Evo Morales will in Bolivien eine Straße bauen – und stößt damit auf den Protest derer, die ihn mutmaßlich zum Präsidenten gewählt haben. Das ‚gute Leben‘ haben sich die Indigenen anders vorgestellt. Der artenreiche Nationalpark kann sich auch nicht auf die in der Verfassung eingelassenen Rechte der Natur verlassen. Aber eine brasilianische Entwicklungsbank gibt nun mal ordentlich Geld für das Projekt. Die Straße ist Teil eines globalen Infrastrukturprojekts. Der Präsident muss harte Kritik einstecken: „Evo ist wie China, sozialistisch im Diskurs, kapitalistisch in der Praxis.“ In der taz wird das Dilemma beschrieben.
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PORTO ALEGRE taz | Monatelang standen in Bolivien die Zeichen auf Konfrontation, nun ist es so weit: Seit Montag marschieren hunderte Indígenas aus dem Tiefland von der Provinzhauptstadt Trinidad in Richtung La Paz. Ziel ist der Sitz von Evo Morales, gut 600 Kilometer entfernt in den Anden, den sie in sieben Wochen erreichen wollen.
Der Präsident hält an einer Überlandstraße durch den artenreichen Nationalpark Isiboro-Sécure fest und provoziert damit den größten Konflikt seiner fünfeinhalbjährigen Regierungszeit.
Am Donnerstagmorgen wollen die Indígenas, begleitet von zahlreichen Sympathiekundgebungen in ganz Bolivien, in San Ignacio de Moxos eintreffen. Von der Kleinstadt aus soll die umstrittene Straße nach Süden gebaut werden, 306 Kilometer bis nach Villa Tunari in der Kokaanbauregion Chapare, einer Hochburg von Morales.
Der Staatschef reagierte ungehalten, sprach von „Erpressung“ und einer möglichen „Verschwörung von NGOs“, ein Standardvorwurf gegen Kritiker von links. Im Übrigen würden in Bolivien die „sozialen Kräfte“ den Ton angeben. Regierungsvertreter behaupten, die Straße solle der „nationalen Integration“ dienen.
Nicht zufällig wird das auf 415 Millionen Dollar veranschlagte Projekt zu vier Fünfteln durch die brasilianische Entwicklungsbank BNDES finanziert. Es gehört zu einer geplanten Verbindung vom südlichen Teil des Amazonasgebiets bis zu den Pazifikhäfen in Peru oder Chile, über die Agrarprodukte oder Mineralien nach Asien verschifft werden könnten.
Den Auftrag dafür bekam der Baumulti OAS aus Brasilien – am Montag kam es auch zu Protesten vor der brasilianischen Botschaft in La Paz.
In dem über 1.200 Quadratkilometer großen Nationalpark leben 69 Indianergemeinschaften, insgesamt gut 5.000 Menschen, die den Völkern der Mojeños, Yuracarés und Tsimanes angehören. Ihre Sprecher beharren auf dem „Recht auf vorherige Konsultation“, das nicht nur im Rahmen der UNO, sondern auch in der neuen bolivianischen Verfassung garantiert ist.
Alternativroute gefordert
Vor allem befürchten sie, dass Kokabauern aus dem Chapare, die den Straßenbau vehement befürworten, weiter in den Nationalpark eindringen. Deshalb fordern sie eine Alternativroute. Doch Morales will davon nichts wissen.
Auf beiden Seiten wird hart gekämpft. „Evo ist wie China, sozialistisch im Diskurs, kapitalistisch in der Praxis“, lautet der Vorwurf von Andrés Gómez Vela, des Direktors des Basisradionetzwerks Erbol. „Sein ethnischer Ursprung ist Aymara, aber seine Klassen-DNA ist die eines Kokabauern, also liberal und Anhänger der kapitalistischen Entwicklung“, sagt Vela.
Vizepräsident Álvaro García Linera zahlt es den Straßenbaukritikern mit gleicher Münze heim und wirft ihnen ebenfalls vor, sie würden eine „neoliberale Restauration“ anstreben. International dürfte der Druck auf die Regierung steigen – zu offensichtlich ist der Widerspruch zwischen dem Straßenprojekt und der Vorreiterrolle, die Bolivien in der Klimadebatte spielen will.
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