Mietspiegel, Kundgebung, Besetzung und Räumung in Berlin

Von Sozialdemokraten war ja nichts anderes zu erwarten als die harte Hand, dort wo sich Bewegung zeigt: Pünktlich zur gestrigen Veröffentlichung des neuen Mietspiegels, in dem die Mietenexplosion manifest wird, wurde in Berlin mit aller Gewalt der geballten Polizeifaust mal wieder ein Haus geräumt (Dokumentation der Gewalt der uniformierten Schläger im Auftrag des rot-roten Senats und zum Wohle des Konzerneigentums ab 3:45 im Youtube-Video). Vom amtierenden Personal der Linkspartei allerdings wäre doch zu erhoffen gewesen, dass sie zumindest in Wahlkampfzeiten aufwachen und wenn auch nicht Leidenschaft, so doch Kalkül zeigen und sich ihres eigenen Arguments für Regierungsbeteiligungen erinnern: Aus der Mit-Regierung heraus auch mal was zum Besseren zu beinflussen. Aber die Linkspartei in Berlin verschläft auch beim Thema Mieten und Wohnen die realen sozialen Auseinandersetzungen in Berlin und setzt eher auf Konferenzen zum Thema. Vielleicht hat sie ja genug von der Regierungsverantwortung in Berlin…

Veranstaltungsreihe zu Feminismus und Kapitalismus

Das 'Muschiballett&#039

Mit leckerteuren Häppchen in vornehmer Ambiente lädt die Rosa-Luxemburg-Stiftung ins Magnus-Haus nach Berlin/Mitte ein. Die Veranstalter_innen versprechen Diskussionen im Rahmen des „Rosas Salong“ zu der Frage: Was ist heute emanzipatorisch und in welche Fallen sollen wir nicht tappen? Es soll um die Entwicklung neuer Feminismen gehen, jenseits von Verwertbarkeit, Flexibilisierungszwang und Selbstverantwortung. Um Prekariserungsverhältnisse, Kapitalismuskritik, queerfeminsitische Gegenentwürfe zum Mainstreemfeminismus. Am 12.Mai begann die Veranstaltungsreihe mit einem Vortrag von Isabell Lorey, Gastprofessorin an der HU Berlin, zum Thema: Regiere dich selbst! – Und lebe prekär? Verwerfungen im heutigen Kapitalismus mit anschließender Performance des Muschiballetts, einer prekären Performancegruppe mit feministischen Ansprüchen. Ich finde, ein vielversprechender Event! Allerdings bezüglich der Raumwahl, des Essens und der Thematik eine nichtwiderspruchfreie Angelegenheit, der eine inhaltliche Erweiterung um queerfeministische Inhalte und Diskussionen um Prekarisierung und politische Organisierung gut tun würde. Geht hin, bringt euch ein! Die weiteren Termine für die Veranstaltung sind der 21. Juni sowie der 28. Oktober: mehr.

Die Rote Hilfe: Schwerpunktthema Privatisierte Sicherheit

In immer mehr Bereichen des öffentlichen Lebens wird die Aufgabe, Sicherheit und Ordnung durchzusetzen, nicht mehr durch die Polizei, sondern durch private Sicherheitsdienste übernommen. Ob es sich um öffentliche Verkehrsmittel, Einkaufszentren oder Großveranstaltungen handelt: Der_die Bürger_in kommt nicht in erster Linie mit der Polizei, sondern mit privaten Sicherheitsdiensten in Kontakt. Kommt es dabei zu Auseinandersetzungen, sind viele Betroffene schlichtweg überfordert: Die Rechte und Pflichten gegenüber MitarbeiternI privater Sicherheitsdienste sind nicht bekannt und sehr undurchsichtig. Dies resultiert aus einer paradoxen Situation: Obwohl private Sicherheitsdienste immer mehr Aufgaben im (halb-)öffentlichen Raum übertragen bekommen, existiert nach wir vor kein gesetzlicher Rahmen für diese. Mehr lesen

BorderMachine

Der Fotograf und Medienaktivist Ian Paul hat ein interessantes neues Projekt mit dem Titel BorderMachine online gestellt, in dem es um (nationalstaatliche) Grenzen und deren kulturelle Verarbeitung geht. Auf der interaktiven Oberfläche können die BesucherInnen sich durch die künstlerischen Arbeiten von Francis Alÿs, Ursula Biemann und Ricardo Dominguez klicken. Auf die eine oder andere Art sabotieren alle drei KünstlerInnen die Praxis und Idee der Grenze — also des Ausschlusses entlang nationaler Grenzen, sowie der räumlichen Regulation von Kapital, Reichtum, Handel, Armut und Arbeit im kapitalistischen Weltsystem. Darüber hinaus bietet BorderMachine auch viele theoretische Überlegungen zum Thema Grenze und Migration. Ein ästhetisches und inhaltliches Vergnügen für alle, denen die (Überwindung der) Grenze am Herzen liegt, und die sich für Medienaktivismus interessieren!

Wem gehört eigentlich das Institut für Angewandte Finanzmathematik in Berlin?

Unternehmen sollen ja mehr Verantwortung an den Hochschulen übernehmen, so fordert es die Bundesregierung seit langer Zeit. Von den Konsequenzen berichtet die taz in der heutigen Ausgabe. Der Berliner Politikwissenschaftler Peter Grottian hat einen Vertrag zwischen der Deutschen Bank und zwei Berliner Universitäten offengelegt. (Bzw.: Er hat den Vertrag der taz offengelegt, im Netz ist er bisher nicht zugänglich.) Im Kooperationsvertrag einigte sich die Deutsche Bank mit der HU und der TU in Berlin darauf, ein Institut für Angewandte Finanzmathematik zu gründen. Die taz schreibt: ->

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PaG-Bustour

Solidarität heißt nicht: die einen spenden, die anderen sammeln ein – sondern es bedeutet das gemeinsame Knüpfen eines wachsenden Netzes gegenseitiger Hilfe. Und das lohnt sich. Für jede und jeden, wie die Projektwerkstatt auf Gegenseitigkeit (PaG) zeigen will. Sie besteht aus Stadt- und Land-Projektgruppen und vielen einzelnen Personen. Wissen und praktische Arbeit und auch die Eigentümer_innenschaft an den Projektgeländen und -gebäuden werden geteilt. Die Überführung des Besitzes in allgemein verfügliche Güter (commons), also die schrittweise Öffnung der Eigentumsverhältnisse ist das Ziel. Dazu müssen die bestehenden Projekte stabilisiert und ausgebaut und das Netz erweitert werden. Um ihren Ansatz bekannter zu machen und zum Mitmachen anzuregen, steht die Einladung zur PaG-Commons-Tour 2011. Drei Bustouren – eine davon hat schon stattgefunden – führen zu bestehenden Projekten der PaG. Mehr lesen

CHE-Hochschulranking: „Der Kittel brennt!“

Anfang Mai ist das neue CHE-Hochschulranking erschienen. Fein, dachte ich, probiere ich gleich aus und gebe den Studienanfänger. Auf http://www.das-ranking.de/ also flugs ausgewählt: Politikwissenschaften (Bachelor). Soll ja mal ein interessantes Studium gewesen sein. Sehr hübsch erscheint unter „Quick-Ranking“ die Hochschullandschaft vollkommen zeitgemäß als Tagwolke. Die „Studierbarkeit“ – Was ist das wohl? Aufwand pro Credit Point? – kann man einfach wegklicken – und alles gerät in Bewegung. Und, wo landet das Otto-Suhr-Institut? Nur in der dritten Liga? Da bin ich aber ein wenig enttäuscht! Naja, wer’s mag, kann das auf Facebook kundtun. Immerhin: 197 Personen gefällt das Verdaten und Vergleichen.

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3sat-Kulturzeit über Bildungssponsoring

Sehr guter Bericht neulich in 3sat: „Werbung im Unterricht. Wie die Werbewirtschaft Schüler ins Visier nimmt“: Das Geld in Kindergärten und Schulen ist knapp. Bildungssponsoring heißt deshalb seit einigen Jahren das Zauberwort. Unternehmen und Verbände sollen die leeren Kassen wieder füllen. Doch die nutzen Bildungssponsoring gezielt, um in Kitas und Schulen Markenwerbung zu betreiben. Das ist in 13 Bundesländern eigentlich verboten. Mehr lesen

Salat essen nach dem Super GAU

Vorwärts und stets vergessen
Ulf Kadritzke schreibt in der Le Monde Diplomatique über „die Herrschaft einer wahnhaften Logik der Machbarkeit“. Seine These: die gegenwärtige Wissenschaftsgesellschaft lernt auch nach Fukushima und Finanzkrise nicht dazu. Es besteht ein Missverhältnis zwischen Vorstellungskraft und Herstellungskraft. Risiken werden in Geld kalkuliert, im vermeintlichen Interesse des Markts und treten dann doch zu einem anderen Zeitpunkt auf, als berechnet wurde… Der Pathos der Fortschrittsrhetorik beruht auf dem Markt aber auch auf dem Vertrauen der Menschen. Die Vorstellung, dass sich schon alles herstellen und regeln liesse, lässt uns, Kadritzke zufolge, auch schnell vergessen auf welche Katastrophen der Finanzmarktkapitalismus hinführen kann. Weiterlesen

Ratgeber für Bundeswehr et. al.

Wer die Februarausgabe der ‚Mittelweg 36‚ — Hauszeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung — aufschlägt, wird über einen Text mit dem etwas sperrigen Titel „The enemey must be brought to battle.‘ Westliche Schlachtenniederlagen in Imperialkriegen“ stolpern (Ausgabe Februar/März 2011). Wird die Geschichte der Sieger hier (endlich) einmal gegen den Strich erzählt? Werden die aktuellen Interventionskriege in Afghanistan, Lybien und anderen Ländern des globalen Südens kritisch im Kontext der europäischen Kolonialgeschichte diskutiert?

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„Der grüne Kapitalismus ist in Wirklichkeit eine Falle“

Der Ökonom Alberto Acosta aus Ecuador gibt in der taz ein Interview über die Grenzen der kapitalistischen Produktion

Alberto Acosta, 63, ist Ökonomieprofessor an der lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften Flacso in Quito. Nach der Linkswende in Ecuador 2007 war er zunächst Energie- und Bergbauminister, dann leitete er den Verfassungskonvent.

2008 war Alberto Acosta daran beteiligt, dass die Rechte der Natur in der neuen Verfassung Ecuadors verankert wurden – eine Weltpremiere. Am Freitag hielt der linke Ökonom eine viel beklatschte Auftaktrede zum dreitägigen Kongress „Jenseits des Wachstums“ in Berlin. Foto: Gerhard Dilger

taz: Herr Acosta, nach wie vor setzt die herrschende Politik Entwicklung mit Wachstum gleich. In Südamerika haben progressive Regierungen durch Lohnerhöhungen und Sozialprogramme Millionen zum sozialen Aufstieg verholfen. Wie sollen da Mehrheiten für eine ökologische Wende her?

Alberto Acosta: Unser Lebensstil ist nicht haltbar, das wird immer mehr Menschen klar. Süßwasserquellen gehen verloren, die Artenvielfalt auf den Feldern und in den Wäldern geht zurück, ebenso der Lebensraum für indigene Gemeinschaften. Aber sicher, die Sichtweise, die Natur müsse gezähmt, ausgebeutet und vermarktet werden, herrscht immer noch in vielen Teilen unserer Gesellschaften vor, auch auf Regierungsebene.

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B: SPD beschließt Deprivatisierung

Die SPD in Berlin beschließt in umfassendem Maße Deprivatisierungen. Es mag ganz platter Wahlkampf sein. Aber wenn die Rückkäufe wirklich stattfinden sollten und dabei keine verstaatlichten Betriebe herauskommen sollen, mit denen in der Folge staatliche Bürokratien statt privaten die Markt-, Effizienz- und Kostenvorgaben durchsetzen, z.B. zur Haushaltskonsolidierung, dann ist eine Aneignungsbewegung durch die Stakeholder nötig – vgl. die Gedanken des Wassertischs. Stakeholder sind diejenigen, die irgendwie – und zwar nicht nur aus Profitinteresse – mit dem produzierten Gut zu tun haben. Neben den Eigentümern sind das auch die an Produktion, Verteilung und Konsum Beteiligten. Die Shareholder, denen Produktion, Verteilung, Konsum nur Mittel zur Gewinnmaximierung darstellen, sind also nur eine kleine Teilgruppe der Stakeholder. Ohne soziale Bewegung können sich die Stakeholder-Interessen kaum Bahn brechen, wird es keine vergesellschaftungsartige Rekommunalisierung geben, sondern die Staatsbürokratien werden die „rekommunalisierten“ Betriebe dazu benutzen, möglichst hohe Gewinne zu machen, um die Haushalte zu sanieren, d.h. über den Schuldendienst Umverteilung von unten (von denen, die die Preise bezahlen müssen und dann nichts mehr übrig haben) nach oben zu organisieren (an die, die über soviel Einkommen, Vermögen und Kapital verfügen, dass sie die Preise zwar auch bezahlen müssen, dann aber immer noch so viel Geld übrig haben, dass sie es sogar verleihen können). Eigentlich nicht gerecht.

Private Mehrfachverwertung im Polizeisold erlangter Informationen

Baumohr von Petra Hegewald/PIXELIO

Die Enttarnung britischer Spitzel lieferte in der Vergangenheit Hinweise auf eine Beteiligung privater Sicherheitsfirmen an der Ausspähung politischer Bewegungen. Der Polizist und unglückliche Spitzel Mark Kennedy etwa hatte zwei eigene Unternehmen gegründet und zu einem anderen, „Global Open“, gute Beziehungen unterhalten. Nach eigenen Angaben hatte Kennedy seit Frühjahr 2010 nicht mehr für die britische Polizei gearbeitet. Trotzdem war er weiter aktiv, darunter zu Tierrechtsaktivismus, dem bevorstehenden G8 in Frankreich oder anlässlich einer Antirepressionskonferenz in Hamburg. Angesichts von Kennedys Firmengründungen drängt sich der Verdacht auf, dass er sowohl seine im Polizeidienst erlangten Kontakte wie Informationen auch privat verkaufte. Diese Mehrfachverwertung könnte er auch praktiziert haben, als er im Sold der deutschen Länderpolizeien stand. Mehr lesen

Ungern in Ungarn

Budapest, Festnahme von Juden

Festnahme jüdischer Frauen im Oktober 1944 in Budapest, Quelle: Wikipedia

Der Leiter der Budapester Holocaust-Gedenkstätte, Laszlo Harsanyi, ist auf Druck der Fidesz-Regierung entlassen worden. „Grund“ ist ein fadenscheiniger Bilderstreit, tatsächlich will die Fidesz-Regierung das faschistische Regime um Miklós Horthy in ein besseres Licht rücken (jW berichtete). Imre Kertész hatte den ungarischen Antisemitismus 1997 so beschrieben:

Die an einem Vaterkomplex leidende, sadomasochistisch perverse osteuropäische Kleinstaatenseele kann, wie es scheint, nicht ohne den großen Unterdrücker leben, auf den sie ihr historisches Missgeschick abwälzt, und nicht ohne Sündenbock der Minderheiten, an dem sie all den Hass und all das Ressentiment, das der tagtägliche Frust erzeugt, abreagiert. Wie soll einer, der permanent mit seiner spezifisch ungarischen Identität beschäftigt ist, ohne Antisemitismus zu einer Identität gelangen? Was aber ist das ungarische Spezifikum? Zugespitzt formuliert, lässt es sich nur durch negative Charakteristika bestimmen, deren einfachstes – redet man nicht um die Sache herum – so lautet: Ungarisch ist, was nicht jüdisch ist. Nun gut, was aber ist jüdisch? Das ist doch klar: was nicht ungarisch ist. Jude ist der, über den man in der Mehrzahl reden kann, der ist, wie die Juden im allgemeinen sind, dessen Kennzeichen sich in einem Kompendium zusammenfassen lassen wie die einer nicht allzu komplizierten Tierrasse (dabei denke ich natürlich an ein schädliches Tier, das – schiere Irreführung – ein seidiges Fell hat) usw.; und da „Jude“ im Ungarischen zum Schimpfwort geworden ist, macht der als Kollaborateur ehrenhaft ergraute politische Redner und schnell gebackene Ungar einen Bogen um den heißen Brei und benutzt das Wort „Fremder“ – doch weiß jedermann, wer gegebenenfalls seiner Rechte beraubt, gebrandmarkt, geplündert und totgeschlagen wird.1

 

  1. zitiert nach dem Essay „Der Antisemitismus in Ungarn. Nur Polit – Folklore?“ von Magdalena Marsovszky []