Daten und Informationen zur Reichstumsverteilung in der BRD

Wie sehr die Tradition des Beschweigens auch hierzulande noch vorherrscht, belegt schon eine einfache Volltextsuche auf der Tausende von Dateien umfassenden Website des Bundesministeriums für Wirtschaft BMWi zum Stichwort Reichtum (25.08.01): 

Gefundende Dokumente: 6. Die Ergebnisse sind nach den Bereichen gruppiert, in denen gesucht wurde.
Das Ministerium: 0 Dokumente
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Am 4.5.2005 ergab die gleiche Suche (das Ministerium heißt inzwischen BMWA): „Anzahl der Einträge: 5“

Auch in der kritischen Sozialwissenschaft ist das Reichtumsproblem in einer Diskurstradition, welche auf der fehlgehenden These Ulrich Becks von der „Ablösung der Logik der Reichtumsverteilung durch die Logik der Risikoverteilung“ (1986) beruhte, kaum thematisiert.  Der Armuts- und Reichtumsbericht [pdf] der Bundesregierung und der dazu gehörende Materialband [pdf] ist demgegenüber ein erster über die weithin legitimatorischen älteren Armutsberichte hinausgehender Versuch zur Diskussion von zwei Themen, die zusammengehören. Eine erste Bewertung des ersten Armuts- und Reichtumsberichts von gewerkschaftlicher Seite aus bietet die IG Metall, im Forum DL21 der sozialdemokratischen Linken findet sich u.a eine Erklärung von Konrad Gilges, MdB, zum Bericht (der ja in gewisser Weise „sein Kind“ ist). Werner Rügemer hat in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ 7/2001 eine Kritik verfasst, auf die im Folgeheft Konrad Gilges antwortete. Als Supplement 6/2001 der Zeitschrift Sozialismus schreiben Richard Detje / Dierk Hirschel und Karl Georg Zinn zu „Reichtum und Armut“ (Hamburg 2001) (alles leider nicht online). Zur Vorgeschichte im übrigen vgl. frühere Bundestagsdrucksachen: 13/6527 (Dr. Gregor Gysi und Gruppe), 13/7606 (Detlev von Larcher, Hans-Georg Seiffert), 13/7828 (Konrad Gilges u.A), 13/7933 (Rudolf Scharping und Fraktion), Plenarprotokoll 13/182 13.06.97 (Redner: Dieter Grasedieck, SPD; Heinz-Georg Seiffert, CDU; Andrea Fischer, Bündnis 90/Die Grünen; Dr. Barbara Höll, PDS). Mittlerweile gibt es den Materialband einer wissenschaftlichen Diskussion des ersten Armutsberichts und im Jahre 2005 erschien der zweite Armuts- und Reichtumsbericht der rot-grünen Bundesregierung.

Stefan Weick entwickelt Abgrenzungen bei der Frage: Wer zählt zu den „Reichen“ in Deutschland [pdf], in: Informationsdienst Soziale Indikatoren 24 (Juli 2000) S. 1-5  und einer immer wesentlicheren Frage geht Marc Szydlik nach: Wer hat, dem wird gegeben. Befunde zu Erbschaften und Schenkungen in Deutschland [pdf] in: Informationsdienst Soziale Indikatoren 25 (Januar 2001) S. 5-8. Holger Stein resümiert für die neueste Zeit: Trend zu abnehmender Konzentration der Vermögen scheint gestoppt. Analysen zur Vermögensverteilung in Deutschland [pdf], in: Informationsdienst Soziale Indikatoren 25 (Januar 2001) S. 1-4. Detaillierter werden die sich langsam etabliereren Darstellungen zu reichen Personen und ihrem Hintergrund: so das bunte „Archiv Deutschlands Unternehmer“ des Manager-Magazins.

Die öffentliche Debatte zur Reichtumsfrage ist -bestenfalls – zerstreut. Wolfgang Belitz hat 1998 einige Beiträge zur Reichtumsdebatte in Amos („Kritische Blätter im Ruhrgebiet“) publiziert. Online zugänglich ist auch die etwas ältere Studie von Martin Klauss Politik für mehr Reichtum – Daten und Anmerkungen zur Entwicklung von Reichtum und Armut in Deutschland, Freiburg 1998. Klaus M. Schmals liefert in seinem Text Armut im Reichtum ‚Soziologische Grundlagen I‘ (1999, Dortmund) ebenfalls einige Argumentationen, die über die Armutsdiskussion hinausgehen. 
Ein Projekt der AG „Umverteilen!“ einer rheinländischen Juso-Truppe weit im Westen Deutschlands mit dem Titel Reichtum umfairteilen!“  hat 2003 eine Reihe von Veranstaltungen zum Reichtumsthema durchgeführt. Hinzu kommt ein kurzer Forderungskatalog Reichtum umfairteilen. Angeknüpft wird dabei an eine nicht sehr dynamische Aktion der IG Metall (fairteilen – Initiative für soziale Gerechtigkeit), deren Grundlinien in einer Broschüre skizziert sind.

Zur Recherche siehe Eiwis (Fachinformation Wirtschaftsstatistik), die Financial Site (Würzburg) sowie seitens der Banke etwa DB-Research oder die Wirtschaftsdaten der Commerzbank. Die Site der Privaten Banken in der BRD ist ebenfalls materialreich. Zum aktuellen Stand der wissenschaftlichen Bearbeitung s. den gegewärtigen Armuts- und Reichtumbericht, den Wirtschaftsbericht 2004 – Zukunftsfaktor Innovationen des BMWA [pdf] und 2003 [pdf, englisch] und Wirtschaft in Zahlen 2001 des BMWi [pdf], sowie Anke Hassel, Martin Höpner, Antje Kurdelbusch, Britta Rehder und Rainer Zugehör: Dimensionen der Internationalisierung: Ergebnisse der Unternehmensdatenbank „Internationalisierung der 100 größten Unternehmen in Deutschland“ MPIfG Working Paper 00/1, Januar 2000. Die gewerkschaftlichen Einblick-Grafiken lohnen immer mal wieder einen Surfausflug, z.b. die Grafik zur Entwicklung des Bruttovermögens der privaten Haushalte in Bio DM 1998-1998 (nach DIW 30/99).
Neben dem Bericht der Bundesregierung die Trendletter der Prognos AG hin und wieder relevante Analysen.

Die Studie von Schüssler, Buslei, Lang: „Wohlstandsverteilung in Deutschland 1978-1993“, eine Untersuchung der Prognos AG und des ZEW Mannheim, untersucht im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung drei Aspekte der Wohlstandsverteilung in Deutschland: Die Verteilung der Grundvermögen, der Geldvermögen und der Einkommen. Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse der Verteilung der Grundvermögen und der Geldvermögen. Hier werden zentrale neue Erkenntnisse erarbeitet. Bei der Analyse der Einkommensverteilung steht die Kritik an den üblicherweise verwendeten Einkommenskonzepten und daran anknüpfend die Relativierung von Ergebnissen zur Einkommensverteilung im Vordergrund:

Die grössten Verteilungsunterschiede bestehen bei den Grundvermögen der Haushalte. Dies hat seine Ursache zum einen darin, dass rd. 50 % aller Haushalte nicht über Grundvermögen verfügen. Darüber hinaus ist der Wert des Grundvermögens unter den Besitzenden sehr unterschiedlich. Sortiert man die Haushalte nach der Höhe ihres Grundvermögens, so entfielen 1993 auf diejenigen 10 % der Haushalte mit den höchsten Grundvermögen rd. 46 % des gesamten Grundvermögens (oder das 4,6fache des Wertes bei Gleichverteilung). Auf die zweite 10 %-Gruppe entfallen 20 % des gesamten Grundvermögens, und auf die nächstfolgenden Gruppen 15 %, 12 % und 7 % (sowie Null % für die unteren 50 %).(*1)
Die Geldvermögensbestände sind ebenfalls sehr ungleichmässig verteilt, jedoch sind die Unterschiede hier weniger stark ausgeprägt als bei den Grundvermögen. (*2) Nahezu alle Haushalte verfügen über (wenn auch teilweise nur niedrige) Geldvermögensbestände. Auf die nach der Höhe des Geldvermögens sortierten oberen 10 % der Haushalte entfielen 1993 rd. 48 % des gesamten Geldvermögens. Dieser Anteil ist sogar etwas höher als beim Grundvermögen. Die auf die vier nachfolgenden 10 %-Gruppen entfallenden Anteile am gesamten Geldvermögen sind geringer und die der unteren fünf Gruppen höher als beim Grundvermögen.
Reiche Haushalte
Die Gruppe der Haushalte mit dem jeweils höchsten Vermögensbestand beim Grund- und Geldvermögen hebt sich von den anderen Haushaltsgruppen deutlich ab. In Absolutwerten ausgedrückt handelt es sich um Haushalte mit einem Bruttogrundvermögen von mehr als 570.000 DM bzw. einem Bruttogeldvermögen von mehr als 220.000 DM (jeweils Preisstand 1993). Die beiden Werten dürfen nicht zusammengezählt werden, weil die Zugehörigkeit zu den 10 %-Gruppen gesondert festgelegt werden, d.h. es müssen nicht die gleichen Haushalte sein, die in die jeweilige oberste 10 %-Gruppe gelangt sind. Die Werte vermitteln jedoch eine Grössenordnung der Vermögensbestände an der Schwelle zwischen den oberen 10 % und den übrigen 90 % der Haushalte in Westdeutschland. An der Schwelle zu den oberen 10 % der Vermögensbesitzer beträgt die Summe aus Geld- und Grundvermögen weniger als eine Mio. DM. Betriebsvermögen und Quasi-Vermögensbestände aus Ansprüchen an die Altersversorgung sind dabei nicht berücksichtigt. Die Zahl der Haushalte mit Vermögen von mehr als einer Million DM ist mit anderen Worten auf weniger als 10 % aller Haushalte beschränkt. In der Mitte des gesamten Spektrums der jeweiligen Vermögensverteilung verfügen die Haushalte über ein Grundvermögen von rd. 64.000 DM und über ein Geldvermögen von 51.000 DM. An der Grenze zu den unteren 20 % der jeweiligen Vermögensverteilung ist das Grundvermögen Null und das Geldvermögen beträgt 13.000 DM.
Zeitliche Entwicklung
Die Form der Verteilung des Geld- und des Grundvermögens zwischen den privaten Haushalten hat sich in der untersuchten Zeitspanne von 15 Jahren kaum geändert. Die Verteilung des Grundvermögens ist im Zeitablauf gleichmässiger geworden, vor allem wegen des zunehmenden Anteils der Haushalte mit Grundeigentum. Dies äussert sich darin, dass die Grundvermögensbestände in der Mitte des Verteilungsprofiles (insbesondere vierte/fünfte und fünfte/sechste 10 %-Haushaltsgruppe) sich überproportional stark erhöhten. Die Verteilung des Geldvermögens ist dagegen ungleichmässiger geworden, der Anteil der obersten 10 %-Gruppe am Gesamtvermögen hat sich von 1978 auf 1983 und erneut von 1983 auf 1988 erhöht; von 1988 auf 1993 ist er allerdings etwas zurückgegangen.
Die im Zeitablauf zunehmende Ungleichheit der Verteilung der Geldvermögen zeigt sich bei den absoluten Vermögenswerten (in Preisen von 1993) besonders deutlich. Die Vermögensbeträge in den oberen Vermögensgruppen nehmen zu, während die Vermögensbeträge in den unteren Vermögensgruppen eher konstant bleiben oder sogar abnehmen (neunte/untere Gruppe).
Die oben genannten Ergebnisse schliessen geschätzte Vermögensbestände derjenigen Haushalte mit ein, die ein besonders hohes Einkommen aufweisen und deshalb aus dem Darstellungsbereich der Einkommens- und Verbrauchsstichproben herausfallen. Gerade bei der Analyse der Vermögensbestände sind die Haushalte mit sehr hohen Einkommen besonders wichtig. Obwohl nur etwa ein bis zwei Prozent aller Haushalte zu dieser Gruppe gehören, beträgt nach den Ergebnissen der Schätzung ihr Anteil an dem gesamten Grund- und Geldvermögen jeweils rd. 10 %. Allerdings ist die Schätzung mit einer hohen Unsicherheit behaftet.

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