Ein Konzern will ausbauen und trifft auf Widerstand
Während der Ausbau des Flughafen Berlin Schönefeld allenfalls eine Menschenkette gegen Fluglärm mobilisiert, geht es bei Nantes, im westlichen Frankreich ganz anders zur Sache. „Vinci dégage!“ – „Vinci verpiss dich!“ heisst es da in einem aus Menschen geformten Schriftzug.
Vinci SA hat einmal als Baukonzern angefangen und legt auf seiner Website offenherzig seine bebilderte koloniale Geschichte dar. Inzwischen ist der Konzern ein börsennotiertes Unternehmen und Weltmarktführer im Bereich bauliche und baunahe Dienstleistungen (Le Monde, 13.05.2011).
Eines der nächsten Großprojekte des Konzerns ist der Bau des Flughafens Grand Ouest. Der bestehende Flughafen in Nantes reicht für eine Verdreifachung der derzeitigen jährlichen Passagierzahlen auf 9 Millionen nicht aus und soll daher geschlossen werden. Vinci möchte Investoren und Touristen in die Region locken und die lokale Wirtschaft stimulieren – die Region aus seiner peripheren Lage befreien. Auf Umweltauswirkungen wird natürlich auch Rücksicht genommen: mit einer Photovoltaikanlage und mit Holzheizungen… (wirklimaretter.de)
Neben dem Flughafen sollen noch eine Autobahn und ein TGV-Zuglinie entstehen – eine „Zone d’Aménagement Différé“ (Zone für eine unterschiedliche Nutzung), kurz „ZAD“. Das Ausbau-Projekt wird grandioserweise auch noch „Eco-Metropole der weiten Westens“ genannt und mit dem Label „ Hohe Umweltqualität“ versehen.
Eine ganze Menge Leute finden diese Ideen und Bezeichnungen nicht sonderlich einleuchtend. Aktivist_innen haben die ZAD kurzerhand umgetauft, in: „Zone A Défendre“ (Zone der Verteidigung). Bei einem Proteswochenende im Juli statteten 14.000 Menschen den 20.000 Hektar Wiesen und Acker bei Nantes, die in drei Jahren dem Flughafen weichen sollen, einen Besuch ab. Die Kampagne hat eine Koalition lokaler Anwohner_innen, Umweltschützer_innen, sympatisierender Politiker_innen und Direct Action Aktivist_innen zusammen gebracht. (indymedia.de)
Der Konzern Vinci scheint gerne mal dort zu bauen, wo später was los ist. Bei seinen Bauprojekten in Russland hatte das Unternehmen aber wohl eher weniger mit solcherlei Ärger gerechnet. Denn wer kann bspw. in der jüngeren Geschichte Russlands schon von sich behaupten, Menschen zu selbstorganisierten Demonstrationen und Blockaden zu bringen und dabei landesweite Unterstützung zu erhalten? Vinci hat das als Hauptunternehmer für eine geplante Autobahntrasse durch einen nördlich von Moskau gelegenen Wald geschafft. Die 43 Kilometer lange Trasse wird einen alten Eichenwald durchschneiden, der ein wichtiges Revier für Großwild ist, Biotop für zahlreiche gefährdete Pflanzenarten und Grüngürtel für die Metropole Moskau mit ihrer extremen Luftverschmutzung. Die erste russische Public-Private-Partnership im Straßenbau hat Anfang diesen Jahres zu einigen Protesten geführt. Dabei kam es zu üblen Angriffen auf Umweltaktivist_innen und Journalist_innen, die den Fall recherchierten. Teilnehmer_innen der Initiative wurden mehrfach überallen, häufig von bewaffneten Schlägern, oder sie wurden festgenommen, als sie sich bei den Behörden über den Stand der Dinge informieren wollten. (Le Monde, 13.05.2011)
Soweit scheint es in Nantes noch nicht gekommen zu sein. Anwohner_innen und Bäuer_innen konnten ihren eigenen Widerstand organisieren; beispielsweise mit Petitionen, Demonstrationen, Blockaden oder Besetzungen mit Traktoren.Verschiedene Orte in der ZAD wurden von Aktivist_innen besetzt und werden genutzt, inklusive leerstehender Höfe, Landflächen, Wäldern und kollektiven Gärten. Die ersten Arbeiten an der zukünftigen Flughafen-Autobahn haben begonnen. Ein permanenter Sicherheitsdienst soll installiert werden. Auf indymedia wird zu Untersützung aufgerufen.
Quellen:
http://www.monde-diplomatique.de/pm/2011/05/13.mondeText.artikel,a0069.idx,21
http://www.klimaretter.info/protest/hintergrund/8994-franzoesische-aktivisten-gegen-flughafenneubau