the financial press prove, there is no need for the anti-capitalist left to do that, since it is obvious that what happens in Berlin can easily be generalised.

    The Berlin solution – a cheat package
    It is true that the Berlin Senate by the decision to accord comprehensive restructuring aid to the troubled Berlin Bank Society Inc. has manoeuvred itself into a difficult situation, because the EU now in its countermove demands the sale free of discrimination of the shares of the city of Berlin to the Bank Society Berlin Inc.

    Excepting for a moment from the question whether a controlled disentanglement and declaration of insolvency of the Bank Society would not have been better than the risk shielding decided by the Red-Red Senate, there comes up the next question, whether the Berlin Senate really must be interested in that also private operators can be owners of a Savings Bank. The contrary seems true to me: By trying to enable the sale of the Savings Bank to private banks, one runs the risk that (not only) Berlin stands there without a bank institute obligated to the common weal. Because to believe that a private bank will submit voluntarily to the “special common weal-oriented, savings bank- typical duties”, will not pursue profit as its main purpose and will let itself prescribe by a Berlin Senator to what foundations it gives its surpluses or how it organises its account conditions or collective agreements is after all a bit naïve. In this respect, the German Savings Bank Association is right when it refuses the solution propagated by the Berlin Senate as a cheat package.

    On the criticism of the Berlin Savings Bank Law
    As Klaus describes, it is in the case of the law passed by the Red-Red Senate on the Berlin Savings Bank and the transformation of the Regional Bank Berlin into a stock-holding society (Berlin Savings Bank Law) a case of “getting done the splits between privatisation obligation and retention of the Savings Bank label and the public legal duties.”

    The law prescribes that the Berlin Savings Bank be transformed into a partly legally empowered public legal institution without its own property, organisation structure and bank licence that shall transfer its profits to a stock company that is given the operator’s licence of the Savings Bank on loan. The point is thus that the Savings Bank will remain a public legal institute – however, under the roof of a stockholding company that can be bought by private investors.

    This complicated and legally disputed construction fatally reminds one of earlier models of “Privatisation keeping up the public legal form” that were tested on occasion of the founding of the Bank Society Inc. in the year 1994 as well as of the partial privatisation of the Berlin Water Works in 1999 – with catastrophic results for the Berlin population. The similarity has a reason: Both the legally disputed partial privatisation law as well as the equally disputed Berlin Savings Bank Law were worked out by the advisory firm Freshfields, Bruckhaus, Deringer, according to Report Mainz of March 20 “one of the best addresses for billion-heavy economic deals” that “is by way of advisor contracts linked superbly with the Federal Association of German Banks and many large banks.” The same consulting firm also took on the task to explain the Savings Bank Law to Berlin deputies in hearings.

    At the latest at this point, the question may be permitted why a Red-Red Senate relies on the expertise of economic advisory firms that earn their money with the privatisation of public property? Why did one not give these means to other lawyers (for instance, from the trade unions or foundations close to these) with the task of finding out legal ways how to rescue in a fully functional Savings Bank in Berlin obligated to the common weal or respectively to establish one?

    Were there or are there alternatives?
    There we are at the question for alternatives to the policies of the Berlin Senate. Is Klaus Lederer right when he leaves us no other choice than that between a “Savings Bank” free zone, on the one hand, and a de facto privatisation under maintenance of the public-legal façade as the Berlin Senate strives for?

    As Klaus himself hints at there has broken out a furious dispute over the question of Savings Bank privatisation between the German federal government and the EU commission. While the EU Commission insists on fulfilment of the tasks, meaning discrimination free sale of the shares owned by the country of Berlin in the Bank Society Berlin Inc., the federal government can point to the fact that a sale of the Berlin Savings Bank to a private bank cannot be reconciled with the German Credit System Law. The situation is thus unclear – and the question must be asked why the Berlin Senate shirks from using the means of the Savings Bank self-foundation or respectively new foundation as a political means of pressure.

    It is still possible to maintain or respectively to create a fully functional Savings Bank obligated to the common weal. In the question for the “how”, maybe a look to Stralsund or to Saxony can help, where there have already been attacks at the local savings banks a couple of years ago that could be thwarted by massive public mobilisation.

    Translated by Carla Krüger, June 14, 2006

    Privatgefaengnis in Hessen, Justizminister: Ersparnis und Vollbeschaeftigung

    Die Faz berichtete am 9. Januar:

    Das erste teilprivatisierte Gefängnis Deutschlands hat sein erstes Jahr mit Erfolg abgeschlossen. Das sagte der hessische Justizminister Jürgen Banzer (CDU) am Montag in Wiesbaden. Das Modell der Justizvollzugsanstalt Hünfeld habe inzwischen sogar Schule gemacht; in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt würden derzeit ebenfalls teilprivatisierte Haftanstalten errichtet. Nach Angaben Banzers liegen die Haft- und Betriebskosten in Hünfeld rund 10 Prozent niedriger als in vergleichbaren rein staatlichen Anstalten.

    Mit einer Beschäftigungsquote unter den rund 450 Insassen von 76 Prozent sei annähernd Vollbeschäftigung erreicht, da ein Fünftel der Häftlinge aus Alters- oder Gesundheitsgründen ohnehin nicht arbeitsfähig sei. Die Tätigkeiten reichten vom Verpacken von Werbegeschenken bis zur Metallbearbeitung für Autozulieferer. Wie der Anstaltsleiter Werner Päckert sagte, erhält ein berufstätiger Gefangener 8 bis 10 Euro am Tag; das sei knapp ein Zehntel dessen, was der jeweilige Auftraggeber bezahlen müsse. In den anderen hessischen Gefängnissen seien im Durchschnitt nur 56 Prozent der Häftlinge beschäftigt, sagte Banzer. Ausbrüche habe es noch gar nicht gegeben.

    In Hünfeld hat die private Serco GmbH aus Bonn Aufgaben wie Bauunterhaltung, Reinigung, Küche, medizinische und pädagogische Betreuung sowie Arbeitsbeschaffung und Betrieb der Werkstätten übernommen. Dafür sind 102 Mitarbeiter beschäftigt. Für die hoheitlichen Aufgaben – insbesondere die unmittelbare Bewachung der Gefangenen – sind 115 Vollzugsbeamte zuständig. Serco ist eine Tochter des britischen Dienstleistungskonzerns Serco Group, der in Deutschland auch in anderen öffentlichen Bereichen tätig ist, darunter im Gesundheitswesen, im Transport und in der Verteidigung.

    Mit der Inbetriebnahme von Hünfeld sei die Überbelegung im hessischen Männervollzug beseitigt worden, sagte Justizminister Banzer weiter. Der Serco-Geschäftsführer Klaus Tiemann ergänzte, sein Personal sei sorgfältig ausgewählt worden und erhalte eine „leistungsgerechte, an marktüblichen Tarifen orientierte Bezahlung“.

    Banzer räumte allerdings ein, dass das Modellprojekt unter erleichterten Bedingungen arbeite. So komme niemand nach Hünfeld, der wegen eines Sexual- oder Tötungsdelikts verurteilt worden sei und länger als fünf Jahre Haft zu verbüßen habe. Die SPD-Opposition im Landtag äußerte dagegen erneut grundsätzliche Kritik. „Erfolge sehen wir nicht“, äußerte die Abgeordnete Nancy Faeser. Stattdessen komme es regelmäßig zu Konflikten, weil private Bedienstete keinen körperlichen Zwang ausüben dürften. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten forderte ein Ende des Experiments. Die erwarteten Einsparungen ließen sich nicht erzielen, meint der Interessenverband ebenso wie Faeser.

    Text: F.A.Z., 09.01.2007, Nr. 7 / Seite 11