……im Wörterbuch der Sozialpolitik, geschrieben von Alessandro Pelizzari (Attac Schweiz): Unter Privatisierung im engeren Sinne wird die Verlagerung von bestimmten bisher staatlichen Aktivitäten in den privaten Sektor der Volkswirtschaft verstanden, um die Allokation der Ressourcen durch den (als effizienter eingestuften) Markt erfolgen zu lassen. Im weiteren Sinne bedeutet Privatisierung die gesellschaftliche Tendenz der „Vermarktwirtschaftlichung“ sämtlicher Produktionsbedingungen des Akkumulationsprozesses: der allgemeinen (staatliche Infrastruktur, öffentliche Dienstleistungen), der persönlichen (soziale Reproduktion) und der externen (natürliche Umwelt). Diese Bedingungen werden sukzessive den Verwertungsinteressen des privaten Kapitals unterworfen.
Der engere Begriff der Privatisierung kann in drei Varianten unterteilt werden (vgl. Zeuner 1999):
– Als Staatskapitalprivatisierung (auch: materielle Privatisierung) wird die Veräußerung von erwerbswirtschaftlichen Unternehmen (beispielsweise staatliche Automobilindustrie, Banken, Stahlwerke usw.) bezeichnet, die sich in Staatsbesitz befinden. Die öffentliche Hand zieht sich vollständig aus der Leistungserbringung zurück und überträgt die Aufgabe auf den privaten Bereich.
– Mit Aufgabenprivatisierung (auch: Liberalisierung) sind Reformen im Bereich der Infrastruktur gemeint. Vormals öffentliche Aufgaben in Monopolbereichen (z.B. Post, Telekommunikation, Bahn, Wasserwirtschaft) werden nun von profitwirtschaftlichen Trägern übernommen und in Konkurrenz zur öffentlichen Hand angeboten.
– Die Organisationsprivatisierung bezeichnet schließlich Ökonomisierungsstrategien, welche die öffentlichen Dienste im engeren Sinn sowie die klassischen „hoheitlichen“ Kernbereiche staatlicher Tätigkeit betreffen. Betriebswirtschaftliche Normen und privatwirtschaftliche Arbeitsverhältnisse werden eingeführt, ohne dass sich an den Eigentumsverhältnissen etwas ändert.
In der wissenschaftlichen Literatur findet sich eine Vielzahl oft kontroverser Argumente für die Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Im politischen Diskurs bilden vor dem Hintergrund der Finanznot der öffentlichen Kassen fiskalische Überlegungen das zentrale Element. Einig sind sich hingegen die Experten, dass sich durch Privatisierungen der Charakter der Aufgabenerfüllung erheblich verändert. Tatsächlich sind die Betriebe nunmehr rechtlich dazu verpflichtet, in Konkurrenz zu neuen Anbietern den Profit zu mehren, also Preise anzuheben, unrentable Angebote, die sozial aber erwünscht sein können, zu streichen, dem Unternehmen Konkurrenznachteile, die durch Einhaltung gemeinwohlorientierter Vorgaben entstehen könnten, zu ersparen usw. Dies führt im Extremfall zur gänzlichen Abschaffung von Dienstleistungen, die bei Bedarf nur noch durch das Angebot des Marktes erfüllt werden.
Dass durch Privatisierungen ganze Bevölkerungsteile, die über wenig Kaufkraft verfügen, von grundlegenden Bedürfnissen ausgeschlossen werden, ist nur eine Seite der Privatisierungspolitik. Die andere ist, dass durch die Auslagerung von Staatsaufgaben ein neues Staatsmodell entsteht, welches grundsätzlich auf der Wegnahme öffentlicher und parlamentarischer Kontrolle beruht. In der Tat gehört zu den auffälligsten Zügen der jetzigen Entwicklungen die enorme Konzentration von Macht und Ressourcen in den Händen transnationaler Unternehmen. Einige besonders expansive Konzerne haben sich gar darauf spezialisiert, ihr Wachstum auf die Übernahme öffentlicher Dienste zu gründen.
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