Rostock beschliesst den Verkauf von ueber 3.000 Wohnungen

Die Rostocker Wohnungsgesellschaft Wiro GmbH verkauft 3.201 ihrer 36.000 Wohnungen an den Finanzinvestor „Deutsche Annington“ mit Sitz in Bochum. Das beschloss der Aufsichtsrat der größten Wohnungsgesellschaft des Landes, die zu 100 Prozent Eigentum der Stadt ist. Bei den Wohnungen handelt es sich zumeist um massive Gebäude in bevorzugten Wohnlagen und 400 Plattenwohnungen.

Einem Bericht der Ostseezeitung vom 26.11.2006 zu Folge soll der Reingewinn aus dem Immobiliendeal, der nach Auffassung von Wiro-Geschäftsführer Bernhard Küppers noch in diesem Jahr unter Dach und Fach gebracht werden kann, […] 100 Millionen Euro betragen. Der Käufer zahlt für die Wohnungen allerdings noch mehr. Die „Deutsche Annington“, die mit 230.000 Einheiten größter Wohnungseigentümer in Deutschland ist, soll sich bereit erklärt haben, auch die auf den Immobilien lastenden Schulden zu übernehmen.

Über den tatsächlichen Kaufpreis schweigen beide Seiten. Den
Verkaufserlös haben Wiro und Stadt offenbar schon untereinander aufgeteilt. 30 Millionen Euro will die Wohnungsgesellschaft nach OZ Informationen an den städtischen Haushalt abführen, 70 Millionen für sich behalten. Rostocks Oberbürgermeister Methling (parteilos), dem die 30 Millionen Euro für die Sanierung seines überschuldeten Haushaltes gerade recht kommen, begrüßt das Geschäft. „Es handelt sich noch nicht einmal um 10 Prozent des Wohnungsbestandes“,  sagte er. Die Aktion sei zwischen Wiro und Stadt abgestimmt.

Da die Wohnungen nicht öffentlich ausgeschrieben, sondern nur auf Messen angeboten wurden, bahnt sich ein Streit zwischen der Wiro und Fraktionen der Bürgerschaft an. Geht es nach der Wiro-Geschäftsführung, hätten die Abgeordneten kein Mitspracherecht, sondern sollen nur informiert werden. Die Linkspartei.PDS kündigt Widerstand an. „Die Bürgerschaft muss beim Verkauf das letzte Wort haben“, so Fraktionschefin Annegrit Koburger-Ari, selbst Wiro Aufsichtsratsmitglied. Die SPD unterstützt den Verkauf mit Einschränkungen. „Die Mietverhältnisse sollen unangetastet bleiben“, so Vorsitzender Jochen Schulte.
Die „Deutsche Annington“ bemühte sich gestern, Ängsten von Mietern vorzubeugen. „Wir nehmen den Mieterschutz ernst. Mieterhöhungen wird es höchstens geben, um die Inflation auszugleichen“, sagte Sprecher Alexander Baer. Der Konzern gehört zum britischen Finanzinvestor „Terra Firma“ und lebt von Kauf, Verkauf und Vermietung von Wohnungen.

Von Andreas Ebel und Wolfgang Thiel, Ostseezeitung vom 26. November 2006

Schwerin: Proteste gegen geplante Wohnungsverkaeufe

Bereits die Ankündigung eines geplanten Wohnungsverkaufes der städtischen Wohnungsbaugesellschaft (WGS) haben in Schwerin die Gründung eines Aktionsbündnisses angeregt. Mit dabei sind unter
anderem DGB, Mieterbund, Arbeitslosenverband, Linkspartei, die
Gewerkschaft Ver.di, Seniorenbeirat und der Verein „Dau wat“. Hintergrund: Die Stadtverwaltung lässt derzeit prüfen, ob auf dem Immobilienmarkt Interesse an einem Erwerb von bis zu 5000 Wohneinheiten der WGS besteht – oder womöglich sogar am gesamten Bestand der städtischen Wohnungsgesellschaft.
Ausführlicher: http://www.svz.de/newsmv/lr/swh/24.11.06/23-15026663/23-15026663.html

WGS-Verkauf: Protest wird lauter

Bürgerbündnis plant erste Aktionen mit Demos und Flugblättern

Schwerin (Von Philip Schroeder) * Noch ist gar nicht entschieden, ob
nennenswerte Immobilienbestände der städtischen Wohnungsgesellschaft (WGS)
überhaupt verkauft werden sollen, da schließen die Gegner dieses Vorhabens
schon ihre Reihen: Ein Aktionsbündnis, das immer mehr Zulauf verzeichnet,
plant jetzt erste Aktionen: Postkartensendungen, Flugblätter,
Demonstrationen. Die Beteiligten sind sich einig: Sie wollen, dass die
Wohnungsgesellschaft komplett im Eigentum der Stadt bleibt, da ein Verkauf
für die Mieter Nachteile bringe. Auf dem Weihnachtsmarkt geht es
besinnlich zu, wenige Straßen weiter schwillt der Volkszorn an: Beim
gestrigen Info-Treffen des „Bürgerbündnisses gegen den WGS-Verkauf“
drängten sich am Abend weit mehr als 100 Schweriner in den Räumen der
Franz-Mehring-Straße 9. „Wir müssen und wollen die Kräfte gegen einen
Verkauf der WGS bündeln“, rief Thomas Fröde, Regionalchef des Deutschen
Gewerkschaftsbundes und einer der Initiatoren des Bürgerbündnisses, in den
überfüllten Saal.

Es ist die Sorge um das Schicksal ihrer Wohnungen und um bezahlbare
Mieten, die den Anwesenden auf der Seele liegt. Hintergrund: Die
Stadtverwaltung lässt derzeit prüfen, ob auf dem Immobilienmarkt Interesse
an einem Erwerb von bis zu 5000 Wohneinheiten der WGS besteht – oder
womöglich sogar am gesamten Bestand der städtischen Wohnungsgesellschaft
(SVZ berichtete). Angesichts der desolaten Finanzlage der Landeshauptstadt
sei es unverantwortlich, dies nicht zu prüfen, so der OB damals.
Entscheiden müsse über einen Verkauf, auch einen Teilverkauf, ohnehin die
Stadtvertretung.

Die Beteiligten des neu formierten Bürgerbündnisses, mit dabei sind unter
anderem DGB, Mieterbund, Arbeitslosenverband, Linkspartei, die
Gewerkschaft Ver.di, Seniorenbeirat und der Verein „Dau wat“, wollen jetzt
Druck machen. Denn sie fürchten, dass internationale Immobilienfonds nach
der WGS greifen. „Und diese Fonds sind nicht irgend jemand, dahinter
stecken die Finanzmärkte, auf denen es nur um die Rendite geht“, wetterte
Thomas Fröde. Schließlich sei es in Dresden oder Kiel genau so gelaufen –
und die Interessen der Mieter würden auch in Schwerin auf der Strecke
bleiben.

Die Mieter – das sind nicht wenige: Rund jeder vierte Schweriner lebt in
einer Wohnung der WGS, die 114 Angestellte hat und mit Sozialarbeitern und
Mietercentern in den Stadtteilen präsent ist.
Linkspartei.PDS-Stadtfraktionschef Gerd Böttger warnte: „Den Anlegern geht
es nur um die Rendite. Mit einem Verkauf gibt die Stadt viele Fragen der
Stadtentwicklung aus der Hand.“ Und sollten die neuen Besitzer die Mieten
steigern, habe das angesichts der enormen Wohnungszahl auch Einfluss auf
den Mietspiegel – und damit auf alle Mieter in der Stadt. „Es sind nicht
nur die Kunden der WGS, die hier betroffen wären“, so Böttger.

Auch Mieterbund-Chef Dr. Jürgen Fischer positionierte sich gegen einen
eventuellen WGS-Verkauf: „Das wäre ein Tabubruch. Wir sind nicht gegen den
Verkauf einzelner Blöcke an solide Investoren – aber die Erfahrungen mit
Immobilienfonds in Kiel und Dresden sind katastrophal.“ Eine Sozialcharta
sei kein wirklicher Schutz für die Mieter.

So sehen es auch die Sozialverbände VdK und SoVD: Sie hatten bereits vor
der gestrigen Veranstaltung angekündigt, dem Bürgerbündnis beizutreten.
„Haushaltslöcher mit dem Verkauf von Wohnungen zu stopfen, ist zu kurz
gedacht und wird an den Bürgern vorbei betrieben“, so Siegfried Schwinn
vom VdK.

Die Front der Gegner eines WGS-Verkaufes ist seit gestern Abend
geschlossen. „Jetzt muss ordentlich Druck auf den Kessel“, kündigt
Gewerkschafter Thomas Fröde an: Mit Flugblättern, Postkartenaktionen – und
Demonstrationen vor den Stadtvertretersitzungen. Denn die Stadtvertreter
sind es, die über einen Verkauf der WGS-Bestände entscheiden müssen.