Warum verrottet herrenloses Obst am Baum? Weil Mundraub wenig salonfähig ist. Jedes Jahr verderben herrliche Früchte an zigtausenden von herrenlosen oder vergessenen Obstbäumen an Landstraßen, in verlassenen Gärten oder auf Grundstücken von Menschen mit zu wenig Zeit zum Ernten. Oft handelt es sich dabei um sehr kostbare alte Sorten. Und das in unserer nächsten Umgebung. Einige Leute haben sich deshalb überlegt, wie diese kostbaren Ressourcen einer Nutzung zuzuführen wären. Die Initiative mundraub.org bietet eine Plattform, wilde oder herrenlose Obstbäume zum Abernten in der MundraubMap zu taggen, um sie anderen Menschen ins Bewusstsein zu bringen. Gratis, als Geschenk der Tagger_innen und als Geschenk der Natur.
Allerdings zeigt die Initiative wieder: Open access heißt auf keinen Fall automatisch Kapitalismus-Kritik (bzw. muss nicht heißen). Im konkreten Fall geht es lediglich darum, verwertungsfreie Nischen zu entdecken und das Wissen darüber zu kollektivieren, immerhin nach dem Motto: teilen statt tauschen. Ich bin gespannt, ob ich irgendwann von einer Geschäftsidee (Kommodifizierung) der auf der Karte eingetragenen Orte höre. Könnte ja wer draufkommen, die Stellen mit einem Karren voll billiger Pflückkräfte (Ein-Euro-Jobber?!) abzufahren und das Obst dann auf den Markt zu werfen. Dagegen helfen würde schon – mehr als nur der moralische Appell der Webseitenmacher_innen gegen Missbrauch -, wenn die Früchte an den Pflückstellen (immer noch privateigentums-immanent) wenigstens mit einer „Obst- und Gemüse-GPL“ gegen Kommodifizierung geschützt wären. Denn dann wäre der profitorientierte Abtransport der Früchte nicht nur unmoralisch, sondern illegal und materiell verfolgbar. Hätte zwar immer noch nicht so viel mit Kommunismus zu tun, verschaffte den Commonern aber ganze andere Möglichkeiten, die real-existierende, der Verwertung entzogene Nische zu verteidigen: Mit den juristischen Mitteln des Privateigentumsschutzes. Immer diese Widersprüche…
2 Responses to “www.mundraub.org”
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geduld: klar immer. ich lege ja auch nur die spur, auf der wir weiter suchend unterwegs sein könnten. tatsächlich ist es ja wirklich interessant: es gab tatsächlich schon gerichtsentscheidungen, die die geltung der gpl, die ja im zusammenhang mit software/linux entstanden ist, juristisch-praktisch bestätigten und unternehmen verboten, gpl-geschützte software-stücke in ihrer nicht offenen, kommerziellen software zu verbauen:
http://www.who-owns-the-world.org/2006/10/20/landgericht-verurteilt-gpl-verletzung/
spannend würde es dann, wenn es gelänge, diese logik auf die materielle welt zu überträgen, so wie das z.b. die leute von keimform.de tun – unter dem tag ‚transformation‘, soll heißen: transformation der gpl-ökonomie in die materielle welt:
http://www.keimform.de/tag/transformation/
Hallo Markus!
Ich bin Mitgründer der Plattform Mundraub und möchte gerne um mehr Gedult bitten.
Wir leben in einer unglaublich schnellen Zeit und jeder erwartet immer, dass eine perfekte Lösung „sofort“ und insbesondere über das Netz zur Verfügung gestellt wird.
Wir (kommt wohl von den Bäumen her) glauben eher daran, dass Dinge wachsen müssen und lassen uns auch daher mit der Plattform Zeit. Wir sind noch lange nicht am Ende, freuen uns über Kritik und entwickeln die Plattform mit Gemütlichkeit und viel Nachdenken langsam weiter.
Zum anderen ist die Lösung nicht das Netz, sondern das Engagement und die Kommunikation, die aus unserer Plattform erwachsen sollen.
Primär – so müssen wir zugeben – geht es uns gar nicht um das Netz, sondern eher, dass Menschen etwas zusammen machen, kommunizieren und wahrnehmen.
Mundraub ist keine politische Plattform. Wir haben Mut und möchten anstiften zu verändern. Über Gräben und Zäune hinweg und hoffentlich immer zu den Menschen hin.
Kirschgrüße,
mirco