und damit wird Profit gemacht. Wir berichteten hier bereits von dem Vorstoß Indiens, die das teure Medikament Glivec mit dem Wirkstoff Imatinib von Novartis zur Behandlung von CM-Leukämie seit 2013 als Generika günstig selbst produzieren. Menschen können dort nun für 60 statt 3000 Euro im Monat behandelt werden.
Nun gibt es eine weitere Geschichte des Pharmakonzerns: In Kolumbien.
Das Krebsmedikament Glivec von Novartis gehört laut der Weltgesundheitsorganisation WHO zu jenen Medikamenten, zu denen alle Menschen Zugang erhalten müssen. Kolumbien jedoch kann sich den hohen Preis für Glivec nicht leisten. Es hat deshalb im Mai eine sogenannte Zwangslizenz angestrebt, um so an günstigere Generika zu kommen. Dies hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf den Plan gerufen. In einem Brief an die kolumbianische Regierung verurteilt es diesen Schritt als «Zwangsenteignung des Patentinhabers» und betont: «Kolumbien ist eine wichtige Destination für Schweizer Investoren. Mehr als 16 000 Arbeitsplätze wurden so geschaffen.» Und jeder zweite lateinamerikanische Geschäftspartner eines Schweizer Investors profitiere vom Entwicklungsprogramm des Seco. Eine ziemlich unverhohlene indirekte Drohung für den Fall, dass Kolumbien mit seinem Vorhaben Ernst machen sollte. (WOZ, Nr. 38/2015 vom 17.09.2015)
Hintergrund sind sogenannte Zwangslizenzen:
Zwangslizenzen stellen indes ein legitimes Rechtsmittel dar und beinhalten auch Kompensationszahlungen an den Patentinhaber. Und die Pharma kann dank Patenten Medikamentenpreise in astronomischer Höhe durchsetzen, die längst nicht mehr im Interesse der PatientInnen sind. Die Rückendeckung durch das Seco ist ihr dabei gewiss. (ebd.)
Die Lobby der Phamakonzerne in Politik und Behörden ist groß und beschränkt sich nicht nur auf die Schweiz.
Weil die Medikamentenpreise vom US-amerikanischen Markt bestimmt werden, haben Novartis und Roche allein zwischen 2007 und 2012 Dutzende Millionen Franken für ihre Lobbyarbeit im US-Parlament ausgegeben. Vor wenigen Tagen hat die lobbykritische NGO Corporate Europe Observatory (CEO) einen Bericht über den exzessiven Einfluss der Pharmalobby auf die Entscheidungsprozesse der EU veröffentlicht. Darin prangert die NGO etwa den verschleiernden Sprachgebrauch an: Wenn die Pharma beispielsweise vom Recht auf «intellektuelles Eigentum» spreche, also vom Patentschutz, dann handle es sich dabei in Tat und Wahrheit um staatlich garantierte monopolartige Privilegien, die zu massiven Preisanstiegen führten. […] Das intensive Lobbying namentlich in Brüssel steht in engem Zusammenhang mit den hinter geschlossenen Türen laufenden Verhandlungen um das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP). Kommt das Abkommen zustande, so befürchtet die lobbykritische CEO, wird die Pharma ihre Patentrechte weiter ausdehnen und die Preise ungebremst erhöhen können, während die Zulassungsbedingungen für neue Medikamente weiter sinken. Und die Pharmaindustrie würde sich definitiv um nationale Gesetze und Gerichte foutieren können, weil sie einem internationalen, privaten Schiedsgericht unterstellt würde. Namentlich für arme Länder des Südens dürfte dann der Zugang zu bezahlbaren Medikamenten noch schwieriger werden.(ebd.)
Und das besondere an dem Medikament Glivec?
Nicht von ungefähr geht es im einen Fall um Glivec und das ebenfalls von Novartis entwickelte Glivec-Generikum Tasigna. Glivec ist der mit Abstand grösste Kassenschlager des Pharmakonzerns: Über 4,7 Milliarden US-Dollar Umsatz hat er 2014 eingespielt. Doch der Patentschutz läuft 2016 aus. Das Generikum Tasigna hat Novartis bereits gut auf dem Markt positioniert – sein Umsatz wuchs 2014 gegenüber dem Vorjahr um 21 Prozent und steht damit auf Platz sieben der umsatzstärksten Medikamente des Konzerns. Für Novartis geht es darum, das eigene Generikum im Vergleich zu anderen Generika relativ teuer zu halten, um den Markt kontrollieren zu können.
Franco Cavalli macht in einem Interview am Beispiel Kolumbien deutlich, was die Perspektive ist:
Glivec hat das Leben von Patienten mit chronisch myeloischer Leukämie völlig verändert: Früher konnte man diese Patienten nur mit einer Knochenmarktransplantation behandeln, was mit hohen Risiken verbunden war. Heute ist diese Form der Leukämie dank Glivec in den meisten Fällen zu einer chronischen Krankheit geworden, mit der man leben kann.
Aber in Kolumbien kann sich kaum jemand das Medikament leisten – weshalb eigentlich?
Das Land kann pro Jahr und Person nicht mehr als 200 bis 250 Franken für die Gesundheit ausgeben, ausserdem haben viele Medikamente gar keine Versicherungsdeckung. Glivec kostet aber zwischen 2000 und 3000 Franken pro Monat.[…]
Könnte Glivec denn so etwas wie ein Präzedenzfall werden, um gegen die Preistreiberei der Pharma vorzugehen?
Da gibt es auch noch zwei, drei andere Medikamente, bei denen man aktiv werden könnte. Aber Glivec ist ganz eindeutig ein Paradebeispiel – nicht nur, weil es viele Generika gibt, die genauso gut wirken, sondern auch, weil es ein einfach zu handhabendes Medikament ist: Man kann es einnehmen wie etwa ein Herzmedikament. Und das macht es auch für Entwicklungsländer so wichtig, weil es dort für kompliziertere Behandlungsmethoden oft an qualifiziertem medizinischem Personal fehlt.Kolumbien ist nicht der erste Fall, in dem der Patentschutz im Zentrum des Konflikts steht. Sind denn Patente tatsächlich so etwas wie die Lebensader der Pharmakonzerne?
Das ist im Grund genau das zentrale Problem in den aktuellen Diskussionen um die irrsinnigen Medikamentenpreise – und, was man gerne vergisst, die irrsinnigen Gewinne der Pharmaindustrie. Keine andere Industrie auf der Welt hat eine ähnlich hohe Gewinnrate von 25 Prozent pro Jahr. Solche Gewinnmargen erzielt allenfalls noch der Drogenhandel oder die Prostitution.[…]
Das Glivec-Patent läuft sowieso nächstes Jahr ab, und bereits hat Novartis ein Generikum auf dem Markt, das zweistellige Wachstumsraten verzeichnet. Warum lässt man die Generika in Kolumbien nicht einfach jetzt schon zu?
Grundsätzlich versuchen die grossen Pharmakonzerne, ihre eigenen Generika relativ teuer zu halten im Vergleich zu anderen, um die Kontrolle des Markts zu behalten. Hinzu kommt im Fall von Kolumbien, wo der Markt für Novartis überhaupt nicht wichtig ist, dass dieser Versuch auf keinen Fall Schule machen darf. Denn die Wachstumsrate von Krebs in den Entwicklungsländern ist enorm hoch – Krebs ist dort schon bald das Gesundheitsproblem Nummer eins. Und die Pharma will nicht, dass der Fall Glivec zum Präzedenzfall wird für künftige Krebsmedikamente, an denen sie noch mehr verdienen kann. Denn so könnte ihr ganzes System zusammenkrachen. Davor hat sie Angst. (WOZ, Nr. 38/2015 vom 17.09.2015)
Und so schließt sich der Kreis: Gesundheit ist nicht nur eine Ware, sondern sie soll auch nur für zahlungsfähige Kundschaft zugänglich sein. Die ganze rassistische, neokoloniale Haltung zur Welt kommt an diesem Beispiel zum tragen. Arme Menschen sind als Arbeitskräfte interessant und es gibt genug davon. Warum also sollte sich der Markt der profitablen Möglichkeiten um deren Gesundheit scheren? Mit ihnen ist aus Menschlichkeit und Respekt vor dem Leben kein Geld zu machen. In der Praxis dürfen dann diejenigen, die im globalen Norden leben und / oder zahlen können ihre tödliche Krankheit in eine chronische verwandeln. Im globalen Süden dürfen sie einfach verrecken und bestenfalls noch für Spendenkampagnenbilder im globalen Norden traurig in die Kamera schauen. Und diese Einstellung ist tief in unseren medialen Alltag eingeschrieben. Gebe ich in der Suchmaschine Imatinib (der Wirkstoff von Glivec gegen CML) und Indien ein, bekomme ich eine lange Liste von wenig objekiven oder nüchternen Artikeln über die Einführung des Generika dort. Tausche ich nun Indien mit India und lande so auf den englischsprachigen Seiten, bekomme ich verschiedene Angebote zum Erwerb des Medikamentes. Mache ich das gleiche mit Canada bekomme ersten Informationen über das für und wieder von Glivec und Generika und ich kann das Medikament zu einem Bruchteil des Glivec Preises erwerben. Dabei macht Canada nichts anderes als Indien, liegt nur geopolitisch und ökonomisch im globalen Norden.