Es gibt eine Landlosenbewegung in Europa. Im spanischen Andalusien hält die Landarbeitergewerkschaft (Sindicato de Obreros del Campo – SOC) seit März die Finca „Somonte“ besetzt. Ebenfalls in Andalusien besetzt die Andalusische Arbeitergewerkschaft SAT seit Juli die vom Militär weitgehend ungenutzte Finca „Las Turquillas“. In den Städten wird hingegen auf die Umverteilung von Lebensmitteln gesetzt. Letzte Woche wurden in einer Aktion der SAT Lebensmittel aus zwei Supermärkten an Bedürftige weiterverteilt.
In den letzten Tagen und Wochen können wir in den Zeitungen vermehrt lesen, dass Lebensmittel weltweit teurer werden. Das betrifft vor allem Weizen, Mais und Soja. Grund sei eine Dürre in den USA, wo Agrarkonzerne den Markt dominieren, die Preise bestimmen. Mindestens verstärkend, wenn nicht ebenso ursächlich, kommt die weltweite Zocke mit mit Lebensmittelderivaten an den Börsen hinzu.
So ist die Aneignung der Finca Somonte begrüßenswert:
Ein Empfangskomitee erklärt uns, warum Monate der Krise sie dazu getrieben haben, eine neue Rebellion zu wagen. Diese Frauen und Männer, die meisten von jahrelangen gewerkschaftlichen Kämpfen geprägt, haben einen gemeinsamen Nenner: die sich verschärfende Armut. Manche unter ihnen haben bereits wieder Hunger kennengelernt. Hunger, im Jahr 2012, in Andalusien, das vor Reichtümern überquillt, ein schwer zu verstehender Anachronismus […] (Europäisches BügerInnen Forum).
Monokulturen, eine Auslagerung der verarbeitenden Industrie und Großgrundbesitz bringt Verarmung, der die Besetzer_innen ein Ende machen:
Die unterschiedlichen Böden der Finca würden eine spezifische Bearbeitung erfordern. Auf den 41 ha bewässerbarem Land möchten die BesetzerInnen Feldgemüse anbauen. In den Mulden der Verwerfungen, die auf den Kuppen Risse hervorrufen, begrenzen Büsche und Schilf ausgetrocknete Furchen. Sie weisen auf Grundwasservorkommen in tiefer liegenden Schichten hin. Dafür spricht auch der freigeschaufelte und instandgesetzte Brunnen unterhalb des Hofes. In den nächsten Versammlungen werden sie diskutieren, wie sie die ausgetrockneten Böden fruchtbar machen können, dass sie die Steine aus den Feldern sammeln und zum Schutz der Kulturen wieder Hecken anpflanzen werden (Europäisches BügerInnen Forum).
Um ihren Lebensunterhalt geht es auch den Landarbeiter_innen, die mit Unterstützung der SAT ein Militärgelände besetzt halten:
Da das spanische Militär nur etwa 20 Hektar der Finca »Las Turquillas« nutzt und die übrigen Flächen weitgehend brachliegen, fordern die in der Andalusischen Arbeitergewerkschaft (SAT) zusammengeschlossenen Besetzer, ihnen das ungenutzte Land, knapp 100 Kilometer von Sevilla entfernt, zur Bestellung zu übergeben. […] Ziel der Besetzung sei deshalb, daß Grund und Boden den Arbeitern übergeben werden und die Finca, die den Streitkräften bislang in erster Linie zur Aufzucht von Pferden dient, zu einer Kooperative der Beschäftigten wird (junge welt).
Viele derjenigen, die in den Städten leben, sind ebenfalls verarmt und auf eine Umverteilung von Lebensmittel angewiesen. Da liegt es nahe, dorthin zu gehen, wo Gewinne mit dem Nötigsten gemacht werden – in die größten Supermärkte:
Die Gewerkschaft SAT (Sindicato Andaluz de Trabajadores) hat am 7. August 2012 in zwei Supermärkten in Sevilla und Cádiz Lebensmittel ohne zu bezahlen mitgenommen, um sie einer sozialen Organisation zu geben, die diese dann an Menschen verteilt, die die Lebensmittel benötigen. Die Gewerkschafter haben zehn Einkaufswagen mit Lebensmitteln wie Öl, Zucker, Milch und Gemüse gefüllt. […]
Diego Cañamero der Generalsekretär der Andalusischen Arbeitergewerkschaft (SAT) sagte in einem Interview mit der jungen welt: „Indem die Herrschenden uns bestrafen, wollen sie die Bevölkerung einschüchtern, damit sie nicht rebelliert. Wenn eine Aktion wie unsere sich massenhaft in allen Provinzen, in allen Supermärkten wiederholen würde, hätten sie ein echtes Problem. Das wollen sie rechtzeitig stoppen. Es kann aber nicht sein, daß es in Spanien Menschen gibt, die nichts zu essen haben. Darauf wollten wir mit der Protestaktion aufmerksam machen (http://klassenkampfblock.blogsport.de/).
Die Landbesetzungen und Protestaktionen, die Aneignung von Agrarland, das sich besser kleinteilig und im Sinne der Biodiversität bewirtschaften lässt, sowie die Ansätze zur gerechteren Umverteilung von Lebensmitteln in Spanien sind zurückzuführen auf die massiven Sparprogramme zur Rettung u.a. der deutschen Wirtschaft und einer damit einhergehenden Verarmung und Verledung der dort lebenden Menschen. Die erwähnte weltweit angekündigte Steigerung der Lebensmittelpreise ist hier also noch gar nicht inbegriffen.
http://ignaz.blogsport.de/2008/12/11/proletarisch-einkaufen/