Hartz IV hatte Geburtstag. Es ist zehn Jahre alt geworden. Es gab Geschenke. Nicht für diejenigen, die davon ein schlechtes Leben führen, sondern für jene, die sich für dieses entwürdigende Maßnahmenpaket verantwortlich zeichnen und das Geld einstreichen.
Jan Ole Arps schreibt in analyse & kritik:
Seit den Hartz-Reformen der Regierung Schröder (SPD) boomt der Niedriglohnsektor. […] Auch die Leiharbeit ist in den vergangenen zehn Jahren stark gewachsen. Im Jahr 2003 waren knapp 300.000 Menschen in Deutschland als LeiharbeiterInnen beschäftigt, heute sind es gut 900.000 – oder drei Prozent der Erwerbstätigen. Dieses Wachstum ist ein direktes Ergebnis der Hartz-Reformen, die Beschränkungen für Leiharbeit gelockert haben.
Der Autor führt die unlängst aufgedeckten miserablen Arbeitsbedingungen bei Amazon als Beispiel an, um klar zu machen, wohin die Reise geht:
der verstärkte Einsatz von Leiharbeit und von ArbeiterInnen aus den krisengeschüttelten Ländern Europas. Man könnte auch sagen: Bei Amazon geben sich die rotgrüne Arbeitsmarktpolitik und die schwarzgelbe Krisenpolitik die Hand.
Im Mai 2011 wurde die EU Dienstleistungsfreiheit eingeführt.
Seitdem können Unternehmen und Selbstständige aus acht mittel- und osteuropäischen Ländern (und mit Einschränkungen aus Bulgarien und Rumänien) Leistungen in allen EU-Mitgliedstaaten anbieten – und ihre eigenen Beschäftigten mitbringen, die (mit einigen Einschränkungen) zu den Bedingungen des Herkunftslandes arbeiten.
Leiharbeit ist beliebt, weil sie unter den tariflich festgelegten Mindestlöhnen bezahlt werden kann. Arps schreibt, dass das unter anderem den unternehmensnahen christlichen Gewerkschaften zu verdanken ist, die die Niedriglöhne festlegten.
Als das Bundesarbeitsgericht dieser Praxis vor gut zwei Jahren einen Riegel vorschob, bedeutete das für viele Leihbeschäftigte nur eine minimale Verbesserung. Denn statt gleicher Bezahlung erhalten sie nun den etwas höheren, aber noch immer niedrigen Mindestlohn für Zeitarbeit […].
Um auch diese Regelung zu unterwandern, vergeben die Unternehmen verstärkt Werkverträgen statt Leihbarbeit.
Dass es auch anders geht, zeigt der IG Metall Abschluss im Bereich der Metall- und Elektroindustrie. Die Beschäftigten werden mit ihrer Arbeit insofern gewürdigt, dass sie eine Löhnerhöhung erhalten, die höchstwahrscheinlich etwas über dem Inflationsausgleich liegen wird. In der Regel steigt damit die Qualität der Arbeit, was für das Unternehmen Umsatz und Planungssicherheit garantiert. Eine Wirtschaftsflaute in der BRD aufgrund sinkender Exporte könnte so aufgrund der höheren Löhnne durch gesteigerten Inlandskonsum etwas abgefangen werden. Die Motivation erhöht sich für junge Leute in der Ausbildung, da sie nicht nur übernommen werden, sondern nun auch gleich schon eine höhere Ausbildungsvergütung erhalten.
Bei soviel Positivem läßt sich sicher immer auch ein Haar in der Suppe finden. Die Arbeiter*innen-klasse ist durch die verschiedenen für Unternehmenseite profitablen Arbeitsverhältnisse zergliedert, so dass immer nur einige von dem Tarifabschlüssen profitieren können. Vor dem Hintergrund des Negativbeispiels Amazon sei also die Frage erlaubt, warum die „Gast-“ und Leiharbeiter*innen sowie die Werkvertragsabhängigen nicht wenigstens ein Stück der Geburtstagstorte abbekommen? Das zu erkämpfen ist vielleicht der nächste Schritt.