Wem gehört die Stadt?

koelleÜber Öffentlichkeit, Teilhabe, Zugang, Freiräume in der Stadt ging es Mitte Mai in Köln bei einer überregional besetzten Podiumsdiskussion zum Thema “Kultur und Kommerzialisierung”. Zentrales Thema war die Rolle städtischer Bewegungen im Spannungsverhältnis zwischen politischem Anspruch und kultureller Instrumentalisierung durch die Stadtpolitik. Das Podium war mit Vertreter/innen von Kampagnen besetzt: Pyranha (Köln), Kölner Komment, Freiräume für Bewegung (Düsseldorf) und Ted Gaier von den Goldenen Zitronen (NION/ Hamburg) und spiegelte so in etwa den Zeitgeist zeitgenössischer, städtischer Bewegungen für (Frei)Räume in Deutschland. Mehr lesen

Keine Illusionen, was Verstaatlichung angeht

Mal wieder gelesen: J. Agnolis Beitrag zur Staatstheorie („Der Staat des Kapitals“). Agnoli wartete mitte der 1960er Jahre mit einer fulminanten, bis heute ergiebigen Kritik der demokratischen Institutionen („Transformation der Demokratie“) auf. Dem ließ er etwa 10 Jahre später eine Kritik der Staatsauffassungen sowohl der Bürgerlichen als auch der Stamokapler folgen. Im „Staat des Kapitals“ lotete er auch die Möglichkeiten eines linken und (vermeintlich) radikalen Reformismus aus und lieferte einen selbst heute noch über weite Strecken überzeugenden Beitrag zur staatstheoretischen Debatte. Zwar finden aus heutiger Sicht der Weltmarkt und die globalen Finanzmärkte zu wenig Berücksichtigung in Agnolis Argumentation. Aber auf keinen Fall macht Agnoli sich (und seinen Leser_innen) Illusionen, was die emanzipatorischen Potentiale von Verstaatlichung angeht:

Das besagt sicherlich nichts über mögliche, taktisch-strategische Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit partieller Verstaatlichungsmaßnahmen, etwa im kommunalen Bereich. Aber die politische Illusion und die strategische Globalhoffnung müssen ausgeräumt werden, Verstaatlichung im Kapitalismus (wahrscheinlich „Verstaatlichung“ überhaupt) ändere fundamental die Produktionsweise und damit auch die Klassenlage der Arbeiter einerseits, den Waren- und Tauschwertcharakter der produzierten Güter andererseits. Statt dessen stellt sich eher eine bedenkliche Seite ein, die mit dem politisch-ideologischen, allgemeinen Charakter des Staats zusammenhängt und die zur Vortäuschung einer der Allgemeinheit verpflichteten Eigenschaft des Betriebs führen kann und die Möglichkeit einer einheitlichen Kampffront bei Lohn- und gesellschaftspolitischen Konflikten beschneidet.

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Vivir Bien. Erfassung von Ressourcen für nicht-kapitalistische Lebens- und Produktionsweisen

krisuVivir Bien erfasst Initiativen und Strukturen, die abseits kapitalistischer Gewinnlogik existieren. Solche Initiativen und Strukturen heißen allgemein „Ressourcen“. Der Rahmen ist  breit gefasst. Aktivitäten mit verschiedenen theoretischen Hintergründen und Labels bekommen eine Plattform. Zwei Ansätze stehen im Zentrum von Vivir Bien: Solidarische Ökonomien und Commons. Mehr lesen

Neu: Das Argument 286 „Gesellschaftliche Planung und solidarische Ökonomie“

Vom Scheitern des europäischen Staatssozialismus, dem der Untergang sozialdemokratischer Gemeinwirtschaftsformen vorausgegangen war, fand sich das Denken gesellschaftlicher Alternativen lange Zeit wie gelähmt. Margret Thatchers schneidendes There is no alternative dominierte den Zeitgeist. Kriege und Krisen haben seither an dieser triumphalistischen Gewissheit genagt. Dass »eine andere Welt möglich« und »die Welt keine Ware« sei, wurde zum Ruf einer »Bewegung der Bewegungen« rund um den Erdball. Doch erst die von den USA ausgehende Große Krise, die zwar nicht für den Kapitalismus, aber doch für den neoliberalen »Fundamentalismus des Marktes das war, was für den Kommunismus der Fall der Berliner Mauer war« (Stiglitz), machte der traumatischen Lähmung ein Ende. Die von der wachsenden Armut obszön abstechenden Milliardeneinkommen von Hedgefonds- Managern haben das Ihre zu diesem Erwachen beigetragen. Seither wächst auf der Linken die Einsicht, dass Kapitalismuskritik und erst recht Antikapitalismus kraftlos bleiben, solange sie in Sachen Produktion, Reproduktion, Distribution der Lebensmittel (im weitesten Sinn) und der Entwicklungsmöglichkeiten keine realistischen Alternativen anzubieten haben. Die Frage nach Bedingungen und Möglichkeiten einer sozial allgemeindienlichen und ökologisch nachhaltigen Gestaltung der ökonomischen Beziehungen wurde wieder aktuell. Mehr lesen im Editorial (pdf) und Inhaltsverzeichnis (pdf)

Materialien zur Commons-Debatte

Mögliche Fragestellung:
Wie ist das Verhältnis »Commons und die Linke(n)« beschaffen?
Warum tun sich die Linke(n) schwer damit?
Warum hat das Thema mit der Aufhebung des Kapitalismus zu tun und ist dabei gleichzeitig realpolitisch anschlussfähig?
Wo liegen Fallen und Minen?
Wie ist das Verhältnis zum Diskurs über öffentliche Güter?

Hier nun die Liste der Artikel:

  • Wer drankommt, die einschlägigen Themenausgaben von CONTRASTE und ak als Papierausgaben.

Wer nicht drankommt, diese Online-Artikel:

Neues Buch: Reclaim the Budget. Staatsfinanzen reformien

Reclaim the BudgetDer »Donner der Weltgeschichte«, so Josef A. Schumpeter, sei nirgendwo so deutlich zu hören wie in der Finanzgeschichte. Das mag übertrieben sein, aber zweifellos stehen auch die öffentlichen Finanzen, heute immerhin 44 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts, im Zentrum sozialer und politischer Auseinandersetzungen. Dabei geht es um die Zukunft des Staates und das öffentliche Eigentum, eine gerechte Steuer- und Abgabenpolitik, die Bereitstellung öffentlicher Güter, die Staatsverschuldung oder um finanzpolitische Herausforderungen der demografischen Wende. Ausgehend von einer systematischen Darstellung und Kritik der Staatsfinanzen, der Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen mitsamt ihren Ziel-, Macht- und Entscheidungsstrukturen führt Jürgen Leibiger ein in die Grundrisse einer kritischen Finanzwissenschaft und in eine alternative, sozialökologischeFinanzpolitik, deren Motto auf demokratische Kontrolle abstellt und lautet: »Reclaim the Budget – Fordert die Budgethoheit«. Weiterlesen im Buch selbst, dem Unterkapitel „New Public Management, Privatisierung und Konkurrenzprinzip“ und dem gesamten Hauptkapitel „Das öffentliche Eigentum gestalten“.

Das Kommunale und das Dekoloniale

bee_swarm_smallLeider nur in englischer Sprache: Der Hinweis auf eine diskursive Falle, die der Metropolen-Linken droht, wenn sie auf die gegenwärtigen sozialen Bewegungen in Lateinamerika schaut und diesen dann ihr eigenes Konzept von den „Commons“ überstülpt. Weiter in englisch: In recent years, many on the left, including those in global social movements, have looked towards the ‘pink tide’ in Latin America as a new bastion of hope. We are talking of that wave of countries from Venezuela, Argentina and Brazil, to Bolivia, Ecuador and Nicaragua, whose recently elected, left-leaning governments have broken with the neoliberal policies of the ‘Washington Consensus’. But is there really an affinity between Latin American indigenous revolutionary visions or projects and those of ‘the left’? Walter Mignolo suggests that while indigenous concepts like ‘the communal’ may, superficially, seem very similar to the leftist notion of the commons, they have important differences. By overlooking these differences, or reading them from within leftist and European logics, we perpetuate forms of violence and coloniality that indigenous movements have been fighting against. Mehr lesen

Commons in Zeiten der Cholera

cover41_webBenni Bärmann in Arranca! 41 „Transformationsstrategien I“:

Das Potenzial von Commons Based Peer Production wird oft fälschlicherweise auf den Bereich immaterieller Güter beschränkt. Dafür gibt es keinen logischen Grund. Sind die Commons erst einmal ausgeweitet, kann sich darauf eine Gesellschaft, die auf Peer Production beruht, entwickeln. In diesem Prozess können dann sowohl staatliche als auch kooperatistische Aktivitäten Transformationswirkung entfalten. Zusätzlich hat eine commonsorientierte Strategie den Vorteil, dass sie auch für die Klügeren unter den Liberalen oder Konservativen Anknüpfungspunkte bietet. In einer Situation der hegemonialen Krise, in der auch Weltanschauungen mehr als üblich in Bewegung geraten, bietet das die Chance für breite und tragfähige Bündnisse in sozialen Bewegungen, ohne sich zu verbiegen.

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Geschenkökonomie: der wirklich freie Markt

Really really free marketLeider nur in englischer Sprache: der Hinweis auf den Aufbau eines „wirklich freien Marktes“, ausgehend von der Kritik am ideologischen Begriff des „freien Marktes“, wie ihn die Liberalen benutzen:

According to the capitalist lexicon, the “Free Market” is the economic system in which prices are determined by unrestricted competition between privately owned businesses. Any sensible person can recognize immediately that neither human beings nor resources are free in such a system; hence, a “Really Really Free Market” is a market that operates according to gift economics, in which nothing is for sale and the only rule is share and share alike. In the interest of not taxing the reader’s patience, a single apostrophe stands in for the two “Really”s throughout this text.

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„Gemeingüter sind Räume, in denen wir frei sind.“

7dc83f73a7Auf den ersten Blick haben Wasser und Wissen, Erbgut und Atmosphäre nichts gemeinsam. Was sie aber eint, ist, dass sie zum Nötigsten für ein menschliches Leben gehören. Doch sie gehen der Gesellschaft immer mehr verloren, weil sie privatisiert und der allgemeinen Verfügung entzogen, missbraucht oder unbezahlbar werden. Die Welt gehört nicht mehr allen, sie wird eingezäunt und kommerzialisiert – zu unserem Schaden. Davon zeugen die weltweiten Konflikte über die Trinkwasserversorgung, den Zugang zu neuen Technologien oder den Umgang mit Regenwäldern. Wir stehen an einem Scheidepunkt, an dem ein neuer Blick auf unsere gemeinsamen Besitztümer erforderlich ist. Das Buch von Silke Helfrich, Heinrich-Böll-Stiftung, mit dem Titel „Wem gehört die Welt? Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter“ will diesen neuen Blick ermöglichen. Es zeigt die Vielfalt unserer Gemeingüter – und welch’ ungeheures Potenzial in ihnen steckt. Es macht uns vertraut mit Dingen wie Creative Commons, Slow Food und der Wissensallmende. Und es skizziert durch praktische Beispiele den Weg, wie Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Demokratie durch Gemeingüter auf Dauer erhalten oder erreicht werden können.

Sabine Nuss über den Klimagipfel und Ostroms Nobelpreis

Nuss über Ostrom im akDie Frage, ob das Nobelpreiskomitee – wie ihm manchmal unterstellt wird – auch mit dieser Auszeichnung Symbolpolitik betreiben will, bleibt spekulativ. Zwei global einschneidende Ereignisse legen diesen Gedanken allerdings nahe: die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise und der UN-Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember. Dort soli über die Reduktion klimaschädlicher Gase verhandelt werden, um das „Umweltgut“ Klima zu schützen. Das wird mit aller Wahrscheinlichkeit scheitern, weshalb viele KommentatorInnen darauf verweisen, dass möglicherweise Ostroms Erkenntnisse
über den Umgang mit „Allmenderessourcen“ weiter helfen konnten. Mehr lesen

Zeitschrift „CONTRASTE“ entdeckt Commons wieder

»Commons« wurden historisch mit »Allmende« übersetzt und diese Übersetzung trug dazu bei, dass sich bei uns kaum noch jemand für das Schicksal der mittelalterlichen Viehweiden – und anderer Gemeingüter interessierte. Dass im Kapitalismus privater Reichtum mit öffentlicher Armut zusammen passt, war auch klar. Tatsächlich scheinen die verschmutzten Züge des öffentlichen Nahverkehrs und die liebevoll geputzten Privatautos die „Tragödie der Commons“ zu bestätigen: »Wat nix kost, is nix«. Auch jeder, der unter kapitalistischen Rahmenbedingungen ein bisschen Selbstorganisation versucht, kann Beispiele für kleine und große Gemeingüter-Tragödien erzählen. »Wat nix kost« wurde jedenfalls zur ebenso schlichten wie grobschlächtigen Definition von Gemeingütern. Was keinem privat gehört, gehört niemandem – und: was niemandem gehört wird von keinem gepflegt.
Dagegen betont die aktuelle commons-Debatte, dass die »Tragik der Allmende« nur dann gelte, wenn die gemeinsame Nutzung der Ressourcen keinen Regeln unterworfen ist. Aber commons (Gemeingüter) sind kein Niemandsland. Sie gehorchen durchaus Regeln, die nur anders sind als bei Markt und Staat. Mehr lesen

Der Aufstand der Armen!

aufstand-der-armenWarum erreichen soziale Bewegungen ihre Ziele manchmal und warum manchmal nicht? Wann erreichen sie mit welchen Mitteln welche Ziele? Wie können soziale Bewegungen im Kapitalismus über Anpassungen und Regulation hinaus ernsthafte systemische Veränderungen bewirken? Und inwiefern lassen sich auf der Basis bewegungsgeschichtlicher Beispiele systematische Aussagen zu diesen und weiteren Fragen treffen? Darum geht es in dem 1977 in den USA und erst 1986 in deutscher Sprache erschienenen Buch der beiden Soziologen Richard Cloward und Frances Fox Piven „Aufstand der Armen“ (engl.: Poor People’s Movements).
Das Buch erschien damals bei Suhrkamp mit einem ausführlichen Vorwort von Stephan Leibfried und Wolf-Dieter Narr mit dem Titel „Sozialer Protest und politische Form. Ein Plädoyer für Unruhe, Unordnung und Protest“. Es ist derzeit so vergriffen, dass es nicht einmal in den Internet-Antiquariaten erhältlich ist. Und Suhrkamp hat offensichtlich anderes zu tun als Bewegungs-Empowerment-Literatur neu aufzulegen. Daher gibt’s das Buch jetzt hier bis auf weiteres als Volltext zum Download.
Wer erstmal eine interessante Buchbesprechung lesen will, der oder die sei auf die Besprechung von Christian Frings im Labournet verwiesen, die beinahe Einführungscharakter hat.
Im der Monatzeitung „analyse&kritik“ konnte man vor einiger Zeit nachlesen, wie das scheinbar alte Buch sehr anregend sein kann auch für ganz aktuelle bewegungsstrategische Debattenbeiträge. Olaf Bernau von NoLager Bremen empfiehlt im ak Nr. 541 vom 21.8.2009 „Runter vom Beobachtungsturm“ und bedient sich zur Untermauerung seiner Thesen sehr ausführlich bei Piven und Cloward. Er kommt zu dem Ergebnis, so der Untertitel: „Die bewegungsorientierte Linke ist auf etwaige Krisenproteste unverändert schlecht vorbereitet“.

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