Nach dem japanischen Unterhaus hat auch das Oberhaus das lange umstrittene Gesetz zur Privatisierung der Post verabschiedet. Der IWF meint, das könnte der zweitstärksten Volkswirtschaft der Welt Auftrieb geben.
Nach dem Unterhaus stimmte am Freitag (14.10.2005) auch das Oberhaus dem Herzstück der Wirtschaftsreformen von Ministerpräsident Junichiro Koizumi zu. In der zweiten Parlamentskammer stimmten 134 Abgeordnete für, 100 gegen die Vorlage. Das Oberhaus hatte im August noch gegen das Reformvorhaben gestimmt. Daraufhin löste Koizumi das Parlament auf und errang bei den Neuwahlen einen großen Wahlsieg.
Größter Finanzdienstleister
Die Post ist mit 25.000 Postämtern, 280.000 Vollzeit- sowie 120.000 Teilzeitbeschäftigten das größte Staatsunternehmen in Japan und der größte Arbeitgeber nach dem Militär. Mit Anlagebeständen von umgerechnet knapp drei Billionen Euro (mehr als 380 Billionen Yen) ist sie zugleich der mit Abstand größte Finanzdienstleister der Welt. Mehr als die Hälfte der japanischen Privathaushalte haben Einlagen bei der Post, 60 Prozent besitzen eine Post-Lebensversicherung. Im Unterschied zu einer normalen Bank oder Lebensversicherung legt Japans Post die ihr anvertrauten Anlagen jedoch überwiegend in Staatsschuldbriefen und Anleihen für öffentliche Unternehmen des Straßen- und Wohnungsbaus an. In Japan hat man sich daher daran gewöhnt, die Postfinanzen als den zweiten Haushalt der Regierung zu betrachten.
„Mit der Verabschiedung des Post-Reformpaketes ist in Japan endlich der Weg für eine umfassende Restrukturierung der öffentlichen Finanzen frei“, sagte Martin Schulz, Ökonom beim Fujitsu Research Institute in Tokio der Nachrichtenagentur dpa. „Als strategischer Schritt macht die Privatisierung Sinn, weil das Postbanksystem im Zentrum des staatlichen Unternehmenssektors liegt.“
Politischen Einfluss beschneiden
Koizumi will zum einen mit der Privatisierung die Post der Kontrolle der Politiker entziehen und zum anderen den Wettbewerb in der Finanz- und Logistikindustrie intensivieren. Die Privatisierung soll ab 2007 stufenweise erfolgen. Die Geschäftsbereiche sollen in vier unabhängige Einheiten aufgeteilt und unter eine zunächst vom Staat kontrollierte Holding gestellt werden. Bis 2017 sollen die Anteile am Bank- sowie zwei Drittel der Anteile am Brief- und Filialgeschäft verkauft werden.
Die eingeleiteten Wirtschaftsreformen haben nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) das Potenzial, der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft zusätzlichen Schub zu verleihen. Die Privatisierung der Post sei wichtig und weitere Reformen seien zu erwarten. Das sagte der für Asien zuständige IWF-Direktor David Burton am Freitag in einem Reuters-Interview vor der Herbsttagung von IWF und Weltbank in Washington. Der Fonds gehe davon aus, dass Japan weitere Reformen und Liberalisierungen seiner Produkt- und Arbeitsmärkte sowie des Handels umsetze. „Das kann nur das Wachstum Japans, das bereits jetzt recht gut ist, stärken. Ich denke die wirtschaftliche Expansion steht auf einer soliden Basis“, sagte Burton.
Augen auf Koizumis Nachfolger
Viel hängt nun von der konkreten Ausgestaltung der Reform ab. Denn unter Japans Privatbanken geht zugleich die Furcht um, dass ihr neuer Konkurrent mit seinem riesigen Filialnetz für einige den Untergang bedeuten könnte. Probleme bereitet zudem die Frage, wie der notwendige Abbau von Arbeitsplätzen vollzogen werden soll. Da Koizumi im September 2006 aus dem Amt scheidet, hängen der Start und die Umsetzung der Reformen ohnehin vom Geschick seines Nachfolgers ab. (mas)
Quelle: >>> http://www.dw-world.de/dw/article/0,1564,1741314,00.html