Wenn der Investor klingelt

Aus der Traum vom humanen Wohnen für alle. Mit dem Verkauf von Millionen Sozialwohnungen an internationale Fonds verraten deutsche Städte ein Jahrhundertwerk
(…) Den Verkauf der Aachener Wohnungsgesellschaft GeWoGe hat die Aufsichtsbehörde, der Kölner Regierungspräsident, genau aus diesem Grund untersagt: Die Veräußerung verstoße gegen die Gemeindeordnung. Die GeWoGe habe die Aufgabe, »breite Schichten der Bevölkerung« mit preiswertem Wohnraum zu versorgen – dieser Verpflichtung könnte Aachen ohne die GeWoGe nicht mehr nachkommen. Die Verpflichtung steht in nahezu allen Gemeindeordnungen. Aufsichtsbehörden könnten, indem sie sich darauf berufen, Wohnungsverkäufe fast immer untersagen. Dass sie es nicht tun, liegt nach Ansicht des Mieterbunds daran, dass die Verkäufe politisch gewollt sind.
(…)
Am heftigsten wird der Streit innerhalb der Dresdner PDS ausgetragen. Die Hälfte ihrer Stadtratsfraktion stimmte mit der CDU für den Verkauf und verhalf dem Beschluss damit zur Mehrheit. Die andere Hälfte ist, wie die Parteibasis, gegen den Verkauf. Durchgesetzt haben sich, wie so oft, wenn die PDS Macht übernimmt, die Pragmatiker. Ihnen geraten die Bedürfnisse der so genannten kleinen Leute, als deren wahrer Anwalt sich die PDS gern geriert, schnell aus dem Blick. Auch in Berlin war es so. Dort verkaufte die PDS mit ihrem Koalitionspartner SPD im Jahr 2004 die mit 70000 Wohnungen größte Wohnungsgesellschaft der Stadt, die GSW. 405 Millionen Euro zahlten Cerberus und Whitehall, eine Fondsgesellschaft der Investmentbank Goldman Sachs, dafür; außerdem übernahmen sie die Schulden von 1,7 Milliarden Euro. Schon in den Jahren zuvor verkaufte Berlin immer wieder einzelne Wohnungen, mal 18400, mal 7250, mal 14000. (…)
Zum vollen Artikel (DIE ZEIT 05.01.2006 Nr.2)

Warnung vor Privatisierung des Hamburger Hafens

Zuwachsraten von jährlich 15 Prozent beim Containerumschlag erfordern nach Ansicht des Geschäftsführers der Hamburg Port Authority (HPA), Hans Peter Dücker, große Anstrengungen von Hamburg. Eine Aufgabe, die die HPA jetzt als unternehmerisch organisierte Anstalt öffentlichen Rechts besser als eine Behörde bewältigen könne, sagte Dücker gestern abend bei einer Diskussionsveranstaltung des Industrieverbandes Hamburg, zu der Rainer Lagoni (Institut für Seerecht), Wolfgang Weber (Verkehrsministerium Niedersachsen), Ulf C. Göttes (Hafenblick) und Karl Günther Barth (stellvertretender Chefredakteur Hamburger Abendblatt) gekommen waren.
Seit Oktober 2005 ist das frühere Amt für Strom- und Hafenbau keine Behörde mehr und firmiert jetzt als HPA. Anlaß für den Industrieverband, mit Medien und Wirtschaftsvertretern über die ersten 100 Tage zu diskutieren. „Uns ist der Sprung aus dem Behördenapparat gut gelungen“, sagte Dücker.
Während einige kritisierten, daß es keine Privatisierung gegeben habe, warnte Rainer Lagoni vor einer rein privaten Hafeninfrastruktur. Dann würden große internationale Gesellschaften sich einkaufen und den Hafen dominieren. Zudem mußten die Beamten des früheren Amtes für Strom- und Hafenbau untergebracht werden. Wichtig sei nun aber, daß die Politik „die Zügel aus der Hand“ gibt, damit die HPA in Zukunft wirtschaftlich arbeiten kann.

Hamburger Abendblatt vom 12. Januar 2006

Reaktionen auf die Privatisierung der Post in Oesterreich

Der Standard (12.01.2006) berichtet: „Wien – Die Wiener Börse begrüßt die heutige Ministerratsentscheidung, bis zu 49 Prozent der österreichischen Post AG an die Wiener Börse zu bringen. „Die Post ist jedenfalls börsereif, und das Marktumfeld ist perfekt. Ich bin daher überzeugt, dass sich der Börsegang der Post AG als Dreifacherfolg erweisen wird“, teilte Börsevorstandsmitglied Stefan Zapotocky am Donnerstag mit. Sieger seien neben der Post AG selbst, die auf Grund ihres Börseganges vor allem auch im Ausland an Image und Bekanntheit gewinnen werde und den Kapitalmarkt für weiteres Unternehmenswachstum nützen könne, die Anleger und die Wiener Börse, so Zapotocky, der sich noch im ersten Halbjahr 2006 mit einem eigenen Unternehmen selbstständig machen will. „Die Post-Aktie wird eine attraktive Aktie und jeder Post-Mitarbeiter und jeder Österreicher kann als Miteigentümer an der Entwicklung des Unternehmens teilhaben“, ist Börse-Vorstand Michael Buhl überzeugt. Die Post sei auch eine Bereicherung für den Kurszettel der Wiener Börse, indem sie noch mehr Aufmerksamkeit bei nationalen und internationalen Investoren schaffe und damit die Liquidität des heimischen Kapitalmarktes weiter verstärken werde.Der Vorstand der Wiener Börse ist auch vom Erfolg der Post AG im künftigen Börse-Alltag überzeugt, zumal alle bisherigen ÖIAG-Verkäufe „Success-Stories“ seien: So habe sich z.B. der Kurs der Telekom-Austria Aktie seit der Privatisierung im November 2000 mehr als verdoppelt, der Kurs der Böhler-Uddeholm Aktie sei seit der letzten Teilprivatisierung im November 2003 um mehr als 150 Prozent auf derzeit rund 156 Euro gestiegen und die seinerzeit umstrittene Voest-Privatisierung habe sich als gewinnbringend herausgestellt. (APA)
In der Wiener Zeitung ist zu lesen: „SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer lehnt die Postprivatisierung der österreichischen Regierung ab und hält sie für ein Zeichen einer falschen Wirtschaftspolitik. Die Regierung, so Gusenbauer, müsse die Entwicklung der Liberalisierung des Postmarkts abwarten. Helmut Kukacka (ÖVP) sprach hingegen davon, dass die Post die „Börsenreife“ erlangt habe. Der SP-Vorsitzende erklärte, die Regierung verkaufe die Post gegen den Widerstand der Belegschaft, kein Euro des Erlöses bleibe im Unternehmen, der gesamte Verkaufserlös werde verwendet, „um die Budgetlöcher des Finanzministers zu stopfen“, kritisierte Gusenbauer, der betonte: „Dafür ist die österreichische Post zu schade.“Das Argument von Finanzminister Grasser, dass durch den Börsegang die Post „gestärkt“ werde, sei falsch. Im Gegenteil werde so der Grundstein gelegt für eine weitere Schließungswelle, für weiteren Mitarbeiterabbau und letztlich für eine Übernahme der österreichischen Post. „Wenn das so über die Bühne geht, wird es eine rot-weiß-rote Post nicht mehr geben“, warnte Gusenbauer. Gusenbauer erinnerte daran, dass die ÖVP die Post schon vor einigen Jahren an die deutsche Post verkaufen wollte. Die SPÖ ist dagegen aufgetreten mit dem Argument, man müsse der Post die Gelegenheit geben, sich zu entwickeln. Heute schreibe die Post ganz erhebliche Gewinne. Für Richard Schenz, den Regierungsbeauftragten für den Kapitalmarkt, erfolgt der geplante Börsegang der Post im Juni zum richtigen Zeitpunkt. „Der ATX steht auf 3.800 Punkten, auf was wollen wir noch warten?“, meinte er am Donnerstag vor Journalisten in Wien. Der heute vom Ministerrat beschlossene Post-Börsegang bringe für das Unternehmen und den Vorstand „nur Vorteile“, so Schenz: Die Manager könnten künftig mit Verweis auf die Interessen der Privataktionäre viel freier agieren als im Staatseigentum. „Wir werden sehen, dass die Post viel wirtschaftlicher agieren wird als heute“, meinte Schenz. Das zeige die Erfahrung bei bisherigen Privatisierungen, wo zum Teil dieselben Manager ganz andere Entscheidungen getroffen hätten. Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka (ÖVP) begrüßt den Zeitpunkt für den Börsegang der Post. Der Finanzminister habe für diesen Schritt „einen guten Zeitpunkt gewählt“. Die Post habe ihre Börsenreife erlangt, wie auch ein Goldman Sachs-Gutachten bestätige. Es wäre deshalb „unlogisch, auf einen späteren Zeitpunkt zu warten“, teilte Kukacka am Donnerstag mit. Der Argumentation Gusenbauers folgte hingegen die Arbeiterkammer. Die Post selbst habe nichts von den Privatisierungsplänen, kritisierte die AK. Sie sehe vom Privatisierungserlös keinen einzigen Cent, das Geld fließe vielmehr in den Säckel des Finanzministers. Damit sei die Post weder flexibler noch könne sie irgendwelche zukünftigen Expansionspläne realisieren. „Von Flexibilität und der Sicherung einer österreichischen Lösung sind die Privatisierungspläne jedenfalls weit entfernt“, so die AK.

Quelle: http://www.wienerzeitung.at/DesktopDefault.aspx?TabID=3926&Alias=wzo&cob=214696&currentpage=0, http://derstandard.at/?url=/?id=2302467

WEF will Austausch unterschiedlicher Positionen foerdern

DIe Baseler Zeitung berichtet:
Bern. SDA/baz. Das Open Forum 2006 will einen Beitrag leisten zum «beharrlichen Gespräch» zwischen Personen mit unterschiedlichen Positionen. So sitzen sich in diesem Jahr in Davos zum Beispiel der CEO von Nestlé und die ugandische Staatsministerin zum Thema Wasser gegenüber.
Peter Brabeck trifft dabei als Chef des weltweit führenden Trinkwasserproduzenten auf Maria Mutagamba, die Präsidentin der Afrikanischen Konferenz über Wasser. Sie werden mit drei anderen Teilnehmern aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft die Folgen der Privatisierung im Wassersektor und die Forderung für ein Menschenrecht auf Wasser diskutieren.
In weiteren sieben Gesprächsrunden werden in der Aula der Mitteschule Davos unter anderem die Bundesräte Moritz Leuenberger, Joseph Deiss und Micheline Calmy-Rey, der Oxford-Professor Timothy Garon Ash, die Publizisten Alice Schwarzer, der NZZ-Journalist Urs Schöttli oder Novartis-CEO Daniel Vasella auftreten.

Dialog
«Dialog ist eine Voraussetzung zum Handeln», sagte der Präsident des Schweizerisch Evangelischen Kirchenbundes (SEK) am Donnerstag vor den Medien in Bern. Und das Open Forum wolle vom 26. bis zum 29. Januar eine Plattform sein für die Diskussion von zentralen Gesellschaftsthemen.
Dazu zählten in diesem Jahr Arbeitsmigration, Steuerwettbewerb, Menschenrechte, Forschung, Frauen an der Macht und die Privatisierung von Wasser. Gemäss Wipf will der SEK dafür sorgen, dass dabei vor allem auch die Fragen der Menschewürde, der wirtschaftlichen Gerechtigkeit und der ökologischen Verantwortung zur Sprache kommen.
Die Veranstaltung unter dem Motto «Grenzen respektieren – überschreiten – verschieben» wird zum vierten Mal vom SEK in gemeinsamer Trägerschaft mit dem World Economic Forum (WEF) in Davos durchgeführt. Ko-Organisatoren sind die Organisationen «Brot für alle», «Terre des hommes» und das Schweizerische Rote Kreuz.

Neuerungen
Nach der Kritik aus den eigenen Reihen nahm der SEK für die diesjährige Ausgabe verschiedene Neuerungen vor: So wurde der Frauenanteil bei den Diskussionsrunden auf mindestens 40 Prozent erhöht. Weiter seien mehr Experten aus dem Süden präsent. Und durch die Verkleinerung der Runden sollen auch die erwarteten 2400 Zuschauer stärker in die Diskussion mit einbezogen werden.
Deutlichere Konsequenzen aus der internen Kritik hat «Brot für alle» gezogen. Anstatt das Open Forum mitzuorganisieren, leitet die Organisation in diesem Jahr nur noch eine Podiumsrunde. «Wir wollten als Entwicklungsorganisation nicht mehr nur den Dialog fördern und uns neutral positionieren», sagte Generalsekretär Reto Gmünder zur Begründung.
Quelle: http://www.baz.ch/news/index.cfm?ObjectID=BF19A428-1422-0CEF-7018CCFD724AF8E2