Rezension Private Kriegsdienstleister
Jean-Paul Raabe schreibt über P.W. (Peter Warren) Singers „Die Kriegs-AGs. Über den Aufstieg der privaten Militärfirmen“:
Singer erschließt erstmalig ein Thema, das wir vor Jahren noch für Fiktion gehalten hätten, das aber pure Realität geworden ist: Die geschäftlichen Aktivitäten von etwa 100 weltweit operierenden Militärfirmen (»privatized military firms« = PMF), die im lukrativ bezahlten Auftrag von Regierungen Kriege vorbereiten und durchführen, die jedes x-beliebige Kriegsgerät besorgen können, Widerstandsarmeen ausbilden, Regierungsumstürze durchführen oder abwehren und – das klingt besonders pervers – die durch ihre kriegerischen Aktivitäten zuvor zerstörten Länder wieder aufbauen.
Die privaten Militärfirmen gehören zur größten Wachstumsbranche mit derzeit über 100 Milliarden Euro Gesamtumsatz, deren Umsätze sich von Jahr zu Jahr fast verdoppeln. London ist zur Drehscheibe der PMFs geworden, die nicht selten in internationale Konzerne eingebunden und teilweise börsennotiert sind. Oder sie agieren als virtuelle Firmen, die in kurzen Zeiträumen hohe Profite erwirtschaften, sich problemlos auflösen und damit jeglicher Verantwortung entziehen können.
Der zweite Irak-Krieg war quasi das coming out der PMFs, die bisher eher im Verborgenen operierten: Niemals zuvor waren so viele private Dienstleister, niemals so viele Söldner (bis zu 25.000) in einen Krieg „verwickelt“. Aber PMFs wie Halliburton, Blackwater oder Brown & Root wurden der Öffentlichkeit erst durch die Bereicherungsvorwürfe oder die Misshandlungsfälle im »Abu-Ghraib-Gefängnis« bekannt.
Um das komplexe Thema verstehen zu können, muss man sich vor allem die finanziellen Dimensionen klar machen, um die es geht. P.W. Singer führt das sehr plastisch vor, wenn er schreibt, dass die Summe von 13 Milliarden US$, die allein »Halliburton« den USA für den zweiten Irakkrieg in Rechnung stellen wird, zweieinhalb mal höher ist, als die Kosten des Golfkrieges von 1991 insgesamt. Klar, dass diese Firmen aus Profitgründen an einer permanenten Gewaltspirale mehr als interessiert sind.
Der Autor stellt die Strukturen der Firmen vor und thematisiert die Störungen der globalen Sicherheit durch profitsüchtige und moralisch zwiespältig agierende PMFs. Er prangert aber auch die „heuchlerische Doppelzüngigkeit“ der Vereinten Nation zu diesem Thema an.
Den rund 380 Seiten seines Buches fügt Singer einen über hundertseitigen Anhang hinzu. In diesem listet er die Internetauftritte von etwa 60 PMFs, legt alle seine Quellen offen und zitiert einen sehr aufschlussreichen Vertrag zwischen dem in Londons Kings Road 535 residierenden Militärdienstleister »Sandline« und der Regierung von Papua-Neuginea (Laufzeit 3 Monate, Pauschalhonorar 36 Millionen US$ Dollar) im vollen Wortlaut.
ZWEITAUSENDEINS, FRANKFURT, 2006, 500 SEITEN, 27,90 €