Das 45 Milliarden-Geschenk der Familie Zuckerberg ist in den deutschen und us-amerikanischen Massenmedien fast ausnahmslos positiv aufgenommen worden. Der PR-Coup funktionierte. Der bodenlos hagiografische Beitrag von Bettina Weiguny („Das Zuckerberg-Wunder“) in der FAS v. 6.12.2015 S.25 ist nur ein Beispiel dafür: „Held des Kapitalismus, reich geworden aus eigener Kraft“, „Selfmade-Milliardär“, „geifernde Zorn seiner Gegner“ usw.usf. Zwei Tage zuvor habe die FAZ bereits „ausgerechnet“ (Weiguny), dass die Steuerquote von facebook „deutlich“ über der von Daimler, Deutscher Post, Apple oder Alphabet/Google liege – womöglich eine Antwort auf den Vermerk aus der FAZ wiederum tags zuvor, dass facebook in Europa „so gut wie keine Steuern“ bezahle.
Ein netter, braver Kerl also, der Mark. Und seine Frau erst. Und das süße Kind. Mittlerweile gibt es jedoch einige erinnerungswürdige Hinweise, u.a. aus dem New Yorker, der New York Times, Vox, dem Tax Justice Blog, dem Guardian oder, besonders bemerkenswert, dem Manager Magazin. Sie zeigen ein paar Feinheiten.
- Angekündigt hat Zuckerberg eine Investition. Die Rechtsform des neuen philanthropischen Unternehmens (Chan Zuckerberg Initiative -CZI), wo das Geschenk landen soll, ist die LLC (Limited Liability Company). Dabei handelt es sich nicht um eine Non-Profit-Stiftung für Zwecke der Wohlfahrt, sondern um eine GmbH. Eine LLC kann in For-Profit-Unternehmen und in Non-Profit-Unternehmen investieren. Anders als andere Stiftungen dürfen sie mit ihren Investitionen auch Gewinne erzielen, können mit anderen kommerziellen Unternehmen Joint Ventures eingehen und müssen nicht jedes Jahr Mindestbeträge ausgeben.
- Die CZI kann politische Spenden verteilen, Anzeigen setzen, Lobbyarbeit betreiben und sich insgesamt uneingeschränkt im politischen Raum bewegen. Schön hat bei Gelegenheit der Gründung einer charitable LLC im Jahr 2013 durch die Witwe von Steve Jobs (Laurence Powell) die New York Times den Nutzeffekt einer solchen Form kommentiert: „The beauty of having an LLC in today’s world is No. 1, you have the ability to act and react as nimbly as need be to create change, and you have the ability to invest politically, in the for-profit sector and the nonprofit sector simultaneously .. And the reality is …we are now seeing a blurring of the lines between the sectors in a way that was not even discussed 10 years ago. The way that we are going to solve social problems is by working with multiple different types of investing.“ Zuckerberg selbst hat diese Absicht hervorgehoben: „The Chan Zuckerberg Initiative is structured as an LLC rather than a traditional foundation. This enables us to pursue our mission by funding non-profit organizations, making private investments and participating in policy debates.„
- Forbes hat den steuerlichen Aspekt der Sache wie folgt skizziert: „This generosity is also incredibly tax efficient. One can assume that he will make these enormous gifts in shares, not in cash, just like famously savvy Warren Buffett of Berkshire Hathaway. Why donate stock? With stock, the donor gets a charitable contribution deduction based on the fair market value of the shares. Value and basis are different things, which can mean enormous tax advantages…Donating appreciated stock is a much better tax move than selling it and donating the sales proceeds. After all, by donating the stock, the gain he would have experienced on selling it is never taxed. The donee organization can either hold or sell the stock. But since it is a tax-qualified charity, if it sells the stock it pays no tax regardless of how big the gain. And since Mr. Zuckerberg will get credit on his tax return for the market value of what he donates, he can use that to shelter billions of other income.“
- Anders als Stiftungen, die speziellen Regeln und staatlicher Kontrolle unterliegen (die man nicht überschätzen sollte) und die jedes Jahr ein bestimmtes Spendenvolumen verausgaben müssen, unterliegt das CZI diesen spezifischen Regelungen nicht. Das betrifft auch die Transparenzvorschriften, die in derlei Stiftungen relativ weit gehen. Ebenso wie Zuckerberg gegenwärtig das Milliardenunternehmen facebook mit seinen Stimmrechtsanteilen komplett kontrolliert, gilt diese private Kontrolle auch für die CZI. Dazu passt, dass LLC’s keine Festlegungen auf Stiftungszwecke oder den Umfang der Mittel erfordern.
CNBC vermerkte folgerichtig recht trocken: der herzige Brief an die Tochter Max war nichts anderes als ein Versprechen, ein privatwirtschaftliches Unternehmen ohne wesentliche Regelungen und Transparenzpflichten zu gründen, die Steuerbasis der öffentlichen Hand weiter zu reduzieren und zugleich seine politischen Aktivitäten langfristig zu intensivieren. Mit Geschenken und Wohlfahrt hat das alles nichts zun tun. Echt schade.
Es regt sich Widerstand – selbst gegen Facebook! „Zuck off“ wird dem Facebook-Chef Zuckerberg in Indien entgegen gerufen. Dort kämpfen aktuell Aktivist*innen mit viel öffentlicher Unterstützung gegen Facebooks Projekt internet.org, mit dem Facebook auch in entlegeneren Gegenden den Armen ein „kostenfreies“ Netz zur Verfügung stellen will. Stein des Anstoßes: Facebook lässt in diesem „gemeinnützigen Netz für alle“ nur 35 Webseiten sichtbar werden – Facebook an erster Stelle. Der Zugang zum Rest der (Netz-)Welt bleibt versperrt. Mark Zuckerberg reagiert zynisch, pragmatisch, großkotzig auf den Vorwurf der Zensur und Lenkung: „Lieber ein bisschen Internet als gar keines.“
Der Widerstand gegen diese zugespitzte Form der Netz-Nicht-Neutralität ist nicht spurlos geblieben. Vier der von Mark Zuckerberg auserwählten Anbieter, darunter die Times of India haben sich bereits aus dem Facebook-Projekt zurückgezogen, da sie den Vorwurf der Teilhabe an „wirtschaftlichem Rassismus“ und „Landnahme“ (landgrab) nicht auf sich sitzen lassen wollten.