Bei Reits kaempft Steinbrueck mit der Union gegen die SPD

Das Bundesfinanzministerium hat vor Nachteilen für den deutschen Finanzplatz
durch eine Blockade börsennotierter Immobilienfonds gewarnt. Die SPD-Fraktion
sieht ihre Bedenken nicht ausgeräumt.

Das Kürzel Reits (Real Estate Investment Trusts) ist zum Reizobjekt in der
Koalition geworden, bei dem der sozialdemokratische Finanzminister Peer
Steinbrück gemeinsam mit der Union gegen Widerstände in der SPD kämpft. Die
zuständigen SPD-Abgeordneten fürchten bei einer Einführung von Reits
Steuerverluste für die öffentlichen Haushalte und Gefahren für Mieter. "Ob
nimmersatte Raupen sich am Mietwohnungsmarkt voll fressen oder Heuschrecken
in die Häuser kommen, hängt weitgehend davon ab, ob wir ihnen die Tür dazu
mit Reits selbst sperrangelweit aufmachen", heißt es in einer Stellungnahme
aus der SPD-Fraktion.

Damit stellen sich die sozialdemokratischen Abgeordneten nicht nur gegen die
Union, sondern auch gegen Steinbrück. Dessen Beamten haben auf gut 20 Seiten
die "Argumente für die Einführung deutscher Reits" zusammengestellt. In dem
Papier verweisen sie darauf, dass der Druck auf Deutschland wachse, weil nun
bald auch Großbritannien wie schon andere europäische Länder Reits zulassen
werde. "Führt Deutschland keine Reits ein, so wird die Wettbewerbsfähigkeit
des Finanzplatzes Deutschland weiter beeinträchtigt." In diesem Fall
entstünden qualifizierte Arbeitsplätze "vor allem in Paris und London und
nicht in Deutschland". Die Immobilienfonds würden ohnehin aufgelegt, dann
aber eben im Ausland.

Die Befürchtungen für den Wohnungsmarkt halten die Experten aus dem Hause
Steinbrück für überzogen. Sie rechnen nur mit "leichten Auswirkungen auf die
Wohnungswirtschaft" – und die seien "eher positiv als negativ". So kämen vier
Fünftel der Wohnungen für Reits gar nicht in Frage, da sie vom Eigentümer
selbst genutzt oder von Privatpersonen und Genossenschaften vermietet würden.
Auch für den Rest seien "keine unangemessenen Mietsteigerungen zu erwarten".
Jeder Besitzer sei an das strenge deutsche Mietrecht gebunden und müsse sich
an den örtlichen Mietspiegel halten.

Das Bundesfinanzministerium hält es sogar für möglich, dass durch Reits die
Mieten in Deutschland sinken könnten. Denn mit dem Einzug professioneller
Investoren steige die Effizienz in der Verwaltung. Auch seien Reits als
Eigentümer "nicht von vornherein ,unsozialer‘ als öffentliche Träger" wie
Kommunen. Sie hätten im Gegenteil ein besonderes Interesse, ihre Häuser zu
modernisieren und in Schuss zu halten, um die Mieter langfristig zu binden.
Daher würden sie auch Zusatzleistungen im Vergleich mit den kommunalen
Unternehmen eher ausbauen denn reduzieren. So habe die Deutsche Annigton,
hier zu Lande der größte Eigner von Wohnimmobilien, ein Programm für Senioren
aufgelegt, um sie in Wohnthemen zu beraten oder ihnen Gesundheits- und
Pflegedienste oder Einkaufshilfen zu vermitteln.

Während die SPD-Abgeordneten ihre Kritik nicht widerlegt sehen, drängt die
Union mittlerweile zu einem raschen Handeln. Nach den monatelangen
Diskussionen müsse Steinbrück jetzt zügig einen Gesetzesentwurf vorlegen,
sagte Unions-Fraktionsvize Michael Meister der Nachrichtenagentur Reuters.
Sein Kollege Joachim Poß stellte gegenüber der FR klar, dass die SPD Reits
nicht grundsätzlich ablehne. Vielmehr knüpfe sie ihre Zustimmung an
Bedingungen. Das Bundesfinanzministerium habe noch nicht ausreichend belegt,
dass der deutsche Finanzstandort und der Immobilenmarkt von dem
Finanzinstrument profitierten. So fehle die Begründung, warum die
Finanzbranche nicht auch ohne "steuerliche Ausnahmeregelungen" ihre Geschäfte
hier machen könne.
 
VON MARKUS SIEVERS, Frankfurter Rundschau, 03.06.2006

Protest gegen Wohnungsverkauf in Freiburg

In Freiburg-Weingarten wurden hunderte Mobilisierungsflyer verteilt, um auf eine Protestaktion am Pfingstsonntag, den 4. Juni, hinzuweisen. Eine linke Initiative hatte zur Solidarisierung mit den vom drohenden Verkauf der städtischen Wohnungen betroffenen Menschen aufgerufen.
Etwa 60 Interessierte fanden sich auf einem großen Platz vor dem zentral gelegenen Einkaufszentrum mitten in einer Hochhaussiedlung im Freiburger Stadtteil Weingarten ein, um sich mit den AnwohnerInnen zu solidarisieren. Die Stadt Freiburg beabsichtigt, die stadteigenen Wohnungen en bloc zu verkaufen, um den Stadthaushalt mit einem „Befreiungsschlag“ zu sanieren. Die Betroffenen fürchten, dass neue EigentümerInnen die Mieten erhöhen – in Weingarten sind davon viele Sozialbauwohnungen betroffen.

Es gab Musik und VoKü mit Salat, Salat, Salat, etwas mexikanischem Eintopf und danach leckeren Nachtisch. Getränke wurden wie das Essen gegen Spende angeboten. Erst wurde Charly Chaplins „Modern Times“ und anschließend ein Kurzfilm zu Besetzungen in Barcelona gezeigt. Einige Jugendliche tranken auf unser aller Wohl und interessierte AnwohnerInnen kamen aus ihren Wohnungen. In den Gesprächen mit den zuerst skeptischen Leuten erfuhren wir von der Angst und dem Zorn der Menschen. Sie erzählten uns von ihren Befürchtungen, sie könnten sich nach einer Mieterhöhung „selbst hier in Weingarten“ keine Wohnung mehr leisten. Schon jetzt hätten viele der BewohnerInnen Probleme, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu verdienen. Sie äußerten ihre Sorgen wegen der immer geringeren Sozialleistungen und der bevorstehenden Mehrwertsteuererhöhung. Allerdings meinten einige der meist jungen Leute, dass sie eigentlich ganz zufrieden wären mit ihrer Lebensumgebung. Doch dunkler Teint und „Weingarten“ als Wohnort im Personalausweis sei oft ein Grund für Diskriminierung. Als Beispiele nannten sie Sozialamts- und Discobesuche.

Dann kamen zwei Bullen – wegen Lärmbelästigung bei einem Stummfilm. Sie begannen wie immer mit Smalltalk und fragten mal so in die Runde, wer denn hier eigentlich verantwortlich sei. Wie immer war natürlich niemand verantwortlich. Das freute die beiden Uniformierten, meinten sie doch, sich dann die Anlage unter den Nagel reißen zu können – schließlich gehöre sie ja niemandem. Wir konnten ihnen aber relativ schnell und eindeutig klar machen, dass das eine dumme Idee sei – schließlich wollten wir ja gerade den Film sehen. Also trollten sie sich, grummelten was von „wir kommen wieder“ und ließen es bleiben. Die Anwohner vor Ort waren sehr erstaunt, dass uns die Staatsmacht einfach so gewähren ließ. Warum wir ausgerechnet Weingarten ausgesucht hätten, war oft die Frage. Hier würden die Bullen doch immer nur alle stressen und willkürlich schikanieren. Wir erzählten ihnen von der Demo 1. Juli, mit der gegen die Verkaufspläne protestiert werden soll. Wir sehen uns auf der Straße…

Bericht auf indymedia, 05.06.2006
http://www.de.indymedia.org/2006/06/149060.shtml