Neuseeland deprivatisiert EisenbahnDeprivatisation of Trains in New Zealand

nzl-train.jpgSelbst die früher verantwortliche Regierungspartei gibt zu, dass die Privatisierung ein Fehler war.The previously responsible ruling party even admits that privatising the railways was a mistake.

International Herald Tribune, May 5, 2008: New Zealand to buy back rail operator from Toll Holdings: The New Zealand government said on Monday that it would buy back the country’s only rail operator from Toll Holdings of Australia after the two parties could not agree on future fees.
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Als sich Premierministerin Helen Clark gestern auf den Weg machte, um die vom Staat zurückgekaufte und umgetaufte neuseeländische Eisenbahn einzuweihen, musste sie nur die Straße überqueren. Der spätklassizistische Bahnhof in der Hauptstadt ist nur zwei, drei Gehminuten vom Parlamentsgebäude und den Büros der Regierungschefin und ihren Ministern im Beehive („Bienenstock“) entfernt. Das Besondere an dem von acht dorischen Säulen dominierten Bau ist, dass er nicht nur schön anzuschauen ist, sondern auch als Bahnhof genutzt wird. Wellington ist die einzige Stadt im Land, in der Pendler mit dem Zug zur Arbeit fahren können. In der Millionenmetropole Auckland gibt es nur einige wenige Linien, in Christchurch, der größten Stadt der Südinsel, fahren jeden Morgen nur zwei teure Touristenzüge ab.

Neuer Name KiwiRail
Für 665 Millionen NZ-Dollar (335 Millionen Euro) hatte die Labour-Regierung im Mai die Bahn, die bis gestern TranzRail hieß, von Toll Holdings zurückgekauft. Völlig überteuert, schimpfte nicht nur die oppositionelle Nationalpartei, und Toll Holdings bestätigte in einem Statement gegenüber der australischen Börse, dass Neuseelands Bahn in der Tat nur einen Bilanzwert von 430 Millionen NZ-Dollar habe.

Der australische Konzern hatte 2003 die Mehrheit erworben, nachdem das Unternehmen 1993 für 328 Millionen NZ-Dollar aus staatlicher Hand in Privatbesitz übergegangen war. Als die Regierung die unrentable Bahn abstieß, war die Nationalpartei im Amt. Der Premierminister damals hieß Jim Bolger.

Deshalb fanden es die Medien gestern äußerst amüsant, dass Helen Clark just diesen Jim Bolger als Aufsichtsratsvorsitzenden des neuen Staatsunternehmens präsentierte. Eine Maßnahme, wie viele meinen, um der in den Umfrage-Ergebnissen weit enteilten Nationalpartei die lauten Lästermäuler zu stopfen. Aber auch der Ex-Premier war sich der Ironie bewusst. „Es war ein Fehler, die Bahn zu verkaufen“, sagte Bolger, „aber die Zeiten haben sich auch geändert. Damals kostete ein Barrel Rohöl 25 US-Dollar. Heute nähern wir uns der 140-Dollar-Marke.“

Wie die alte neue Bahn strukturiert wird, ob als Gesamtunternehmen oder, wie bisher, mit KiwiRail als Betreiber und dem für das Schienennetz zuständigen Unternehmen OnTrack, ist noch nicht klar. Aber sie hat schon mal einen neuen Namen: KiwiRail. Das neue Logo in den Farben Schwarz, Rot und Gelb zeigt Schienenschwellen als stilisierten Silberfarn, das nationale Symbol, und ist recht hübsch anzuschauen. Die bittere Pille für den Steuerzahler ist, dass die Regierung über die nächsten fünf Jahre mehr als 400 Millionen NZ-Dollar zu investieren gedenkt, um das veraltete Schienennetz zu erneuern. Für neue Lokomotiven und Waggons sind 80 Millionen NZ-Dollar veranschlagt. So kostet das komplette Projekt weit mehr als eine Milliarde NZ-Dollar.

Helen Clark war in ihrer Festrede jedoch bemüht, die umweltfreundliche Investition in die Bahn uneingeschränkt positiv darzustellen. „Eine Lokomotive kann die Ladung von 65 Lastwagen transportieren“, sagte sie. „Der Umstieg auf die Schiene reduziert Verkehrsstaus, den Benzinverbrauch, den CO2-Ausstoß und den Druck, immer mehr Straßen zu bauen.“ Fast gleichzeitig kündigte Verkehrsministerin Annette King jedoch an, die Regierung habe 791 Millionen NZ-Dollar für den Bau neuer Straßen bewilligt.

Das ist nötig, weil die Ausweitung des Personenfernverkehrs trotz der teuren Pläne für die Bahn kein Thema ist, obwohl viele Neuseeländer angesichts steigender Benzinkosten genau das fordern und Touristen regelmäßig danach fragen. Es ist nicht einmal daran gedacht, existierende Linien zu nutzen, auf denen Güterzüge rollen. Die Bahn könnte die komplette Ostküste der Südinsel von Picton bis Invercargill bedienen. Stattdessen rollt nur der tägliche Reisezug im nördlichen Drittel von Christchurch nach Picton. Der größte Abschnitt einer Querverbindung im Süden wurde zugeschüttet und erfreut sich als Radtouren-Route (Otago Rail Trail) wachsender Beliebtheit. Auf der Nordinsel wird die Strecke von Wellington im Süden nach Napier an der Ostküste nicht genutzt. Aber es gibt immerhin eine tägliche Nord-Süd-Verbindung von Auckland nach Wellington. Doch die Fahrt dauert zwölf Stunden, es ist billiger zu fliegen. Und das im Land der flugunfähigen Kiwis.

von Sissi Stein-Abel; Quelle: Berliner Zeitung, 2.7.2008

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