Offensive für neue Wohnungsprivatisierungen?

Die Lobbyverbände werden wieder lauter. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) plädiert dieser Tage für den verstärkten Verkauf kommunaler Wohnungen. Der Zeitpunkt für gute Erlöse aus Privatisierungen sei demnach günstig. Derzeit seien Höchstpreise zu erzielen, sehr viel besser würden die Zeiten wohl nicht mehr werden, – so steht es in einem Argumentationspapier des Instituts. Da fühlt man sich tatsächlich Jahre zurückversetzt, – denn die Argumentationen die für die Privatisierungen zahlreicher öffentlicher Wohnungsbestände in den 1990er bis Ende der 2000er Jahre ins Feld geführt wurden sind die selben die jetzt wieder auftauchen. Als zentrales Argument wird genau wie damals angeführt, dass die Kommunen sich mit den Verkäufen entschulden könnten.

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Wem gehört die Stadt?

Anlässlich den zehnten Jahrestages des Referendums für den Erhalt des kommunalen Eigentums lädt die Leipziger Anti-Privatisierungs-Initiative (APRIL-Netzwerk) zu einem Austausch- und Vernetzungswochenende. (Flyer als pdf)

Am 27. Januar 2008 sprachen sich die Leipzigerinnen und Leipziger in einem Bürgerentscheid für ein umfassendes Privatisierungsverbot für Bereiche der Daseinsvorsorge aus. Mit dem Ziel der Reduzierung der Schulden der Stadt Leipzig sollten damals nach dem Willen des Oberbürgermeisters und der Mehrheit des Stadtrates in einem ersten Schritt 49,9 Prozent der Anteile der Stadtwerke an private Käufer – im konkreten Fall an Gaz de France (GdF) – veräußert werden. (GdF fusionierte im Juli des selben Jahres mit Suez zu GDF Suez. Seit 2015 heißt der Konzern Engie.) Dem sollte später eine Teilprivatisierung der Kommunalen Holding LVV folgen. Weiterlesen

Mascha Madörin – feministische Ökonomin [Rezension]

Von Brigitte Kratzwald, Graz (www.commons.at)

Zum ersten Mal hörte ich den Namen Mascha Madörin in Zusammenhang mit dem Begriff Care. Von da an war sie oft meine Referenz, wenn es um das Ausmaß und die gesellschaftliche Bedeutung der unbezahlten Arbeit ging. Aber der Horizont und der Arbeitsbereich von Mascha Madörin waren viel weiter. Sie begann in der Entwicklungspolitik und erlebte in Südafrika und Mozambique nicht nur die Auswirkungen der Apartheidpolitik, sondern auch die Probleme nachkolonialer Ökonomien. Sie war Mitbegründerin der Anti-Apartheidbewegung und kritisierte früh die neoliberalen Entwicklungsprogramme der Weltbank. Anschließend beschäftigte sie sich mit dem Finanzplatz Schweiz und gründetet die gleichnamige Aktionsplattform. Schon früh erkannte sie die Bedeutung der Finanzindustrie und ihre enge Verknüpfung mit vielen anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen. Seit den 1990er Jahren schließlich gehörte sie zu den Wegbereiterinnen einer feministischen Ökonomie.

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Beispiele solidarischer Ökonomie in Berlin [Rezension]

Dieses Buch stellt fünf mehr oder minder bekannte Beispiele aus der solidarischen Ökonomie Berlins näher vor. Die AutorInnen schreiben aus einer Perspektive teilnehmender Beobachtung und mit Sympathie. Sie schreiben über das Selbstverständnis, sowie die kulturelle und konkrete ökonomische Praxis dieser Projekte. Dies sind die Prinzessinnengärten, FairBindung, Freifunk, der Umsonst- und der Leihladen sowie der Nachtclub ://about blank. Der letztgenannte soll eine der größten alternativ-ökonomischen Einrichtungen in Berlin sein, da dort derzeit fast 130 Personen in unterschiedlichen Volumina arbeiten. FairBindung versucht seit über sieben Jahren den Import von fairen Produkten, vor allem Kaffee aus dem globalen Süden mit Bildungsarbeit zu verknüpfen.
Das Buch entstand aus einem Seminar im Wintersemester 2015/16 an der Humboldt-Universität zu Berlin, und die meisten AutorInnen sind PhilosophInnen. Das ist den Beiträgen anzumerken. Was das Vorwort will, in dem der Begriff der »Lebensform« ein- und näher ausgeführt wird, hat sich mir leider nicht erschlossen. Weiterlesen

Film über Häuser aus dem Mietshäuser Syndikat

Gemeineigentum – Selbstorganisation – Solidarität – Seit vielen Jahren gibt es eine Netzwerkstruktur von mehr als 100 Hausprojekten in Stadt und Land, um die Wohnungsfrage nach anderen Werten zu organisieren: Das Mietshäuser-Syndikat. Finanzschwache Gruppen können sich mit der Solidarität anderer ermächtigen und so bezahlbare Räume sichern. Deshalb wächst in immer mehr Köpfen das Interesse an dieser wichtigen Initiative aus der Zivilgesellschaft. Weiterlesen

Buch „Willkommensstadt“: Gut gemeint

Eine Rezension – von Elisabeth Voß
Nachdem Daniel Fuhrhop mit „Verbietet das Bauen“ ein leidenschaftliches Statement gegen die profitgesteuerte Neubauwut verfasst hat (1), möchte er seine Vorschläge für einen anderen Umgang mit der Wohnungsfrage nun auch auf die Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge anwenden. „Willkommensstadt“ ist ein gut gemeinter und in wohlwollendem Ton abgefasster Versuch, gleichzeitig Argumente gegen den Neubau von Wohnungen und für die Schaffung von Platz für Geflüchtete vorzulegen. Im Wesentlichen plädiert der Autor dafür, dass „wir“ zusammenrücken, Leerstand und individuelle Wohnflächen einschränken, damit ausreichend Wohnraum für alle entsteht. Weiterlesen

«luxemburg argumente» untersucht das Für und Wider «ethischen» Konsums

Wachsende Müllberge, steigender Meeresspiegel, vergiftete Böden, Kriege um Ressourcen, tote ArbeiterInnen in Fabriken und Bergwerken: Produktion, Transport, Bewerbung, Vertrieb und Entsorgung unserer täglich konsumierten Güter und Dienstleistungen haben schwerwiegende Folgen. Gegenwehr scheint aussichtslos. Denn die Welt wirkt unendlich komplex und die Möglichkeit, politisch Einfluss auszuüben, frustrierend begrenzt. Da erscheint «ethischer Konsum» eine naheliegende Option. Weiterlesen

Koschek: Projekte schlagen Wellen. Alternativen am Bodensee [Rezension]

cover_koschekDer seit Jahrzehnten engagierte »Provinzler« Dieter Koschek hat ein kleines, kommentiertes Handbuch über »alternative« Gruppen und Einrichtungen im Bodenseeraum vorgelegt. Es berichtet von einigen Landwirtschafts- und Wohnprojekten, von Diskussionsrunden, oder über die Idee der Gemeinwohl-ökonomie und von künstlerischen Initiativen.
Koschek bietet kurze Beschreibungen und viele Adressen, somit eine Bestandsaufnahme, wobei die Leserin kaum entscheiden kann, ob das alle (wichtigen) Adressen sind, oder nicht, oder (nur) die, die der Herausgeber und Autor »gut findet«. Das alles ist nichts Besonderes – und im grünen Musterländle Baden-Württemberg schon gar nicht. Insgesamt bleibt nach der Lektüre ein durchwachsener Eindruck.

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Krisenproteste in Spanien [Rezension]

huke_coverVon Elisabeth Voss

Nikolai Huke untersucht Krisenproteste und soziale Bewegungen in Spanien seit den Platzbesetzungen der Indignados (Empörten), die erstmals am 15. Mai 2011 in vielen Städten stattfanden. Die daraus entstandene Bewegung 15-M formulierte ein lautstarkes „Nein“ zum Bestehenden, forderte echte Demokratie und ein Leben in Würde. Ihre soziale Basis waren überwiegend junge, prekarisierte Menschen aus der Mittelschicht, deren Lebensträume angesichts der Krise zerplatzt sind. Detailreich werden die Bemühungen um andere politische Formen geschildert, der Versuch, durch horizontale Organisierung in Versammlungen (Asambleas) und mittels Digitaltechnik alle mitzunehmen. Auch die daraus mitunter resultierende Selbstüberforderung, Ausgrenzungen und Richtungsstreit werden nicht verschwiegen.

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Durchwachsen – das neue Degrowth-Lexikon

demaria_degrowth_coverWenn Worte nicht ausreichen, um auszudrücken, was ausgedrückt werden muss, dann ist es Zeit für neue Begriffe. Die Bewegung und die Idee des Degrowth, einer radikalen Abkehr vom Leitbild des Wachstums, finden immer mehr Anhänger_nnen. Ein Handbuch stellt nun 53 Begriffe aus dieser internationalen Debatte näher vor. Das Buch beginnt mit einem wirklich guten und lesenswerten Essay der Herausgeber_innen, in dem sie die verschiedenen Bedeutungen von „Degrowth“ gut auffächern. Weiterlesen

Lebenszeit in Reichland

JanaDas Journal der American Medical Association publizierte am 10.4.2016 die Ergebnisse einer Studie über „The Association Between Income and Life Expectancy in the United States, 2001-2014″ . Zwei Ergebnisse sind besonders dramatisch:

First, higher income was associated with greater longevity throughout the income distribution. The gap in life expectancy between the richest 1% and poorest 1% of individuals was 14.6 years (95% CI, 14.4 to 14.8 years) for men and 10.1 years (95% CI, 9.9 to 10.3 years) for women. Second, inequality in life expectancy increased over time. Between 2001 and 2014, life expectancy increased by 2.34 years for men and 2.91 years for women in the top 5% of the income distribution, but by only 0.32 years for men and 0.04 years for women in the bottom 5% (P < .001 for the differences for both sexes).

Kurz und in den Worten der New York Times gesagt:

These rich Americans have gained three years of longevity just in this century. They live longer almost without regard to where they live.

AfD-Progamm = Privatisierungs- und Verarmungsprogramm

Eine Analyse des Programms der Partei „Alternative für Deutschland“ zeigt: völkisch und familienpolitisch reaktionär, das war ja klar. Aber auch ohne ihre neoliberalen Gründerprofessoren ranken sich die Ideologien der Ungleichheit im Programm dieser deutschnationalen und rechtsradikalen Partei um einen neoliberalen und privatisierungsorientierten Kern, mit dem die Reichen weiter reicher, die Armen weiter ärmer würden: Weiterlesen

Verteilungsbericht 2016 erschienen

KMEnde Februar ist der DGB-Verteilungsbericht 2016 erschienen. Er vermerkt: „Einkommen und Vermögen sind in Deutschland, auch im internationalen Vergleich, extrem ungleich verteilt: Während 10% der Bevölkerung etwa 60% des Vermögens halten, besitzen rund 30% überhaupt keine Rücklagen oder sind sogar verschuldet.“ Kein Wunder, wenn „ein Dax-Vorstandsvorsitzender im Mittel das 167fache eines durchschnittlichen Einkommensbeziehers bezieht.“ Was das Vermögen angeht: „Die Vermögenskonzentration und -ungleichheit ist unter entwickelten Volkswirtschaften fast nirgends so ausgeprägt wie in Deutschland.“ Nur in den USA, Österreich und Holland ist die Vermögensungleichheit noch größer. „Die reichsten 10 Prozent der hiesigen Bevölkerung verfügen über 57,5 Prozent, das wohlhabendste 1 Prozent über 24 Prozent des Gesamtnettovermögens. Am anderen Pol der Vermögensverteilung besitzen 70 Prozent der Bevölkerung gerade einmal 9 Prozent des Gesamtvermögens.“ Interessant an dem Bericht ist auch, dass ausführlich auf die Untersuchung von Piketty Bezug genommen und sehr dezidiert für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer plädiert wird. Ebenso wird  eine völlig andere als die gegenwärtig avisierte Novellierung der Erbschaftssteuer angestrebt. „Die fortwährende Umverteilung der gesamtwirtschaftlichen Einkommen und Vermögen zugunsten der Reichen, Bezieher sehr hoher Einkommen und große Erbschaften muss beendet werden.“ Der Bericht enthält detailliertes Zahlenmaterial und – das wird man annehmen können – nimmt vorweg den anstehenden Armuts- und Reichtumsbericht, dessen politische Anlage sich mit SIcherheit deutlich vom Verteilungsbericht unterscheiden wird.

 

Ökolandbau und Postwachstum

agrarberichtEines kann dem AgrarBündnis angesichts des neuen Kritischen Agrarberichtes nicht abgesprochen werden: Dass es strittigen Themen aus dem Weg geht. Schon länger gibt es in der Ökolandbau und –vermarktungsszene eine Debatte darüber, wohin der Weg in Zukunft gehen soll. In Richtung eines eher industrialisierten Biolandbau (Bio 3.0) und weiterem „Wachstum“, womöglich verbunden mit dem Risiko, noch tiefer in die Falle der Konventionalisierung zu tappen, und/oder eher in die Richtung von mehr regionaler und lokaler Produktion, verbunden mit der Wiedergewinnung von (urbaner) Ernährungssouveränität? Der neue „Kritische Agrarbericht“ bildet einen Teil dieser Kontroverse unter dem Schwerpunkt „Wachstum“ ab. 19 seiner fast 50 Beiträge (in elf thematischen Kapiteln) widmen sich ausdrücklich diesem Thema. Eine Lösung ist vorerst nicht in Sicht, denn angesichts der immer noch vergleichsweise geringen Flächenanteile des Ökolandbaus und der geringen Anteile im Lebensmittelhandel muss und will jener unzweifelhaft wachsen. Gleichzeitig wird ihm in vielen Regionen durch die hohen Pachtpreise für Böden das Flächenwachstum erschwert. Hauptproblem scheint zu sein, dass in Deutschland und weltweit weiterhin Pflanzen vor allem als Rohstoff zur Fleischproduktion verwendet werden.

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Mal wieder die Mitte

Buy Stocks…

Die Unterscheidung zwischen den 99 % und den 1 % war und ist auch deshalb so brisant, weil sie den überaus hartnäckigen Blick in die drei Richtungen nach Oben, Unten und auf die Mitte nicht mitmacht. Die Rede von der Mittelschicht oder einer middle class hat seit über einem Jahrhundert vor allem die ökonomisch geleitete Gesellschaftsanalyse vom „Oben“ abgelenkt und auf die Mitte fokussiert. Genauer gesagt: auf die weiße Mitte des Westens. Im Notfall kamen auch mal die „gefährlichen Klassen“ ins Blickfeld.

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