Kundgebung 30.1. Ostkreuz. Hintergrund: S-Bahn-Chaos in Berlin. Ist eigentlich nicht viel dazu zu sagen: Ist ja nicht das erste Debakel einer Bahnprivatisierung. Scheint also sozusagen empirisch gesichert, Privatisierung von Eisenbahn: Schlechte Idee, läuft nämlich nach folgendem Schema ab: Ausgangssituation: Bahn als öffentlicher Betrieb funktioniert, Reibungsverluste gibt es in jedem Betrieb, aber die Substanz (Menschen und Material) ist gesund und der Laden läuft – dann kommt es irgenwann aus dem Filz von Lobby und Politik: Privatisierung! Irgendein akademischer Diskurs (z.B. „Neoliberalismus“) liefert die Ideologie – die entscheidenden Konsequenzen laufen oft unter der Hand: zuerst wird gar nicht der Eigentümer, sondern „nur“ die formale Eigentumsform geändert – das reicht aber völlig denn es bringt die Änderung der Handlungslogik mit sich: vom Zweck „Mobilitätsgewährleistung“ hin zum Zweck „Profitmaximierung“. Irgendwann wachsen dann die sogenannten Sachzwänge, wie im Fall der S-Bahn durch den geplanten Börsengangs des Mutterkonzerns Deutsche Bahn. Profitabel wird ein Börsengang in erster Linie für die sogenannten Investoren, d.h. Anteilseigner der dann börsennotierten Bahn AG. Eine Aktiengesellschaft wirtschaftet für die Dividenden ihrer Anteilseigner, nicht für Mitarbeiter_innen und Nutzer_innen.
Die Konsequenzen dieser Handlungslogik zeigen sich schon heute, während die Bahn fit gemacht werden soll für ihren Börsengang und daher ihre Tochterunternehmen „ausschlachtet“: Die meisten Kosten lassen sich sparen mit der Entlassung von Mitarbeitern, kurzfristig fällt die Entlassung von Wartungsmitarbeitern eben auch noch nicht so auf – nachhaltige Instandhaltung ist nicht mehr drin, das verschärft die Vernutzung der Infrastruktur – weiteres Profitpotenzial bietet die Unterlassung von Investitionen – die Substanz wird in Form von Dividenden aus dem Unternehmen gezogen, in der Sache (Mobilität) bedeutet das Zerfall und Leistungsabbau – die Preise bleiben natürlich hoch, selbst Preissteigerungen werden erwogen und angekündigt (um den Betrieb – aber eigentlich die Profite bzw. Dividenden – zu sichern) – gegen jede Schadenersatzforderung wird erstmal alle Konzernpower in die Lobby geschickt. Die Politik agiert blind und dumm: Statt ganz staatstragend die Allgemeinen Produktionsbedingungen (Marx) sicherzustellen, lanciert der rot-rote Senat „Hekates Lösung“ (Watzlawick): Mehr davon! D.h., wenn die Privatisierung der S-Bahn/DB noch nicht genug war, dann muss doch die Aufteilung des Streckennetzes auf viele konkurrierende Betreiber (mehr Privatisierung) helfen…
Dagegen sprechen nur die, die es besser wissen, z.B. von der Initiative „Bahn von unten“ oder von der Betriebsgruppe „Transparenz für die Basis“, die aber nicht gehört werden, denn wenn man sie machen ließe, dann wären systemische Eingriffe zu befürchten, gar an der Eigentumsform könnte gerüttelt werden – und Letzteres steht (noch) nicht an. Denn da geht noch was bei der S-Bahn. Einige Wagen fahren noch. Einige Kunden zahlen noch. Obwohl man munkelt, dass Kontrollen nicht mehr so viele stattfinden. Wär ja noch schöner. Erst wenn dann irgendwann gar nichts mehr geht, dann wird auch das Kapital sagen: Mensch, die S-Bahn ist ja kaputt, das ist nur öffentlich instand zu setzen. Oder aber ein Autokonzern kauft die kaputten Reste, sorgt dafür, dass sie kaputt bleiben und verkauft statt dessen noch mehr Autos – gabs alles schon, in diversen US-Großstädten in den späten 70ern/frühen 80ern. – Naja, hier gibts ja noch die Grünen und so. Daher wirds eher so laufen: Nachdem alles was geht, in private Taschen abgesahnt ist, darf dann aus öffentlichen Taschen wieder aufgebaut werden.
Wenn die Steuersäcke wenigstens mit fetten Unternehmens-, Erbschafts-, Kapitaltransfer-, Vermögenssteuern usw. gefüllt wären. Sind sie aber nicht. Denn Neoliberale Haushalte sind den sozial Schwachen abgetrotzt. D.h. diejenigen, denen jetzt auch schon ihr oft einziges Mobilitätsmittel unter dem Arsch weg ruiniert wird, werden die Misere irgendwann auch noch wieder ausbaden dürfen. Und werden dann wohl auch noch dankbar dafür sein sollen. Ich muss aufhören drüber nachzudenken oder gar zu schreiben, sonst kotz ich in die Tastatur. – Aber nein, ein Gedanke noch, dieses Enteignungssystem flutscht zu schön: Ist die urbane Bahn-Mobilität erst wieder hergestellt mit den Geldern derjenigen, die sich nicht wehren können (zwei Hauptgruppen: abhängig Beschäftigte mit in der Regel kleinen Einkommen und Transfereinkommensempfänger, denen netto ständig die Bezüge gekürzt werden), dann kann das ganze in die nächste Runde gehen, irgend eine besonders fortschrittliche Reformfraktion wird es wieder durchsetzen, die Bahn wird wieder privatisiert werden, nach dem alten Motto: Gewinne privatisieren, Verluste wird das Umverteilungskarussell sich weiter drehen.
Nur in meinen Träumen schmeißen Bahner_innen die Politiker, Manager und Aktieneigentümer aus ihren Büros, um die Instandsetzung des Betriebes selbst zu organisieren, schicken Bahnbenutzer_innen die Kontrolleure gemeinsam und entschlossen Kaffee trinken, hilft die Polizei den reibungslosen Ablauf öffentlicher Mobilität zu gewährleisten statt Demonstranten zu verprügeln. Bis es soweit ist, können wir anfangen uns zu organisieren, z.B. im Aktionsbündnis Nahverkehr. Das hat sich angesichts der desolaten Situation der S-Bahn gegründet. Es besteht aus MitarbeiterInnen und Fahrgästen der S-Bahn. Es hat sich zum Ziel gesetzt, Fahrgäste und Beschäftigte zusammenzubringen und gegen das Kaputtsparen der S-Bahn zu mobilisieren.
Nächste Kundgebung | 30. Januar | 13 Uhr | Ostkreuz
Nächstes Treffen des Aktionsbündnis Nahverkehr: 22. Januar 2010. Ort: Haus-der-Demokratie, Greifswalder Straße 4 10405 Berlin, Zeit: 18 Uhr
Weitere Infos unter: buendnis@gmx.net