Die Vertreter einer Partei, die sich dauerhaft im deutschen Parteiensystem zu etablieren scheint, treten als kompetent auf in EDV- und Internetfragen. Und sie werden von vielen für die echten Linken – zumindest auf diesen Themenfeldern – gehalten. Die Perspektiven ihrer Internet- und Urheberrechtspolitik reichen allerdings nicht so weit, wie das das Piratenbanner zunächst hoffen lässt. In der Monatszeitung analyse & kritik bilanzieren Nuss und Stützle:
Die aktuelle Debatte [ums Urheberrecht; ME] hat es wieder einmal geschafft, den Konflikt dort aufzumachen, wo er für die Linke kaum progressiv geführt werden kann – zwischen ProduzentInnen, d.h. Unternehmen mit samt den von ihnen »abhängigen Kreativen« auf der einen Seite sowie KonsumentInnen auf der anderen Seite. Eine linke Perspektive müsste hingegen eine Diskussion über die Logik und die Form der Produktion selbst eröffnen – gerade vor dem Hintergrund einer der tiefsten Krise des Kapitalismus seit Jahrzehnten. Eine Krise, die nicht von einem Mangel gekennzeichnet ist, sondern nur durch einen Mangel an profitablen Anlagemöglichkeiten für das Kapital. So steht in den USA oder in Spanien immer mehr Wohnraum leer, während immer mehr Menschen kein Dach über den Kopf haben. Auch hier wird der Zugang zu Waren künstlich und durch »polizeigestützte« Räumungen verknappt, weil der vorherrschende Zweck der Produktion nicht die Bedürfnisbefriedigung, sondern die Verwertung von Kapital ist. Hier wie dort müsste es darum gehen, die Warenförmigkeit der Produktion zu hinterfragen.
Der Versuch, den absehbaren Effekt von Piratenpolitik einzuschätzen, ernüchtert: Die politischen Systemadministratoren werden zum Katalysator einer neuen Regulierungswelle innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise.
Der Kampf der Piraten für »freien Informationsfluss« läuft daher schlicht darauf hinaus, die geistig-kreative Sphäre der Kapitalverwertung gefügig zu machen, ohne dass die technischen Möglichkeiten und Machbarkeiten behindert werden. Heraus kommt dabei ein fortschrittsgetragener, informationeller Kapitalismus, der ein paar althergebrachte Verdienstmöglichkeiten über Bord wirft: Modernisierung statt Meuterei.
Erwähnenswert auch
Georg Fülberth: Warum Piraten?
http://www.jungewelt.de/2012/05-26/022.php
und Michael Paetau: Piraten am Kreuzweg der Wissensordnung, in: Das Argument
295 / 2012 S. 902-911
http://www.paetau.net/pdf/paetau_argument-295.pdf