PPG-Newsletter November/Dezember 2007

1. Krise der Privatisierung
2. Reichland
3. 3 Volksbegehren in Berlin
4. Konferenzbericht
5. Termine/Konferenzen
6. Neuerscheinungen

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1. Krise der Privatisierung
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Privatisierungspolitiken aktualisieren Fragen der Verteilung von Macht
und Reichtum. Es geht um Eigentumsverhältnisse. Angesichts der sozialen
Verheerungen der Privatisierungspolitiken – Ausdünnung öffentlicher
Beschäftigung, Umwandlung von regulären in prekäre Arbeitsverhältnisse,
Verteuerung notwendiger ehemals erschwinglicher öffentlicher
Dienstleistungen, Einschränkung sozialer Rechte und demokratischer
Entscheidungsmöglichkeiten – als Preis für z.T. bessere und
‚effizientere‘ Leistungen für die, die es sich leisten können, wird
aber der Ruf nach Schutz vor intensivierter Konkurrenz, nach
Regulierung, staatlicher Kontrolle laut. Insbesondere der Ausverkauf
des Öffentlichen stößt mittlerweile auf wachsenden Protest. Nicht nur
für die traditionelle Linke, auch für Konservative überall in Europa
wird statt der Freiheit privater Eigentümer der „Staat wieder chic“.
Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung befürwortet bei Gesundheit,
Bildung, Energie, Wohnen, Wasser und Transport öffentliches Eigentum.

Es gibt also eine veritable Legitimationskrise der Privatisierung.
Immer wieder kommt es zum Scheitern von Privatisierungsprozessen – zur
Zeit am Beispiel der Bahnprivatisierung zu verfolgen. Dennoch werden
die nächsten Runden der Privatisierung bereits vorbereitet. Umso
wichtiger ist die Entwicklung von Ansätzen von Alternativen zur
Privatisierung: die Stichworte sind De-Privatisierung und Rückkehr des
Öffentlichen. Aber wie geht das? Was tun nach erfolgreicher
Deprivatisierung? Welche Möglichkeiten und Probleme stellen sich?

Themen:
• Legitimationskrisen der Privatisierung
• Failed privatisations (gescheiterte Privatisierungen)
• Deprivatisation – die Rückkehr des Öffentlichen

Dazu wird die 5. jahrestagung des ppg-netzwerks (privatisation-public
goods) stattfinden
http://www.who-owns-the-world.org/wp/2007/11/05/jahrestagung07/
(siehe Termine, weiter unten)

Siehe auch das Interview »Privatisierung ist in einer
Legitimationskrise« in der Tageszeitung ‘junge Welt’. Rainer Rilling
vertritt angesichts der Debatte um den Verkauf der Bahn die These von
einer veränderten gesellschaftlichen Stimmung.
http://www.jungewelt.de/2007/11-19/013.php

Auch die aktuelle Ausgabe der Hauszeitschrift der
Rosaluxemburg-Stiftung “Rosalux” widmet sich dem Schwerpunktthema
“Krise der Privatisierung”.
http://www.who-owns-the-world.org/wp/2007/11/06/privatisierungskrise/

Oder etwas ausführlicher das neue Standpunktepapier von Dieter Klein:
Das Eigentum – Alternativen zur Privatisierung
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=14540

Politisch spitzt sich die Krise der Privatisierung in der neuen
„Dachkampagne gegen Privatisierung“ der Partei Die Linke. zu.
http://www.die-linke.de/index.php?id=1234
Details:
http://die-linke.de/partei/organe/parteivorstand/parteivorstand_20072008/beschluesse/dachkampagne_gegen_privatisierung/wozu_diese_dachkampagne/

In Zukunft noch mehr zum Thema unter dem Tag (das ist englisch für
„Etikett, Marke, Schildchen“) „Privatisierungskrise“ im ppg-Blog:
http://www.who-owns-the-world.org/wp/index.php?tag=privatisierungskrise&langswitch_lang=de

2. Reichland
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Wenn die mit Abstand reichste Stiftung der Welt – die Bill & Melinda
Gates Stiftung – dem „Boston College Center on Wealth and Philanthropy“
600 000 $ zur Verfügung stellt, um eine „Studie über die Freuden und
Zwiespältigkeiten des Reichtums“ durchzuführen; zu diesem Zweck
„ultrareiche Haushalte“ mit mindestens 25 Mio $ befragt werden sollen;
an dieser Untersuchung aber nicht jeder und auch nicht jeder Reiche
teilnehmen kann, sondern nur auf vorherige Einladung – dann wird
deutlich wie unübersichtlich die Landschaft des Reichtums geworden ist.
Sie ist riesig, wächst stündlich, ist krass hierarchisch geordnet,
global verteilt und die Bewohner von Reichland wissen sich zu wehren.
Sie ist keine Parallelgesellschaft, sondern immer noch und immer neu
eine eigene, unvergleichliche terra incognita, die seit drei
Jahrzehnten wächst wie nie zuvor, statt zu schrumpfen. Ständig kommen
neue Ländereien und ganze Kontinente hinzu, jüngst das russische und
chinesische Reichland. Vermögen macht ihre Differenz, Kapital ist ihr
Gesetz, Macht ihr Elixier. Wohl noch einige Zeit bestimmen die
Einwohner Reichlands die Antwort auf die Frage unseres Blogs: „Wem
gehört die Welt?“ Wer sie nicht kennt – ihre Orte, Waffen, Ziele,
Träume und ihre Dissidenten und Spaltungen, der bleibt ohnmächtig. Also
betrachten wir hier auch Reichland – einen fremden Kontinent, der immer
mehr aus dem Blick gerät und täglich präsenter wird.

vgl. ganz aktuell: Hans Jürgen Krysmanski: Geldmacht. Strukturen und
Akteure des Reichtums; in Giovanni Arrighi u.a. (Hg.): „Kapitalismus
Reloaded“. Kontroversen zu Imperialismus, Empire und Hegemonie, Hamburg
(VSA) 2007.
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=14512

Und Kontinuierlich mehr unter dem Tag „Reichland“ im ppg-Blog:
http://www.who-owns-the-world.org/wp/index.php?tag=reichland&langswitch_lang=de

3. 3 Volksbegehren in Berlin
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Seit Mitte 2007 finden in Berlin drei parallele Volksbegehren gegen
Privatisierung statt. Die Volksbegehren befassen sich mit den Themen
„Berliner Sparkasse“, „Berliner Wasserbetriebe“ und „Berliner
Hochschulgesetz“.

Durch eine Novellierung des Berliner Sparkassengesetzes sollen dem
Deutschen Sparkassen- und Giroverband als Käufer der Sparkasse soziale
Auflagen gemacht werden. Neben dem gesetzlichen Anspruch auf ein
„Girokonto für alle“ – kostenfrei für Arme – soll das Regionalprinzip
gestärkt und somit die Geschäftstätigkeit der Sparkasse auf das Land
Berlin beschränkt werden. Zur Sicherung von Transparenz und Kontrolle
soll ein Verwaltungsrat mit weitgehenden Mitbestimmungsrechten
installiert werden.

Das Volksbegehren zu den Berliner Wasserbetrieben hat eine allgemeine
Veröffentlichungspflicht aller Verträge im Bereich der Berliner
Wasserwirtschaft zum Ziel. Hiermit sollen die rechtlichen
Voraussetzungen für eine kostengünstige Aufhebung der
Teilprivatisierung der Wasserbetriebe geschaffen werden.

Das Volksbegehren zum Berliner Hochschulgesetz will zum einen
Studiengebühren und Studienkonten verhindern und zum anderen den freien
Zugang zum Master-Studium für alle Studierenden durchsetzen. Weiterhin
sollen die studentischen Mitbestimmungsrechte an den Universitäten
gestärkt werden.

Unterstützt werden die Volksbegehren von der Bewegungsstiftung, der
BASG, der Berliner MieterGemeinschaft, attac Berlin, DKP-Berlin, der
GRÜNEN LIGA e.V., dem Ökowerk, Der Initiative Zukunft Bethanien, dem
Donnerstagskreis der Berliner SPD, der Initiative Berliner
Bankenskandal, dem Berliner Wassertisch und dem Bündnis für Solidarität
und freie Bildung u.a..

Mehr Informationen: http://www.unverkaeuflich.org

4. Konferenzbericht „Öffentlich! Weil’s wichtig für alle ist.“
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Auf ihren Parteitagen Ende April 2006 haben die WASG in Ludwigshafen
und die Linkspartei.PDS in Halle beschlossen, eine bundesweite Kampagne
gegen den Privatisierungswahn, gegen den Verkauf öffentlicher
Unternehmen und die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge
vorzubereiten. Am 9. und 10. November hat in Hannover eine Konferenz
mit mehr als 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zum Themenfeld
stattgefunden.

Übergreifendes Thema war die Bedeutung öffentlicher Unternehmen für die
kommunale Daseinsvorsorge und für die demokratische Erneuerung. Im
Mittelpunkt der Konferenz standen verschiedene Workshops, die sich mit
der Rolle öffentlicher Unternehmen, freigemeinnütziger Unternehmen
(Non-Profit-Unternehmen) und Genossenschaften für die Entwicklung der
kommunalen Daseinsvorsorge, die Versorgung mit den Grundgütern des
Lebens wie Energie, Wasser, Bildung, Gesundheit usw. beschäftigten.

Festgestellt wurde, dass es für eine Fortsetzung der Privatisierungen
in diesem Bereich keine Mehrheit in der Bevölkerung gibt. Nicht nur
die LINKE stellt sich gegen die neoliberale Privatisierungs-Strategie;
auch in den anderen Parteien wächst eine Mehrheit gegen den Ausverkauf
öffentlichen Eigentums heran. Die Ablehnung des Börsengangs der Bahn
ist hierfür ein deutliches Zeichen.

Auf der Konferenz wurde auch deutlich, dass ein großes Interesse an
Strategien zur Rekommunalisierung privatisierter, ehemals öffentlicher
Unternehmen besteht. Insbesondere in der Abfallwirtschaft haben in den
vergangenen drei Jahren solche Rekommunalisierungen erfolgreich
stattgefunden; in Ost (Landkreis Uckermark) wie West (Bergkamen), und
zwar auch unabhängig von den politischen Mehrheiten.

Die Rekommunalisierung brachte Vorteile für die kommunalen Haushalte,
für die Beschäftigten und für Bürgerinnen und Bürger. Und sie war gut
für die kommunale Demokratie, denn mit der Rekommunalisierung kann der
Gültigkeitsbereich des EU-Wettbewerbsrecht zurückgedrängt werden. An
Stelle der Vorherrschaft des billigsten Angebots mit der höchsten
Profiterwartung können wieder Gesichtspunkte der Versorgungssicherheit
und -qualität, der kommunalwirtschaftlichen Gesamtbelange und des
Gemeinwesens Berücksichtigung finden. Es gibt wieder etwas zu gestalten
durch demokratische Entscheidungen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Konferenz war, dass die LINKE nicht
nur die Privatisierungspläne ablehnen und verhindern kann, sondern sich
auch stärker dafür einsetzen muss, dass die öffentlichen Unternehmen
und Dienste unter demokratischer Kontrolle, transparent und
bürgerorientiert, effizient und wirtschaftlich arbeiten ohne auf
Profitmaximierung getrimmt zu sein, vor allem aber, dass durch die
demokratischen Gremien die Unternehmensziele vorgegeben und ihre
Erreichung kontrolliert wird. Ohne wirksames Beteilungsmanagement
vergibt sich eine Kommune enorme demokratische
Gestaltungsmöglichkeiten. Hierfür müssen auch die kommunalen
Parlamentarier der LINKEN besser qualifiziert werden.

Auf besonderes Interesse stießen bei den Teilnehmern die beiden
Eingangsvorträge. Ulrich Petschow vom Institut für ökologisches
Wirtschaften stellte am Bespiel des Einzelhandels (im Landkreis
Bitburg) dar, wie die Vorherrschaft der Marktgesetze in Verbindung mit
der Konzentration im Einzelhandel zur Austrocknung elementarer
Infrastruktur im ländlichen Raum führt. Und Asbjörn Wahl (Norwegen),
Gewerkschafter und Koordinator der norwegischen „Initiative für den
Wohlfahrtsstaat“, berichtete, wie es in den vergangenen Jahren in
Norwegen gelungen ist, den Trend zu immer mehr Privatisierungen zu
stoppen und umzukehren. Entscheidend hierfür war, dass es der stark von
Gewerkschaften unterstützten und auf breite Bündnisse angelegten
Initiative gelungen ist, der Positionen und Wünschen der Bevölkerung in
den Kommunen einen politischen Ausdruck zu verschaffen, so dass
Parteien, die sich gegen Privatisierungen aussprachen, eine politische
Mehrheit bilden konnten – auf kommunaler wie nationaler Ebene.

Hier werden seit kurzem die Konferenzergebnisse veröffentlicht:
http://die-linke.de/politik/themen/oeffentlich/die_ergebnisse_der_konferenz/

5. Termine/Konferenzen
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Montag, 26. November, um 19:00 Uhr
Börsengang der Deutschen Bahn vor dem Aus?
Grüner Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Berlin-Mitte
(U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz) Diskussion mit Michael Gehrmann
(Vorsitzender des VCD, Verkehrsclub Deutschland), Hans-Gerd Öfinger
(Bahn von unten), Martin Stuber (DGB), Lutz Heilmann (MdB DIE LINKE.)
und Dorothée Menzner (MdB DIE LINKE.)
***
Dienstag, 27. November, 18:00 Uhr
„Öffentlich, weils wichtig für alle ist: Die Bahn unterm Hammer“
Thüringer Landtag, Besucherraum, Jürgen-Fuchs-Straße 1, 99096 Erfurt
***
Eine Abwandlung unserer namensgebenden Frage liegt bei dem derzeitigen
Sauwetter nahe: „Wem gehört das Klima?“ Unter dieser Frage könnte der
Workshop der rls stehen: „Der Klimawandel: Politische Maßnahmen im
Kontext sozialer Gerechtigkeit“. Er hat sich Information und
Erarbeitung eines kritischen linken Blinkwinkels auf die aktuelle
Klimafolgen-Debatte zum Ziel gesetzt.
1. Dezember 10:00 bis 2. Dezember 17:00
Rosa-Luxemburg-Stiftung, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, mehr:
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=14498
***
„Akkumulation durch Enteignung“
Von Rosa Luxemburg bis David Harvey
1O. Dezember
19.30 UHR – 21.30 UHR
mehr unter: http://www.das-kapital-lesen.de/
***
Krise der Privatisierung – 5. jahrestagung des ppg-netzwerks
(privatisation-public goods)
berlin, 14. Dezember, 13.30-19.30
rosa luxemburg stiftung
franz-mehring-platz 1
10243 berlin
alter konferenzsaal, 1. etg.
mit: Jane Lethbridge (London); Juan Carlos Alurralde (La Paz/Bolivien);
Eric Swyngedouw (Manchester); Werner Rügemer (Köln); Werner Raza
(Wien); Tim Engartner (Köln); Christina Deckwirth (Marburg); Benedict
Ugarte Chacón, Philipp Terhorst, Andrej Holm, Rainer Rilling (alle
Berlin).
Weitere Informationen / Further Information:
http://www.who-owns-the-world.org/wp/2007/11/05/jahrestagung07/
***

Immer die aktuellsten Termine beim Tag „Termine“ im ppg-Blog:
http://www.who-owns-the-world.org/wp/index.php?tag=termine&langswitch_lang=de

6. Neuerscheinungen
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„ABC der Alternativen“ – Sichtbarkeit, Denkbarkeit – ganz im Sinne von
»Eine andere Welt ist möglich«- von umfassenden gesellschaftlichen
Vorstellungen (inklusive verschiedener –Ismen) bis hin zu
bereichsspezifischen, alltäglichen und teilweise sehr konkreten Praxen.
Mit den einschlägigen Stichworten „Wissensallmende, Open Source,
Gemeinwirtschaftliche Güter, Öffentliches Eigentum, Umverteilung“,
mehr:
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=14499
***
„Kapitalismus Reloaded“, der Tagungsband, einschlägig: Hans Jürgen
Krysmanski: Geldmacht. Strukturen und Akteure des Reichtums (S. 126ff),
mehr:
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=14512

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With best regards
Dieter Klein: klein-at-rosalux.de
Rainer Rilling: rilling-at-rosalux.de
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Markus Euskirchen: m-at-euse.de
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