Steinbrueck bereitet Autobahn-Privatisierung vor

Handelsblatt online berichtet von Privatisierungsplänen: „Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) lässt nach Informationen der „WirtschaftsWoche“ nun doch verschiedene Modelle zur Privatisierung des deutschen Autobahnnetzes prüfen. Dadurch sollen die Einnahmen für den Bund erhöht werden.
Die Überlegungen reichten vom „Verkauf und anschließender Rückmietung“ (sale and rent back) über Beteiligungen an der Lkw-Maut bis zu privaten Betreibermodellen, berichtete das Blatt unter Berufung auf das Finanzministerium. Zur Konsolidierung des Bundeshaushalts für 2006 bis 2009 habe Steinbrück bereits über die von Amtsvorgänger Hans Eichel (SPD) eingeplanten Privatisierungserlöse von 38 Milliarden Euro hinaus jährlich weitere vier Milliarden durch „Mobilisierung von Beteiligungsvermögen“ einkalkuliert.
Diese zusätzlichen 16 Milliarden seien jedoch nicht mehr durch das so genannte Tafelsilber gedeckt. Dazu gehören neben verbliebenen Aktienpaketen an der Telekom auch ERP- Sondervermögen oder Forderungen gegen andere Länder. Das Statistische Bundesamt beziffert dem Blatt zufolge den aktuellen Wert des Autobahnnetzes auf gut 50 Milliarden. Das Beratungsunternehmen Prognos komme sogar auf 127 Milliarden Euro.“
Quelle: http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1160276

Privatisierung des Uniklinikum Giessen-Marburg

Die Financial Times Deutschland berichtet:
Gesundheitswirtschaft: Klinisches Experiment
Es ist die Stunde der großen Gefühle. Als der hessische Ministerpräsident Roland Koch vor die Presse tritt, um zu verkünden, dass das Universitätsklinikum Gießen-Marburg privatisiert wird, sagt er, der Standort werde künftig europaweit in einer anderen Liga spielen.
Bei dem Unternehmen, das den Zuschlag für die bundesweit erste Privatisierung dieser Art erhält, ist die Euphorie nicht minder groß. „Wir werden das Uniklinikum Gießen-Marburg zum Flaggschiff des Konzerns machen“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Rhön-Klinikums, Wolfgang Pföhler.
Ob diesen Gefühlen bald der Katzenjammer folgt oder sich das Vorzeigeprojekt zur Erfolgsgeschichte entwickelt, darauf blickt nicht nur die Klinikbranche mit großer Spannung. Eines ist klar: Die Unikliniken können nicht mehr weiterwirtschaften wie bisher. Zwei Drittel der derzeit 34 Häuser schreiben rote Zahlen, die Zukunftsaussichten sind düster. Ihnen bleibt nur eine Chance: die Flucht nach vorn.
Noch gilt es in der Politik als Tabubruch, einen privaten Investor ins Allerheiligste der deutschen Medizin zu holen. Kritiker sehen die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre in Gefahr, Mitarbeitervertreter und Gewerkschafter bangen um Stellen. Verdi kritisiert die Entscheidung der Landesregierung als „neue Qualität des Ausverkaufs staatlicher Leistungen“.

Finanzieller Abgrund
Dass die Situation ernst ist, wird allerdings selbst von den Kritikern eingeräumt. Die Universitätskliniken stehen vor dem finanziellen Abgrund. Allein durch die Abrechnung per Fallpauschalen gehen den Kliniken 450 bis 600 Mio. Euro verloren, schätzen Experten. Die Bundesländer, die selbst unter chronischer Geldnot leiden, können diese Lücken nicht stopfen.
Als Retter aus dem Siechtum bieten sich die privaten Klinikketten an. Sie sind begierig darauf, zu beweisen, dass sie nicht nur defizitäre Provinzkrankenhäuser übernehmen, sondern auch Hightech-Häuser aus dem Minus manövrieren können. „Das ist eine Sache des Prestiges“, sagt Analyst Hartmut Schmidt von HPS Research. Wer Zugang zur Hochleistungsmedizin hat, kann Spitzenkräfte an sich binden und sich eine gute Ausgangsposition für frisches Geld vom Kapitalmarkt verschaffen, um für weitere Akquisitionen gerüstet zu sein.
Was sich in Gießen und Marburg, den beiden nur 30 Kilometer voneinander entfernten Kliniken, in den vergangenen Jahren abspielte, ist symptomatisch für die gesamte Branche. Aus eigener Kraft gelang es den beiden Standorten nicht, sich aus dem Sumpf zu ziehen. In Gießen fehlte jahrelang Geld für Neubauten und Renovierungen, weil die öffentlichen Fördertöpfe leer waren. Ein Investitionsstau von mehr als 200 Mio. Euro baute sich auf. Zwischenzeitlich mussten sogar OP-Säle geschlossen werden, da die hygienischen Zustände zu wünschen übrig ließen.

Fusion und Bieterwettkampf
Marburg dagegen schrieb zuletzt schwarze Zahlen und verfügt über moderne Gebäude, konnte aber in der Spitzenforschung international nur in einigen Fachbereichen mithalten. Ende 2004 verkündete schließlich Ministerpräsident Koch, die beiden Häuser zu verschmelzen und bis Ende 2005 an einen privaten Investor zu verkaufen. Im Bieterwettkampf waren neben Rhön die Klinikketten Helios und Asklepios bis zuletzt im Rennen.
Für den Käufer Rhön-Klinikum, der 41 Krankenhäuser in Deutschland betreibt, gibt es nach der Entscheidung jede Menge Vorschusslorbeeren. Der Börsenkurs des MDax-Unternehmens kletterte nach oben. „Mit der Übernahme wird der Netzwerkgedanke bei Rhön entscheidend gestärkt“, sagt Analyst Christian Cohrs von der HypoVereinsbank in München.
Die Wachstumsstrategie von Rhön – bis 2015 will das Unternehmen seinen Marktanteil von heute drei Prozent auf bis zu zehn Prozent ausbauen – ist an den Aufbau von Versorgungsnetzen geknüpft. Die Krankenhauskette setzt auf so genannte Teleportalkliniken: Kleinere Krankenhäuser, vorwiegend auf dem Land, sind über Computer mit Spezialisten in anderen Häusern vernetzt. Die dortigen Experten erhalten Laborwerte oder Computertomografie-Bilder, mit Hilfe derer sie einen Befund erstellen. In diesem System ist ein Uniklinikum ein sehr attraktiver Baustein.
Von Stefanie Kreiss und Sabine Rössing
Aus der FTD vom 22.12.2005 >>> http://www.ftd.de/ub/gw/35816.html