Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, versorgen die Menschen, die in der Stadt leben – so war es meistens. Um das Verhältnis zwischen Konsument*innen und Produzent*innen weniger entfremdet und abstrakt zu gestalten, gibt es ein neues Konzept: Die Ackerrendite.
Solche Feld-, Wald- und Wieseninvestments sprießen hierzulande überall aus dem Boden: Großstädter beteiligen sich an Erntegemeinschaften und Ackerparzellen, unterstützen Landwirte und Bienenzüchter und finanzieren mit ihrem Geld den Anbau exotischer Obstsorten oder aussterbender Rinderrassen. Vor allem aber stecken sie ihr Geld in Dinge, von denen sie im wahrsten Sinne des Wortes leben – in gute Lebensmittel nämlich und in die Höfe, die sie produzieren. …
Foodfunding und Crowdinvesting sind die neuen Schlagworte, genau wie CSA, „community supported agriculture“, zu deutsch: solidarische Landwirtschaft. Dutzende solcher Projekte gibt es hierzulande bereits, und die Szene wächst.
Bei all diesen Modellen geben Konsumenten ihr Geld, damit kleine Bauern besser und unabhängiger wirtschaften können. Mal sind es Einmal-Summen von 500 oder 1000 Euro, die Verbraucher für ein paar Jahre herleihen, um komplette Betriebsstätten oder Ställe zu finanzieren. Oder Monatsbeträge um die 50 Euro, mit denen sie die Produktion eines Hofes am Laufen halten. Als Gegenleistung lassen die Bauern entweder Zinsen in Euro rüberwachsen, derzeit zwei bis drei Prozent. Oder sie bezahlen den Zins in Naturalien und drücken ihren Finanziers regelmäßig frisch geerntetes Gemüse oder Fleisch und Käse aus eigener Herstellung in die Hand – was den meisten Investoren fast noch lieber ist. Und das nicht nur, weil es dann umgerechnet bis zu vier Prozent Rendite gibt. (FAZ 21.4.2015)
Das hört sich gut und solidarisch an und befriedigt kurzfristig die Bedürfnisse auf dem Land wie in der Stadt. Es ermöglicht eine kleinbäuerliche Landwirtschaft mit Artenvielfalt, den Anbau und Erhalt alter Sorten, es ist ökologisch und im Sinne einer Ernährungssouveränität unabhängig von den Saatgut- und Lebensmittelkonzernen. Für die Konsument*innen rückt die Produktion der Lebensmittel, die letztendlich auf ihrem Tisch landen, insofern näher, dass sie wissen, woher sie kommen, wer sie produziert, wie es dort aussieht, wo das Schaf lebt.
Das Verhältnis basiert darauf, dass es auf der einen Seite die Landarbeiter*innen gibt, die Geld für ihre Nahrungsmittelproduktion brauchen. Auf der anderen Seite Menschen, die selbstbestimmter ihre Lebensmittel konsumieren möchten und dafür Geld geben wollen. So entsteht das Konzept Ackerrendite. Arbeit allerdings leisten hier nur die einen – die Landarbeiter*innen. Die anderen kaufen diese Arbeitskraft und die Produktlieferung nach Hause. Nicht bezahlt werden Krankengeld, Urlaubsgeld, Arbeitsunfähigkeits- und Altersrente der Arbeiter*innen. Die Arbeitsbedingungen sind so schlecht wie eh und je im Kapitalismus.
Die Idee ist gut, die Umsetzung miserabel, denn weder ändern sich soziale Verhältnisse noch Arbeitsbedingungen noch das uralte Verhältnis von reichen Städter*innen zu armen Landarbeiter*innen. Mit der Ackerrendite werden neue ökonomische Abhängigkeiten geschaffen, die im gesellschaftlichen Sinne nicht emanziptiv sind. Am sozialen Austausch auf Augenhöhe und an einer praktischen Form der Zusammenarbeit ist vielleicht noch das Konzepts Solidarische Landwirtschaft mit seinen vielfältigen praktischen Umsetzungsmöglichkeiten am nächsten dran.