Privatisierung mit Folgen: Tausende landeseigene Wohnungen sind noch zu verkaufen – fuer Mieter ist das nicht immer gut

Helga Loesch hat Angst um ihr Zuhause. Seit 27 Jahren wohnt die 73-Jährige mit ihrem Mann an der Argentinischen Allee in Zehlendorf. Bald soll sie 79 Euro mehr Miete im Monat zahlen. „Wenn dann noch Mieterhöhungen dazukommen, wird das unbezahlbar“, fürchtet ihr Mann Jürgen. Schließlich seien es schon jetzt fast 1 000 Euro mehr, die sie im Jahr zahlen müssen. Grund für die Steigerung der Kaltmiete von 4,10 auf 5,58 Euro pro Quadratmeter sind Modernisierungen, die das US-Unternehmen Oaktree, der neue Eigentümer der ehemals landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gehag, auch gegen den Willen der Mieter durchsetzen will.
„Daran zeigt sich deutlich, welche negativen Konsequenzen eine Privatisierung für Mieter hat“, erklärt Hartmann Vetter, Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins. Aber trotz dieser Erfahrungen bei der Gehag werden auch andere Gesellschaften weiter Wohnungen verkaufen. So will sich die finanziell angeschlagene Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) von 8 000 bis 10 000 Wohnungen trennen. Die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land plant den Verkauf von 1 800 Wohnungen in der High-Deck-Siedlung in Neukölln, die Gesobau möchte 2 500 Wohnungen im Märkischen Viertel loswerden. Erst vor Jahresfrist hatte die zur Degewo-Gruppe gehörende Wohnungsbaugesellschaft Marzahn 3 858 Wohnungen an einen holländischen Investor verkauft.
Die SPD-Fraktion will diesen Ausverkauf nun stoppen – sie hat den Senat aufgefordert, dass die landeseigenen Unternehmen keine weiteren Wohnungen verkaufen sollen, es sei denn, es ist – wie bei der WBM – fürs finanzielle Überleben nötig. Außerdem forderte die Fraktion ein Gesamtkonzept für den weiteren Umgang mit den sechs großen landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die zurzeit etwa 275 000 Wohnungen besitzen. Ob die SPD die geplanten Verkäufe von Gesobau und Stadt und Land stoppen kann, ist zweifelhaft. Denn in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung glaubt man nicht, dass diese Gesellschaften auf das Geschäft verzichten. Die Wohnungen sollen verkauft werden, weil die Sanierungskosten für die teils 30 bis 40 Jahre alten Häuser zu hoch wären. Viel mehr soll aber nicht verkauft werden. Ziel sei es, 250 000 bis 260 000 Wohnungen im Landesbesitz zu sichern, damit man sozial schwache Mieter versorgen kann.
Der SPD-Bauexperte Jürgen Radebold sagte der Berliner Zeitung, eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Finanzverwaltung und der Stadtentwicklungsverwaltung solle in den nächsten zwei Monaten ein Konzept für den Umgang mit den Wohnungsbaugesellschaften erarbeiten. Ob sich die Gruppe mit der Frage beschäftigt, ob das Land weitere Wohnungsbaugesellschaften verkauft, ist aber nicht sicher. Kurz vor den Wahlen im September dürften alle Beteiligten ein solches Thema vermeiden wollen, um Mieter nicht zu beunruhigen. Investoren hoffen bereits auf den Verkauf der Gesobau im Jahr 2007. Offiziell bestätigt das freilich niemand. Für diese Legislaturperiode gilt die Aussage der Koalition, es werde keine weitere Wohnungsbaugesellschaft verkauft.
Dass Verkäufe an Investoren nicht automatisch zu Problemen führen müssen, zeigt das Beispiel Lone-Star-Funds. Die US-Gesellschaft und ihr Tochterunternehmen, die Wohnpark Verwaltungs- und Betreuungsgesellschaft (WVB), haben seit Dezember 2000 5 500 Wohnungen in Hellersdorf gekauft und saniert. Dabei sei „durchaus auf die Interessen der Mieter Rücksicht genommen worden“, sagt Vetter. Nicht aus Nächstenliebe, sondern weil es in Hellersdorf ein Überangebot an Wohnungen gibt. Mehr als die ortsübliche Miete sei nicht drin, sagt WVB-Geschäftsführer Rainer Uhde. Eine sanierte 63 Quadratmeter große Wohnung kostet bei der WVB heute 456 Euro warm.
Die WVB umwirbt ihre Mieter: In ihren vier Wohnparks gibt es Beratungsstellen, einen Sicherheitsdienst, und bei Mietrückständen wird eine Finanzberatung angeboten. Zudem lockt sie mit Angeboten: Wer zum Beispiel nach dem 16. Februar einzieht, darf bis Ostern mietfrei wohnen.
Ganz anders als in Hellersdorf ist Wohnraum in Zehlendorf sehr begehrt. Hier braucht es keine Sonderaktionen, um zahlungskräftigere Mieter zu finden, wenn sich die alten eine Modernisierung nicht leisten können. Viele Mieter an der Argentinischen Allee sind alleinstehende Rentner. „Sie werden gehen müssen, weil ihnen die Wohnungen zu teuer werden, in denen sie seit Jahrzehnten leben“, fürchtet Barbara Boroviczény. Sie hat eine Initiative gegründet. Gemeinsam mit anderen Mietern will sie sich gegen die Modernisierung wehren. Denn die Mieter, die mit der Modernisierung nicht einverstanden waren, wurden im November 2005 auf Zustimmung verklagt – derzeit laufen die ersten Gerichtsverfahren.
Von Iris Brennberger, Ulrich Paul und Sarah Schelp
Quelle: Berliner Zeitung, 30. Januar 2006, http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/521944.html

2 Responses to “Privatisierung mit Folgen: Tausende landeseigene Wohnungen sind noch zu verkaufen – fuer Mieter ist das nicht immer gut”

  1. Andreas,

    ja die heisen heute wohl wvb-centuria und gehören den ggr wohnparks gmbh.

    wie es aussieht sind die wohl knapp bei kasse. es sollten angeblich 2-3 wohnblocks modernisiert werden. jedoch haben die den ersten etwa zu 66% fertig und die bauarbeiten pausieren schon seit fast 1 jahr. mit dem gerüst davor sieht das haus ja wirklich modern aus.
    fast jede wohnung weist mängel auf. hierdurch mindere ich meine miete mit anwaltlicher hilfe schon seit etwa 1 jahr. auf briefe reagieren die nicht, auch nicht auf anwaltliche briefe. stattdessen läuft ein inkasso-typ die wohnungen durch und sammelt angebliche mietrückstände.
    wenn die immer klagen, frage ich mich nur, wann die meinen mietrückstand einklagen. 🙂 wie hoch dieser noch werden soll, bis die klage erhoben wird.
    aber einfach nachgeben ist nicht! 🙂

  2. Marco Midtelstorf,

    Wer sich der WVB Wohnpark, heute WVB Centuria, entgegenstellt, der wird verklagt. Wer versucht klarheit zu schaffen und versucht die Verbraucher zu schützen wird verklagt und somit mundtot gemacht. Auch ich habe diese Erfahrung gemacht. Die WVB Wohnpark klagt mit viel Druck und bleibt immer Aktiv. Es ist kein entgegenkommen zu erwarten, sie müssen immer die Gewinner sein. Vor dem Gericht haben sie immer gewonnen, doch den Domain http://www.wvb-wohnpark.de haben sie dadurch verloren. Ich war Inhaber diese Domain und sie wollten eine verzichtserlärung erwirken weil ich für diesen Domain eine Spende für Obdachlose forderte. Sie wollten aber nichts bezahlen. Ich habe den Domain gelöscht und ein anderer hat sich den Domain gesichert. So verlor die WVB Wohnpark den Domain http://www.wvb-wohnpark.de Nich immer sind diese die Sieger !

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