Tel Aviv. Die Association for Civil Rights in Israel (ACRI ) hat vor einigen Tagen ihren Jahresreport veröffentlicht. Wenig überraschend: Um die Menschenrechte ist es im Land auch 2012 nicht besonders bestellt. Am gravierendsten ist und bleibt in diesem Kontext die Wohnsituation vieler Menschen.
Kündigungsschutz, Mietobergrenzen, überhaupt eine Chance auf eine bezahlbare Wohnung – Fehlanzeige für Zehntausende allein in der 400.000 Einwohner*innen zählenden Stadt Tel Aviv. Öffentlicher Wohnungsbau beziehungsweise verfügbare Sozialwohnungen – eines der zentralen Themen des Protestsommers 2011 und kleinerer Initiativen seitens von Zwangsräumung Betroffenen – : keine Entwicklung in Richtung der Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Im Gegenteil: Fortgesetztes Ausweiden des noch bestehenden Gebäudeangebots mithilfe gezieltem Verwahrlosenlassen oder profitabler Gentrifizierungs- und Privatisierungspolitik vor allem im Süden von Tel Aviv. Im ersten Fall nicht selten die Räumung der noch verbliebenen sozial Schwächsten ohne Alternative – alte Menschen, Asylsuchende, alleinstehende Mütter mit kleinen Kindern, abhängige Drogengebraucher*innen, sogar aus ihren Notunterkünften, im Zweiten die vehemente Durchsetzung wirtschaftlich stärkerer Interessen gegen bestehende Selbsthilfe-Strukturen und ökonomische Netzwerke. Landesweit gibt es zu diesem Prinzip von Verdrängung im urbanen Kontext keine nennenswerten Unterschiede – eher noch sorgt institutioneller Rassismus für weitere Dimensionen: Baugenehmigungen in arabischen Gemeinden gibt es nur unter extrem restriktiven Auflagen, wenn sie erfolgt sind, unterliegen die Bauvorhaben infrastrukturellen Schwierigkeiten. 35 Beduinendörfer ohne staatliche Anerkennung sind mit ihrem Status dauerhaft in ihrer Existenz bedroht und willkürlich von Räumung mit schwerem Gerät und polizeilicher Unterstützung betroffen. Am 20. Dezember 2012 wurden einige Aspekte landesspezifischer Verdrängung und Gentrifizierung bei einem internationalen und interdisziplinären Workshop an der Tel Aviv University im Vergleich zu Berlin – mit Berliner Beteiligung – diskutiert.