Es lohnt sich die Fragen nach Herkunft, Produktionsbedingungen, Sorte, Saatgut und Eigentumsverhältnisse der bspw. Zuccini, die gerade auf dem Teller zum verspeisen liegt, immer mal durchzugehen. Es gibt viele gute Ansätze, Ideen und Praxen, um kleinbäuerliche Landwirtschaft zu erhalten, zu fördern und eine Ernährungssouveränität zu erstreiten. Leider wird jedoch zu selten um grundsätzliche gesellschaftliche kapitalistische Strukturen, wie Eigentums- und Reichtumsverteilung und Arbeitsbedingungen gestritten.
Vor kurzem hat die Konferenz SaatmachtSatt in Berlin stattgefunden. Ich besuchte zwei Workshops. Der eine beschäftigte sich mit der Frage, inwieweit der Zugang zu Saatgut und freie Nutzung und Züchtung von Saatgut mit einer open source License versehen werden kann. Die Initiative für Open Source Seeds hat ein Label für Saatgut erarbeitet, mit dem kleine Saatgutunternehmen in den USA ihr Saatgut versehen.
You have the freedom to use these OSSI-Pledged seeds in any way you choose. In return, you pledge not to restrict others’ use of these seeds or their derivatives by patents, licenses or other means, and to include this pledge with any transfer of these seeds or their derivatives. (Open Source Seed Initiative)
Inspiriert ist die Initiative von der Linux open source Bewegung. Die Initiative funktioniert in den USA mit Erfolg.
In Ländern, in denen es noch kleinbäuerliche Strukturen sowie das Wissen um die Bedeutung von Saatgut, von deren Erhalt und Vermehrung gibt, ist das Label seit langem ohne Label Praxis, bspw. bei red de semillas, siehe: Saatgut ist nicht nur zum Essen da. Relevant ist also, dass das Label bewährte Praxen stützt, fördert und schützt und in Verhältnissen, in denen sich diese Praxen nicht mehr realisieren lassen bspw. mit der open source license zu arbeiten.
In der BRD stellt sich noch ein weiteres Problem, und ich komme zum zweiten Workshop. Die Schwierigkeiten überhaupt ökologisches Saatgut als nicht kommerziell ausgerichtetes Unternehmen zu züchten und es dann auch noch unter die Anbauer*innen zu bringen, sind enorm. Saatgut wird von den Anbauer*innen wie der Traktor als Betriebsmittel betrachtet; das Wissen um die Bedeutung von samenfesten Sorten und selbst gezüchteten ökologischen Sorten geht verloren; immer seltener werden die Pflanzen aus Samen gezogen – immer öfter die Jungpflanzen ohne Wissen über Herkunft, Sorte und Aufsuchtbedingungen, angeliefert und „fertig“ in den Boden gesetzt. Das bedeutet, dass mehr und mehr Hybride Sorten auf dem Markt sind, die Biodiversität und Lebensmittelqualität verloren geht, Züchtungen mit Biotechnologie genutzt werden.
Die Diskussion um die Frage: Was tun?, nahm eine interessante, wenn auch zu kurze, Schleife, die gerade nicht bei Verbreitung des Konzeptes Solidarische Landwirtschaft und CSA stehen blieb. In den Wortbeiträgen wurde der Versuch unternommen über gesamtgesellschaftliche Arbeitsbedingungen und Privateigentum zu sprechen. Der Artikel von Andreas Exner im Schwerpunktthema des aktuellen a&k schließt an dieses Problem an und hinterfragt die Eigentumsordnung alternativer Landwirtschaftskonzepte.
Und ich komme, nach der etwas ausführlicheren Hinleitung, zum Ausgangspunkt dieses Beitrages: Die Ideen sind gut, müssen aber weiter gehen und vor allem auch Fragen zu lassen, die den Wohlfühlaspekt für das Wohlstandsleben durch deklarierten fairen und sozialen Lebensmitteleinkauf, mal hinten an stellen.
Andreas Exner schreibt:
Vielfach beruhen Visionen einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft, die von einem guten Teil der Bewegungen für Ernährungssouveränität propagiert werden, auf einer „kleinen Warenproduktion“ auf Basis von Privateigentum an Produktionsmitteln. So schreiben solche Visionen das Kernelement des Kapitalismus fort. […] Initiativen solidarischer Landwirtschaft thematisieren zumindest implizit die Eigentumsfrage in einem etwas weiterreichenden Sinn als die Vorstellungen einer kleinbäuerlichen Warenproduktion und eine primär auf das Privateigentum bezogene Interpretation von Ernährungssouveränität. Dabei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: das Eigentum an Produktionsmitteln und das Eigentum an den Konsumgütern, den Lebensmitteln.
Veränderungen bleiben beschränkt
sei es durch den fehlenden kollektiven Willen, wirklich zu einer deutlichen Umverteilung von Kaufkraft zwischen Konsumierenden zu kommen, sei es, weil der Zugang zu den Projekten sehr selektiv ist, wodurch diese sozial relativ einheitlich sind und Nischencharakter haben.
[…] Initiativen wie die französische AMAPs (Verbrauchervereinigung für die Beibehaltung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft) und vergleichbare Bestrebungen etwas in Österreich und Deutschland gehen demgegenüber einen Schritt weiter und kollektivieren Landbesitz in Gestalt von Stiftungen oder Vereinen. Hier gilt es allerdings zu fragen, ob sich lediglich ein neuer Privateigentümer (etwa in Form einer Stiftung) etabliert, der Pacht von den Produzierenden verlangt, auch wenn die Pacht geringer sein mag als am Bodenmarkt, und der kaum Mitsprache bei Entscheidungen ermöglicht. Oder ob es sich um substantiell kollektivistische Projekte handelt, welche die Egalität aller Beteiligten in Entscheidungsprozessen anstreben, die die gemeinschaftlich verwalteten Flächen und andere Produktionsmittel betreffen.
Wie an diesem Beispielen zu sehen ist, treffen Versuche einer Veränderung von Eigentumsverhältnissen in der alternativen Landwirtschaft auf mannigfaltige Hindernisse.
(siehe auch: Wem gehört der Acker? von A.Exner in Grundrisse 49)
Diese Hindernisse müssen und können bearbeitet werden. Das kann nicht aus einer Nischenbewegung heraus passieren, sondern nur mit einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive und Beteiligung. Wenigstens die Fragen nach Eigentum, Reichtumsverteilung und Arbeitsbedingungen sollten in jeder Dabatte um Ernährungssouveränität nicht einer Zufallsschleife in Diskussionen überlassen werden, sondern einen prominenten Platz einnehmen. All die Fragen und Aspekte von Saatgutverordnungen, Sortenschutzgesetzen, Patenten, Ernährungssouveränität und Reichtumsverteilung schließen sich gleich bedeutend an. Unsere Perspektive, wenn wir darüber nachdenken, diskutieren und darin arbeiten, erweitert sich erheblich. Es gibt ja schließlich auch nicht nur eine Sorte Zuccini!