Weltwasserforum: Massenproteste und Polizeigewalt

In Mexiko-Stadt findet zur Zeit das Weltwasserforum statt. Mehr als 11.000 Politiker, Wirtschafts- und Konzernvertreter (besonders aus Europa, wie der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft), aber auch eine Hndvoll Vertreter von NGO’s und Hilfsorganisationen nehmen daran teil. Aus Kritik an diesem offiziellen Forum, welches in erster Linie die Interessen der Wirtschaft verfolgt, die die Privatisierung der Wasserversorgung weiter vorantreiben, findet zeitgleich ein alternatives Weltwasserforums, sowie Massenproteste statt. >>> http://de.indymedia.org/2006/03/141544.shtml
Siehe auch http://de.indymedia.org/2006/03/141634.shtml

Jenseits der roten Linie. In Dresden haben Linkspartei-Politiker fuer die Privatisierung von oeffentlichem Wohneigentum gestimmt. Aus Finanznot.

Oskar Lafontaine will sie deshalb aus der Partei werfen. Jetzt haben sie ihn in einem geharnischten offenen Brief geantwortet

Es ist ein Konflikt, in dem es um viel geht – das Selbstverständnis der Linkspartei zwischen Realpolitik und Opposition. In Dresden haben neun Linkspartei-Stadträte kürzlich dem Verkauf der kommunalen Wohungsbaugesellschaft Woba an einen US-Investor zugestimmt. Dresden, zuvor hoch verschuldet, ist nach dem Verkauf schuldenfrei – allerdings auch frei von kommunalem Wohnungseigentum.
Oskar Lafontaine, Chef der Bundestagsfraktion der Linkspartei, hatte die Dresdner neun aufgefordert, die Partei zu verlassen. Die Partei dürfe bei der Privatisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge nicht mitmachen. Dies sei für Linke die rote Linie.
Nun wehren sich die Dresdner Christine Ostrowski und Ronald Weckesser mit einem geharnischten offenen Brief. Sie votieren für „linke Realpolitik und gegen ideologische Symbolpolitik“. Den US-Investor habe man auf „langjährigen Kündigungsschutz und Mietpreisbegrenzungen“ festgelegt. In Dresden gebe es „erheblichen Wohnungsleerstand“, was die Privatisierung unproblematisch mache. Außerdem sei die „Konsolidierung der öffentlichen Finanzen keine neoliberale Spinnerei, sondern sozialpolitischer Imperativ“. Ganztagsschulen müssten auch bezahlt werden.
Der Brief ist ein Frontalangriff auf Lafontaines keynesianistische Grundthese, dass mehr Staat und mehr öffentliche Investitionen der Königsweg seien. Lafontaine, schreiben Ostrowski und Weckesser, „erweckt den Eindruck, dass öffentliches Eigentum unverzichtbar für die öffentliche Daseinsvorsorge ist. Wenn aber Wohnen so existenziell ist, dass es nicht privatisiert werden darf, bleibt zu fragen, ob die Verstaatlichung von Bäckereien auf die linke Agenda gehört, ist doch das tägliche Brot mindestens so unentbehrlich.“
Der Woba-Verkauf war nicht nur in der Linkspartei scharf angegriffen worden. Auch Mietervereine bezweifeln, dass sich der US-Investor langfristig an die Abmachungen hält.
Gegen die neun sind inzwischen Ausschlussanträge eingereicht worden. Der Dresdner Bundestagsabgeordnete Michael Leutert sagte zur taz, sie hätten gegen den Willen der Partei den Verkauf betrieben, ohne über Alternativen wie Teilverkauf oder die Bildung von Mietergenossenschaften nachzudenken. Er ist prinzipiell gegen Ausschlüsse: „Gesinnungspolizei hatten wir früher.“ Wahrscheinlicher als Ausschlüsse scheint eine Spaltung der Linksfraktion im Stadtrat, weil sich die Gegner des Verkaufs überfahren fühlen.
Der Linkspartei-Fraktionschef im Sächsischen Landtag, Peter Porsch, lobte den Brief als Versuch, auf die „argumentative Ebene“ zurückzukehren. Wie viel kommunales Eigentum nötig sei, sagte er der taz, „ist kein Problem der PDS, sondern der Gesellschaft“. Mit „dogmatischen roten Linien“ löse man es nicht.
Die Dresdner Bundestagsabgeordnete Katja Kipping meinte indes zur taz, dass das Ja zum Woba-Verkauf „zu einem Dammbruch“ führe. Der Widerstand gegen Privatisierung von Wohnungen sei schwieriger geworden – weil doch sogar Linke in Dresden dafür waren.
Quelle: taz, 18.3.2006

Privatisierung ist kein Schutz vor Ausstand

Tarifkonflikt im Öffentlichen Dienst: Streiks gehen weiter. Nach Elbtunnelsperrung laufen Auto-Lobbyisten und Politiker Amok, fordern Konsequenzen und Privatisierung. Hamburg setzt offensichtlicht auf Tarif-Kompromiss
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und ver.di haben ihre Streiks im öffentlichen Dienst fortgesetzt. 600 Beschäftigte von Hamburger Behörden beteiligten sich gestern Mittag an einer zentralen Streikversammlung. In seiner Rede begrüßte ver.di-Landeschef Wolfgang Rose, dass sich Hamburgs Staatsrat Volkmar Schön in der Tarifgemeinschaft der Länder für einen Kompromiss stark gemacht habe. Bürgermeister Ole von Beust solle nun „ein Signal“ an andere CDU-regierte Länder senden.
Der GdP-Streikführer Rolf Thiel kündigte an, „so lange zu streiken, bis Möllring zurückgepfiffen wird“. Der erwähnte niedersächische Finanzminister gilt als Hardliner und wird selbst im Arbeitgeberlager wegen seiner „Blockadepolitik“ als Verhandlungsführer kritisiert.
Unterdessen gab es heftige Reaktionen auf den Elbtunnel-Streik. Im Deutschen Beamtenbund (DBB) organisierte Techniker der Leitzentrale hatten am Sonntagnachmittag für zwei Stunden die Arbeit niedergelegt. Drei der vier Röhren waren gesperrt, per Notdienstvereinbarung war nur eine Spur je Fahrtrichtung frei. Die Autos stauten sich, es entstanden Verzögerungen von bis zu 15 Minuten – weniger mithin als die täglich 18 Minuten Mehrarbeit, gegen die sich der Arbeitskampf richtet.
Die Autolobbyisten vom ADAC jaulten erwartungsgemäß auf und forderten die Privatisierung der Tunnelüberwachung. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Klaus-Peter Hesse, drohte dem DBB-Chef sogar mit Handfestem wegen der Auswirkungen auf das HSV-Spiel: „Nach dem Streik gegen die Fußballfans sollte sich Rudolf Klüver in den nächsten Monaten nicht beim Fußball blicken lassen“, so Hesse. Weitere Streiks würden „Konsequenzen“ haben. Gegenüber der taz präzisierte Hesse seine Drohung. „Auch bei einer Privatisierung sind Streiks nicht ausgeschlossen“, gab er zu. Daher mache er sich Gedanken, ob die Tunnel-Techniker nicht verbeamtet werden sollten, so dass sie kein Streikrecht mehr haben, oder ob die Notdienstvereinbarung erweitert werden müsste. Ein Streik wochentags hätte große wirtschaftliche Schäden zur Folge und riskiere „Leib und Leben von Verkehrsteilnehmern“.
DBB-Chef Klüver hält Hesses Äußerungen „für völlig fehl am Platz“. Schließlich sei der Streik am Vortag angekündigt worden. „Ein Chaos ist doch gar nicht eingetreten“. Der ADAC-Vorstoß sei „völliger Blödsinn“. Eine private Tunnelüberwachung ist Klüver zufolge gar nicht möglich, da Polizei und Feuerwehr unverzichtbar seien.
Privatisierungsgeschrei hatte es schon zu Beginn des Ausstands der Müllwerker gegeben. Dabei wurde gern darauf verwiesen, dass die gelben Mülltonnen während des Streiks entsorgt wurden. „Das ist speziell für Hamburg eine völlige Scheindebatte“, erläuterte ver.di-Sekretär Uwe Martens gegenüber der taz. Die Stadtreinigung schreibe schwarze Zahlen, für die Entsorgung der gelben Tonnen sei ein Tochterunternehmen der städtischen HGV-Beteiligungsgeselschaft zuständig. Und dieses habe schließlich auch einen Haustarifvertrag.
KAI VON APPEN, taz Hamburg vom 14.3.2006

FDP fordert nach Personalmangel Privatisierung des Objektschutzes

In der Diskussion um die personellen Engpässe beim Zentralen Objektschutz der Polizei haben mehrere Politiker gestern den Senat kritisiert. Der innenpolitische Sprecher der FDP, Alexander Ritzmann, erneuerte seine Forderung nach einer Privatisierung des Objektschutzes. Er verwies dabei auf die positiven Erfahrungen in mehreren anderen Bundesländern. CDU-Generalsekretär Frank Henkel forderte die Reaktivierung des freiwilligen Polizeidienstes. Berlins Polizei muß für den Objektschutz derzeit Vollzugsbeamte aus anderen Bereichen einsetzen, da viele Wachpolizisten zahlreich aufgelaufene Überstunden abbummeln müssen.
Aus der Berliner Morgenpost vom 10. Februar 2006 >>> http://morgenpost.berlin1.de/content/2006/02/10/berlin/809701.html

Bethanien: PDS holt sich Tips bei der Polizei fuer die Raeumung

Die Polizei sieht nach vier Monaten Besetzung eines Seitenflügel des Bethanien und zwei Tage nach Ablauf der Duldung durch das Bezirksamt Berlin-Kreuzberg „keine Gefahr im Verzug“. Deshalb gebe es keine juristische Handhabe für eine sofortige Räumung. Belämmert sieht auch die Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei.PDS) ein, dass es doch nicht mit der von ihr angekündigten Räumung klappt. Jetzt bettelt sie bei der Polizei um „Tips“ für rechtliche Winkelzüge, mit denen sie die Immobilie doch noch geräumt kriegt.
Ihr Ziel ist es, zu verhindern, dass im linken Szene-Bezirk ein Zentrum für politische Initiativen entsteht, die auch mal von links kritisch mit der PDS.Linkspartei umgehen könnten. Dafür will sie den Konflikt um das Soziale Zentrum im Bethanien deckeln, indem sie die Privatisierung der Immobilie vorantreibt. Derzeit sieht es so aus, als ob sie den Ärger loswerden will, indem sie das Bethanien den Privatisierungs-Bürokraten vom Liegenschaftsfonds vermacht, weil es gar keine interessierten Investoren gibt.
Jenseits des Konflikts um das Bethanien ist diese Affäre politisch interessant, weil sie zeigt, dass nicht mal im kommunalen Bereich die PDS.Linkspartei als Unterstützerin für selbstorganisierte soziale bzw. linke Initiativen taugt. Im Gegenteil: Alle schönen Worte enttarnen sich als Heuchelei. Hoffnungen, die z.B. in offenen Briefen vor der Bundestagswahl geäussert wurden, werden hier beim ersten Praxistest derbe enttäuscht. Statt die in einem Bürgerbegehren gegen die Privatisierung engagierten BürgerInnen zu unterstützen, gibt sich die PDS-Bezirksbürgermeisterin alle Mühe, noch mehr Fakten gegen ein selbstorganisiertes soziales Zentrum im Bethanien zu schaffen, indem sie Privatisierung sogar noch aktiv vorantreibt.
vgl. auch Morgenpost vom 3.11.05:
Polizei hat Bedenken gegen Räumung des Hauses Bethanien
Bezirk prüft Rechtsgrundlage – Besetzer demonstrieren
Von Sabine Gundlach
Der Beschluß des Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksamtes, den besetzten Seitenflügel im Künstlerhaus Bethanien „zeitnah zu räumen“, scheint entgegen bisherigen Äußerungen offenbar nicht sofort realisierbar.
Wie ein Sprecher der Berliner Polizei gestern auf Anfrage mitteilte, sei nach der bislang viermonatigen Duldung der Belagerung des Ortes derzeit keine Situation von Gefahr im Verzug erkennbar. Der Bezirk müsse als Eigentümer des Gebäudes jetzt erst einmal juristisch stichhaltige Gründe für eine Räumung darlegen. Vorher könne die Polizei nicht eingreifen. Wie Bürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei.PDS) gestern bestätigte, „ist die Räumung offensichtlich doch nicht so einfach, wie wir zunächst dachten“. Reinauer, die bislang immer betont hatte, daß nach Ablauf der Duldung am 31. Oktober aufgrund dann bestehenden Hausfriedensbruchs eine sofortige Räumung möglich sei, mußte gestern einräumen, „daß bisherige Bewertungen über die Voraussetzung für die Räumung offenbar juristisch nicht haltbar sind“. Auf die Frage, warum man dies vorher nicht überprüft habe, antwortete die Bürgermeisterin nur, „es gab unterschiedliche Bewertungen“.
Frau Reinauer betonte jedoch, „daß wir vorbehaltlich der juristischen Klärung bei unserer Entscheidung bleiben. Wir werden den rechtswidrigen Zustand beenden und das Bethanien zeitnah räumen.“ Wann genau die Räumung terminiert sei, könne sie derzeit noch nicht sagen. Doch die Polizei habe dem Bezirk jetzt Tips gegeben „was wir für eine rechtmäßige Räumung machen müssen“. Details wollte Frau Reinauer nicht nennen.
Unterdessen protestierten die Besetzer und die Initiative des Bürgerbegehrens Zukunft Bethanien (IZB) gestern erneut gegen die geplante Räumung. „Frau Reinauer hat kein Interesse an einer Lösung und übergibt die Verantwortung jetzt einfach an die Polizei“, sagte eine Sprecherin der Besetzer und warf der Bürgermeisterin „Lippenbekenntnisse“ vor. Reinauer habe den ehemaligen Bewohnern des alternativen Wohnprojektes an der Yorckstraße immer Unterstützung zugesagt. Es sei ein trauriges Novum, daß eine linke Partei wie die Linkspartei.PDS ein linkes Projekt räume. „Ohne die Yorck-Gruppe im Bethanien hätte es die Initiative für das Bürgerbegehren nicht gegeben“, sagte Stephanie Tkocz.
Auch Christian Ströbele, gewählter Bundestagsabgeordneter der Grünen im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg, äußerte gestern sein Unverständnis darüber „daß das Bezirksamt jetzt so die Daumenschraube anzieht“. Er sehe keinen Grund für eine Räumung, zumal man doch derzeit mit dem Bürgerbegehren auf einem guten Weg für das Bethanien sei. „Welchen Sinn macht es, die Leute jetzt in der Kälte auf die Straße zu setzen und dann über einen leerstehenden beheizten Seitenflügel im Bethanien zu verfügen“, sagte Ströbele. Der Bundestagsabgeordnete ist heute abend Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, zu der die Initiative Zukunft Bethanien um 19 Uhr im Hauptgebäude des Künstlerhauses am Mariannenplatz einlädt.
Gestern abend haben rund 350 Besetzer und Vertreter des Bürgerbegehrens sowie Unterstützer am Kottbusser Tor in Kreuzberg demonstriert – unter dem Motto: „Wir bleiben“. Die Kundgebung sei friedlich verlaufen, sagt Polizeisprecher Carsten Müller.

Neues vom Bethanien – PE und Offener Brief des Buergerbegehrens gegen Raeumungsbeschluss und Privatisierung

„Initiative Zukunft Bethanien“ schrieb am 02.11.05 02:28:35:
FreundInnen und UnterstützerInnen!!
Anläßlich der Räumungsandrohung gegen die NewYorck59 rufen wir Euch zur solidarischen Unterstützung auf. Die Räumung geht uns alle an – sie ist ein Schlag gegen alle Menschen, die sich gegen die Privatisierung im Kiez und den Verlust öffentlicher Räume engagieren und von der neoliberalen „SPDS“-Politik die Schnauze voll haben. Wenn wir die Räumung verhindern, wird dies Signalwirkung haben: neoliberale Politik wird nicht ewig dauern und Dummheit kann nicht ewig siegen!!!
Keine Räumung der NewYorck59!
Hände weg vom Bethanien!
Schreibt an die Verantwortlichen oder ruft sie an! Nervt sie und stellt sie zur Rede:
Cornelia Reinauer – PDS – Bürgermiesterin: cornelia.reinauer@ba-fk.verwalt-berlin.de
Tel: 90298-2301, Fax. -4178
Franz Schulz – Bündnis90/Die Grünen – Stadtrat für Bauen und Stadtentwicklung: ursula-meyer@ba-fk.verwalt-berlin.de
Tel: 90298-3260, Fax: -2512
Kerstin Bauer – PDS – Stadträting für gesundheit und Soziales: regina.ruhland@ba-fk.verwalt-berlin.de
Tel: 90298-2601, Fax: -2505
Lorenz Postler – SPD – Stadtrat für Wirtschaft, Finanzen und Bürgerdienste: lorenz.postler@ba-fk.verwalt-berlin.de
Tel: 90298-4825, Fax: -4182
Sigrid Klebba – SPD – Stadträtin für Jugend, Familie und Sport: sigrid.klebba@ba-fk.verwalt-berlin.de
Tel:90298-2330, Fax: -4194
Harald Wolf – PDS – Wirtschaftssenator und Bürgermeister von Berlin: harald.wolf@senwaf.verwalt-berlin.de
Tel: 9026-3300/1 Fax: 9026-3302
Klaus Wowereit – SPD – Regierender Bürgermeister von Berlin: der-regierende-buergermeister@skzl.verwalt-berlin.de
Tel: 9026-3015 Fax: 9026-3019
Steffen Zillich – Kreuzberger PDS -Abgeordneter im Abgeordnetenhaus: steffen.zillich@pds.parlament-berlin.de
Tel: 2325-2571 Fax: 2325-2515
Kommt ins Bethanien am Mittwoch (heute, 02.11.) um 9 Uhr zum Frühstück und/ oder um 11 Uhr zum Offenen Plenum!
Kommt zum Kottbusser Tor am Mittwoch (heute) um 18 Uhr zur großen Antiräumungsdemo!
Kommt am Donnerstag zu unserer Antiräumungsveranstaltung mit Christian Ströbele und weiteren Gästen, 19 Uhr im Bethanien Hauptgebäude, Südflügel (auf die Schilder achten)!

PRESSEERKLÄRUNG vom 02.11.05
INITIATIVE ZUKUNFT BETHANIEN (IZB) VERURTEILT RÄUMUNGSBESCHLUSS GEGEN HAUSPROJEKT NEWYORCK59
Das Bezirksamt hat die Räumung des Hausprojektes NewYorck59 beschlossen.
Der Südflügel des Bethanien-Hauptgebäudes ist seit dem Sommer diesen Jahres nach langem Leerstand durch das Hausprojekt NewYorck59 wieder zu einem offenen Ort lebendiger Vielfalt, Kreativität, Aktivität und Lebensfreude geworden; auch die IZB nutzt seit Monaten diesen Freiraum zur Vorbereitung und Durchführung des BürgerInnenbegehrens.
Dieser hoffnungsvolle Zustand soll jetzt brutal beendet werden. Kreuzberger BürgerInnen dürfen in Zukunft wieder die leeren Räume von außen bewundern: ein großartiger Beitrag der lokalen Fraktionen von PDS und SPD zum Programm „Soziale Stadt“!
Anbei geben wir Ihnen Kenntnis von einem Brief, den wir als BürgerInneninitiative vor fünf Tagen an die Bezirksbürgermeisterin Frau Reinauer und das Bezirksamt geschrieben haben. Leider gibt es bis heute seitens der Adressaten des Briefes keine Anzeichen, die auf ein Einlenken hindeuten – im Gegenteil.
Wie aus dem beiliegenden Brief näher hervorgeht, wird die Räumung erneuten Leerstand zur Folge haben. Das Hausprojekt NewYorck59 hat sich immer um Verhandlungen bemüht.
Es ist absolut unverständlich, wie gerade Parteien wie PDS und SPD, die in Wahlkampfzeiten nie zögern, mit sozialer Rhetorik auf Stimmenfang zu gehen, nur kurz nach der letzten Wahl auf neoliberalen und gleichzeitig repressiven Kurs setzen. Mit den Stimmen von PDS und SPD hat das Bezirksamt von Kreuzberg-Friedrichshain völlig unnötige und nicht zu akzeptierende Polizeimaßnahmen gegen ein Projekt beschlossen, das sie, würden sie sich auch nur minimal an die eigenen Aussagen halten, massiv unterstützen müssten.
Die IZB kann über die Gründe für den Entschluß zur Räumung nur spekulieren. Während durch das BürgerInnenbegehren der Verkauf an einen Privatinvestor vorerst gestoppt ist, versucht das Bezirksamt anscheinend, Tatsachen zu schaffen, um einen Verkauf gegen den Willen der Bevölkerung doch noch durchzusetzen. Ein Gebäude mit großen leer geräumten Flächen ist leichter zu verscherbeln oder an den Liegenschaftsfond des Senats zu übergeben.
Die Initiative Zukunft Bethanien wird gemeinsam mit den AnwohnerInnen und lokalen Initiativen versuchen, die Räumung des Hausprojektes NewYorck zu verhindern. Wir möchten Sie hierzu noch auf folgende Veranstaltung hinweisen:
Donnerstag, 03.11.05: Diskussions- und Protestveranstaltung mit Christian Ströbele, MdB, und weiteren ReferentInnen, 19.00 Uhr, Bethanien-Hauptgebäude (bitte Hinweisschilder beachten).

INITIATIVE ZUKUNFT BETHANIEN
Offener Brief an die Bezirksbürgermeisterin Frau Reinauer und das Bezirksamt Kreuzberg-Friedrichshain
Initiative Zukunft Bethanien – IZB –
Haus Bethanien – Südflügel – Mariannenplatz 2
initiative@bethanien.info – www.Bethanien.Info
Fon: 0179 851 77 00
Zur Eskalationsoption des Bezirkes in Bezug auf das Hausprojekt NewYorck59
Berlin, 26.10.05

Sehr geehrte Frau Reinauer,
mit Verwunderung entnahmen wir Presseberichten der vergangenen Wochen, dass seitens des Bezirkes eine Eskalationsstrategie gegenüber dem Hausprojekt NewYorck59 weiterhin als mögliche Option betrachtet wird. Dass die veränderte politische Situation um das Bethanien eine Neubewertung erfordert, wird nicht berücksichtigt.
Als Begründung, warum das Hausprojekt NewYorck59 die bis zur Besetzung im Juni diesen Jahres leerstehenden Räume Ende Oktober verlassen müsse, wurden bislang von Ihnen drei Gründe angeführt: die notwendige Leerung des Südflügels wegen der kurz vor dem Abschluss stehenden Verkaufsverhandlungen mit einem privaten Investor (so Frau Reinauer auf der Mariannenplatzrunde am 29.09.05), die geplante zweiwöchige Zwischennutzung im nächsten Sommer durch das Street-Football-Projekt, sowie der Abbruch der Verhandlungen durch das Hausprojekt NewYorck.
Wie Ihnen bekannt sein dürfte, hat die Initiative Zukunft Bethanien am Mittwoch, den 19.10.05, beim Bezirksamt das BürgerInnenbegehren zur Zukunft des Bethanien-Hauptgebäudes eingereicht. Sobald die Kostenschätzung des Bezirks erfolgt ist (binnen kürzester Frist laut Rechtsamtsleiter Herrn Baasen), wird das BürgerInnenbegehren formal angezeigt. Die Unterschriftensammlung beginnt dann umgehend.
Selbstverständlich ist mit der Einreichung des BürgerInnenbegehrens nicht per se eine Legalisierung des Status des NewYorck59 im Bethanien verbunden, und dies ist auch nicht Aufgabe oder Intention des BürgerInnenbegehrens der IZB. Jedoch hat Herr Postler gegenüber der Initiative und auch in der Berliner Zeitung vom 07.09.2005 ausgeschlossen, dass das Bezirksamt einem Verkauf des Bethanien-Hauptgebäudes zustimmen wird, solange das BürgerInnenbegehren bzw. der –entscheid läuft.
Die veränderte Situation erfordert eine Neubewertung und gegebenenfalls Revision politischer Entscheidungen. Die IZB hält es für politisch nicht vertretbar, nun Maßnahmen zu treffen, welche einen erneuten langfristigen Leerstand großer Teile des Südflügels zur Folge hätten. Es gibt derzeit keinerlei Anlass, durch eine überstürzte, kurzfristige Eskalation den politischen und sozialen Frieden in diesem Bezirk, welcher uns ebenso wie Ihnen am Herzen liegt, zu gefährden.
Die Initiative Zukunft Bethanien befürwortet ausdrücklich das im Sommer nächsten Jahres geplante Street-Football-Projekt. Die Initiative sieht jedoch keinerlei Notwendigkeit, die ca. 200 SportlerInnen während dieser zwei Wochen ausgerechnet im Südflügel des Bethanien-Hauptgebäudes unterzubringen. Es gibt ausreichend zu diesem Zweck nutzbare freie Flächen in unmittelbarer Umgebung des Mariannenplatzes. Gespräche hierzu zwischen dem Hausprojekt NewYorck59 und den KoordinatorInnen des Projektes haben bereits stattgefunden. Wir halten es weder der Öffentlichkeit noch den internationalen SportlerInnen gegenüber für vertretbar, ein funktionierendes Hausprojekt wegen des geplanten Football-Projektes zu vertreiben.
Seitens des Bezirkes wird gelegentlich argumentiert, dass das Hausprojekt NewYorck die Verhandlungen über eine Nutzung abgebrochen habe. Das Hausprojekt hat in den letzten Wochen und Monaten mehrfach, auch öffentlich, die Bereitschaft und den Wunsch geäußert, die diesbezüglichen Verhandlungen wieder aufzunehmen. Die Initiative Zukunft Bethanien hält es für absolut unverständlich und auch politisch unvertretbar, mit dem Verweis auf zurückliegende Missverständnisse eine Eskalationsstrategie als Option zu begründen. Wir als IZB wünschen uns, dass in einem Moment, in dem nichts der Aufnahme von konstruktiven Verhandlungen entgegensteht, diese Chance auch ergriffen wird.
Das Hausprojekt NewYorck59 befindet sich nun seit vier Monaten im Bethanien. Die seither durchgeführten Veranstaltungen (u.a. ein großes Sommerfest, Kunstprojekte und Ausstellungen, Informationsveranstaltungen und Filmvorführungen) stoßen auf großes Interesse seitens der AnwohnerInnen, bestehender Kiezinitiativen und bei Projekten über die Grenzen Friedrichshain-Kreuzbergs hinaus. Neben den eher überregional und international orientierten Projekten der sonstigen Nutzer des Bethanien ist dabei der v.a. lokale Bezug des Hausprojektes NewYorck59 ein Gewinn für Haus und Bezirk. Mit Unterstützung des Hausprojektes NewYorck59 wurde ein regelmäßiges öffentliches AnwohnerInnenforum wiederbelebt, welches nächste Woche zum fünften Mal stattfinden wird, ebenfalls auf große Resonanz stößt und die Vernetzung verschiedenster kultureller und künstlerischer, sozialer und politischer Initiativen nachhaltig vorantreibt.
Die Initiative Zukunft Bethanien betrachtet mit absolutem Unverständnis, wie gerade von den Parteien PDS und SPD derzeit die Vertreibung eines vorbildlichen Hausprojektes als mögliche Option dargestellt wird. Wir denken, dass es an dieser Stelle nicht notwendig ist, auf die zahlreichen Grundsatzprogramme, Wahlerklärungen und öffentliche Aussagen Ihrer Parteien auf lokaler, regionaler und bundesweiter Ebene genauer einzugehen. In all diesen Papieren taucht die Forderung nach Vielfalt und Integration auf, nach bürgerschaftlichem Engagement und aktiver Nachbarschaft, nach kulturellen Beteiligungsmöglichkeiten und sozialer Kommunikation.
Wird die Vertreibung eines genau den hier formulierten Zielen entsprechenden Hausprojektes, welche sich auf keinerlei sachliche Notwendigkeit berufen kann und unnötigen, kostenintensiven Leerstand nach sich zöge, als reale Option betrachtet, stellt sich – und das in Zeiten des zunehmenden Misstrauens der Bevölkerung nicht unbedingt in Politik, aber auf jeden Fall in Parteien – die Frage: Handelt es sich bei diesen Aussagen und Forderungen vielleicht um bloße Rhetorik, welche schon wenige Wochen nach der letzten Wahl wieder vergessen ist?
An dieser Stelle erlauben wir uns darauf hinzuweisen, dass in den nächsten Monaten seitens der Initiative Zukunft Bethanien verschiedene Veranstaltungen zu den Themen Stadtumstrukturierung, kulturelle Teilhabe, Zukunft des Bethanien und weiterem geplant sind. Wir gehen davon aus, dass die aktiven PolitikerInnen des Bezirks die Möglichkeit nutzen werden, ihre Vorstellungen auf diesen Veranstaltungen einer breiteren Öffentlichkeit darzulegen.
Die Initiative Zukunft Bethanien (wie auch viele andere lokale Initiativen) unterstützt den Verbleib des Hausprojektes NewYorck59 im Südflügel des Bethanien-Hauptgebäudes. Eine Vertreibung des Hausprojektes ist weder sachlich notwendig noch politisch begründbar. Der Bezirk wird deshalb aufgefordert, die veränderten politischen Bedingungen zu akzeptieren, die derzeit unklare Situation zu klären und unverzüglich neue Verhandlungen mit dem Hausprojekt NewYorck59 über eine auch weiterhin legale Nutzung von Teilen des Südflügels des Bethanien-Hauptgebäudes aufzunehmen.
Wir gehen davon aus, dass der Bezirk sich der Argumentation dieses Briefes nicht verschließen wird, und von einer Eskalationsstrategie, welche niemandem nutzen kann, absieht. Die Initiative Zukunft Bethanien ist gerne bereit, über dieses Thema mit Ihnen weiter zu diskutieren.
Mit Ihrer Kooperation rechnend verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen,
INITIATIVE ZUKUNFT BETHANIEN

Land will Kurierdienste abgeben – Verdi gegen Privatisierung

POTSDAM Die Landesregierung will ihren Kurierdienst abschaffen und mit den Aufgaben mittelfristig private Dienstleister beauftragen. Laut einer Machbarkeitsstudie des Innenministeriums könnten die bisherigen Kosten dadurch halbiert werden. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bezweifelt die ehrgeizigen Ziele jedoch. „Da wurde wohl über einen ganz dicken Daumen gerechnet“, sagte Werner Ruhnke vom Verdi-Landesbüro, der im Beirat zur Verwaltungsoptimierung sitzt.
Ruhnke kritisiert, dass bislang keine fundierte Wirtschaftlichkeitsberechnung für eine Ausgliederung vorliege. Nicht immer sei eine Privatisierung günstiger als der Weiterbetrieb eigener Abteilungen von Landesbehörden. Als Beispiele nennt Ruhnke die Kraftfahrzeugwerkstätten der Polizei und die Abteilung zur Berechnung der Altersversorgung im öffentlichen Dienst, die zunächst an einen privaten Versicherer abgegeben werden sollte.
Das Land will eine abschließende Berechnung zur Wirtschaftlichkeit erst nach der Ausschreibung der Kurierdienste vorlegen. Zuständig für die Privatisierung ist Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Zur Beschäftigtenzahl und den Kosten des Kurierdienstes konnte sein Haus gestern keine Angaben machen. Das Kabinett hatte die Ausgliederung in dieser Woche beschlossen. Es folgt damit einer Vorgabe aus dem Haushaltssicherungsgesetz 2003.
Der Kurierdienst ist vorwiegend für die Verteilung von Briefen, Paketen und Broschüren innerhalb der Landesbehörden und Gerichte zuständig. Eine Übertragung an eine Privatfirma wäre nach Angaben des Innenministeriums erst nach dem kompletten Fall des Briefmonopols der Deutschen Post ab 2008 möglich. Das Land Berlin verschickt dagegen bereits jetzt sämtliche Behördenpost mit der privaten Pin AG.
Ruhnke sprach sich eindeutig für Rationalisierungsmaßnahmen in der Landesverwaltung aus. Das Land müsse dabei aber auch Verantwortung zeigen und dürfe nicht selbst zum Lohndumping beitragen. Niedriglöhne würden bereits bei den Sicherheitsdiensten gezahlt, so Ruhnke.
Verdi schlägt die Gründung eines Landesbetriebs vor, zu dem neben dem Kurierdienst beispielsweise auch die Immobilienverwaltung und der Bereich Produkteinkauf gehören könnten.
KLAUS D. GROTE / Märkische Allgemeine Zeitung 07.10.2005
>>> http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/10571966/62249/

Kriegsszenen im Kampf um eine Faehrgesellschaft

28. September 2005 Mittwoch morgen vor der Küste Korsikas: 50 Männer einer Spezialeinheit der französischen Gendarmerie seilen sich von fünf Hubschraubern auf ein Fährschiff ab. Vermummt und in schwarzen Kampfanzügen nehmen sie etwa 30 Gewerkschaftsmitglieder fest und steuern auf das französische Festland zu. Die Szenen erinnern mehr an einen Bürgerkrieg als an eine Auseinandersetzung um ein Wirtschaftsunternehmen.
Angehörige der korsischen Gewerkschaft STC hatten das Fährschiff namens Pascal Paoli – benannt nach einem korsischen Freiheitskämpfer – am Vortag entführt, um gegen die Privatisierung der staatlichen Fährgesellschaft SNCM zu protestieren. Die Festnahme der Schiffsentführer rief im korsischen Bastia wenige Stunden später Hunderte von Demonstranten auf den Plan, die unter anderem eine Kreuzung blockierten. In der Nacht zum Vormittag war es in Korsika sowie in Marseille bereits zu gewalttätigen Demonstrationen gekommen, die Polizeikräfte mit Tränengas beantworten mußten. Paletten wurden in Brand gesetzt, es flogen Steine, und Lastwagen wurden angezündet.
Hafen von Marseille bleibt blockiert
Unterdessen blieb der Hafen von Marseille, der größte Frankreichs, am zweiten Tag hintereinander blockiert. Hafenarbeiten schlossen sich dem Streik der Fährbeschäftigten an. Die Proteste dauern bereits mehr als eine Woche. In der vergangenen Woche wurde auch der SNCM-Chef Bruno Vergobbi fast einen Tag lang an Bord eines Schiffes festgehalten.
Die Proteste zeigen eine zunehmende Radikalisierung am linken Rand der Gewerkschaftsbewegung. In Marseille gibt die kommunistische CGT den Ton unter den Arbeitnehmervertretern der SNCM an, die vor allem zwischen der französischen Mittelmeerküste, Korsika sowie Algerien und Tunesien verkehrt. Auf der korsischen Seite ist es die STC, die auch in Verbindung zur korsischen Freiheitsbewegung steht. Nicht selten schaukeln sie sich gegenseitig zu gewalttätigen Aktionen hoch. Als es am Dienstag zur Entführung der „Pascal Paoli“ kam, wollte die Regierung jedoch nicht länger zusehen, auch wenn sich keine Passagiere an Bord der SNCM-Fähre befanden. Mit Genehmigung des Premierministers Dominique de Villepin befahl Verteidigungsministerin Michele Alliot ihren Elitekräften die Stürmung des Schiffes. Anschließend gratulierte sie diesen zu einem „perfekten Erfolg“.
In wirtschaftlicher Hinsicht zeigt sich die Regierung jedoch nachgiebiger. Am Dienstag abend kündigte Transportminister Dominique Perben an, daß die Regierung doch nicht 100 Prozent der SNCM verkaufen, sondern eine Minderheitsbeteiligung behalten wolle. Linke Politiker und Gewerkschaften fordern dies, „um die Zukunft des Unternehmens zu sichern“. Dabei erlebte die SNCM gerade im Staatsbesitz ihren Niedergang und steht heute am Rande des Bankrottes. Daran erinnerte am Mittwoch der Geschäftsmann Walter Butler, der eine Beteiligungsgesellschaft für Sanierungsfälle führt. Er will SNCM übernehmen und hat dafür bereits die Zusage der Regierung erhalten. Eine Minderheitsbeteiligung des Staates scheint er zu akzeptieren, alleine schon weil er auf eine Wiederherstellung des sozialen Friedens hofft – was derzeit freilich wie ein frommer Wunsch wirkt. Butler will 35 Millionen Euro für die Übernahme der SNCM bezahlen und 350 bis 400 der knapp 2400 Stellen streichen. Vom Staat verlangt er die Übernahme von 82 Millionen Euro Schulden und die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung für 31 Millionen Euro. Am Mittwoch sagte er, daß er eine Minderheitsbeteiligung des Staates von 15 bis 20 Prozent prüfen werde. Das Erreichen der Gewinnzone in vier Jahren hält er für möglich.
„Abenteurer des Finanzwesens”
Für die Gewerkschaften sind Investoren wie Butler ein rotes Tuch. Sie gelten als kaltherzige Kapitalisten, die zur Gewinnmaximierung möglichst viele Stellen abbauen wollen. Die Regierung fand bisher freilich keinen Kaufinteressenten aus der Fährbranche, der sich auf das Abenteuer eines SNCM-Kaufes einlassen wolle. Neben Butler bewarb sich nur noch eine andere finanzorientierte Beteiligungsgesellschaft. Butler, Sohn eines Amerikaners und einer Brasilianerin, hat eine typisch französische Beamtenkarriere mit der Absolvierung der Eliteschule ENA und dem Eintritt in die Finanzinspektion hinter sich. In den achtziger Jahren aber wechselte er zur Investmentbank Goldman Sachs. Mit guten Kontakten zu französischen Spitzenpolitikern sowie Führungskräften der Wirtschaft ausgestattet, startete er Anfang der neunziger Jahre seinen ersten Fonds.
Die CGT bezeichnete Butler schon 1996 als „Abenteurer des Finanzwesens”. Daß Finanzinvestoren auch in Frankreich zunehmend zur wirtschaftlichen Normalität gehören – mangels anderer Investoren -, wollen die französischen Gewerkschaften nicht wahrhaben. Im Fall der SNCM glauben sie zusammen mit der sozialistischen Partei, daß die Regierung ein Unternehmen „verschleudere“, denn alleine die Aktiva der SNCM seien 500 Millionen Euro wert. Daß die Fährgesellschaft hoch verschuldet ist und bei sinkendem Umsatz seit fünf Jahren Verluste schreibt, unterschlagen sie.
Die korsische Note verleiht dem Streit um die SNCM-Privatisierung unterdessen eine besondere Radikalität. Die Gewerkschaft STC ist in den Unternehmen auf der Insel eine einflußreiche Kraft. Die Marineabteilung, angeführt von dem Korsen Alain Mosconi, gilt dabei als „Staat im Staat”. Während andere STC-Mitglieder versuchen, ihre Unabhängigkeit vom gewaltbereiten Teil der korsischen Autonomiebewegung zu demonstrieren, zeigt Mosconi offen seine Sympathien. Mosconi führte denn auch persönlich die Entführung des SNCM-Schiffes an. Nach Aussagen der Staatsanwaltschaft von Marseille drohen ihm nun 20 Jahre Haft. Allerdings sind in Frankreich in der Vergangenheit etliche Verfahren gegen gewalttätige Gewerkschaftsmitglieder im Sande verlaufen, vor allem wenn es sich um Prominente handelt.
Von Christian Schubert
Quelle: F.A.Z., 29.09.2005, Nr. 227 / Seite 20
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Marseille: Schiffsbesetzung wegen Privatisierungsankuendigung

Massive Proteste folgten auf die Pläne, die Fährgesellschaft SNCM an zwei Investmentfonds zu verscheuern. Schiffe mit Fährkunden liegen blockiert im Hafen, der Chef wurde vorübergehend festgehalten, Schiffe wurden nach Korsika umgelenkt („korsische Produktionsmittel nach Korsika“), in Bastias Straßen wehrten Aktivisten nächtliche Angriffe der Polizei ab. Die militanten Proteste haben längere Tradition. Aktuelle Meldungen vielleicht am ehesten über Indymedia Marseille und Indymedia Paris.

Privatisierung der Inneren Sicherheit: Projektberichte aus dem Hause Max Planck

LeMondeDiplomatique-Dossier: Soeldner und Privatpolizisten. Outsourcing, das Irak-Experiment

Von Sami Makki *
* Forscher am Centre Interdisciplinaire de Recherches sur la Paix et d’Études Stratégiques (Cirpes) in Paris; Autor von „Militarisation de l’humanitaire, privatisation du militaire“, Paris (Cirpes) 2004.
Niccolò Machiavelli hielt nicht viel von den Söldnertruppen, mit denen die Herrscher im Mittelalter ihre Feldzüge bestritten. Der Philosoph riet seinem „Principe“, sich besser nicht auf sie zu verlassen, seien sie doch „uneinig, herrschsüchtig, undiszipliniert und treulos; mutig unter Freunden und feige vor dem Feind; ohne Furcht vor Gott und ohne Treue gegenüber den Menschen“. Heute gelten Privatsoldaten als kostengünstige Subunternehmer von „Sicherheitsdienstleistlern“, denen im Irak jährlich mehrere Milliarden Dollar aus dem US-Militärbudget zufließen. In Kolumbien hängen Söldneranbieter an der Nadel des Drogenkriegs. Auch in Afrika eröffnen sich den „vaterlandslosen Soldaten“ neue Betätigungsfelder, weil die Rohstoffe des Kontinents immer interessanter werden. Ein Dossier.

Bereits einige Monate nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein waren im Irak knapp 20 000 Beschäftigte privater Sicherheitsunternehmen tätig. Deren Einsatz beruht auf dem wachsenden Sicherheitsbedürfnis der vielen Abgesandten von internationalen Organisationen und der amerikanischen Investoren vor Ort. Laut einem Bericht des US-Außenministeriums vom Mai 2004(1) wurden angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage mehr als 25 überwiegend britische und amerikanische Söldnerfirmen angeheuert. Diese so genannten PMCs, Private Military Companies, sind jedoch nur der sichtbare Teil eines umfassenderen Schattenreiches.

Infolge der Globalisierung des militärisch-industriellen Komplexes, der „Rationalisierung“ des Militärbudgets und schrumpfender Truppenstärke verstärken die US-Streitkräfte ihr „Outsourcing“. Eine solche Auftragsvergabe an private Subunternehmer folgt dem Gebot der neoliberalen Privatisierungspolitik und zielt auf eine Risikoteilung zwischen Staat und Privatsektor ab.(2) Angesichts knapper Kassen sollen derartige öffentlich-private Partnerschaften, die als sparsam und effizient gelten, die Militärausgaben verringern. Dies gilt nicht nur für militärpolizeiliche Aufgaben wie im Irak, sondern auch für die „privatisierte“ Entwicklung der Armeeausrüstung. So können am besten an anderer Stelle Mittel für die Entwicklung und Beschaffung neuer Waffensysteme freigesetzt werden. So behauptete das US-Verteidigungsministerium 2002, durch Outsourcing ließen sich zwischen 1997 und 2005 über 11 Milliarden Dollar einsparen. Die Ankündigung sollte wohl in erster Linie die Folgen der organisatorischen und wirtschaftlichen Umstrukturierung des Verteidigungssektors und den damit einhergehenden Abbau von Beschäftigten zugunsten des Privatsektors verschleiern.

Harsche Kritik wurde daher laut, als die US-Streitkräfte im Oktober 2002 das geplante „Outsourcen“ weiterer 200 000 Beschäftigten bekannt gaben. Experten meldeten Zweifel an, ob die radikale Reform eine höhere Effizienz gewährleisten würde.(3) Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Bundesangestellten, Robert Harnage, gab 2003 zu bedenken, dass „die Zahl der Beschäftigten bei privaten Auftragnehmern des Verteidigungsministeriums die Zahl der Zivilbeamten um das Vierfache“ übersteige. Outsourcing bedeute nicht „Abschaffung von Arbeitsplätzen, sondern Abschaffung von Verantwortlichkeit“.(4)

Im Rahmen des Outsourcings von Dienstleistungen für Truppen im Auslandseinsatz unterzeichnete die US-Administration zwischen 1994 und 2004 über 3 000 Verträge, darunter auch mit diversen Söldnerfirmen wie der DynCorp, der Military Professional Ressources Inc. (MPRI) und Kellogg Brown & Root (KBR). Das Gesamtauftragsvolumen der letzten zehn Jahre lag bei über 300 Milliarden Dollar. Nicht nur für reguläre Truppenverbände, sondern auch im Bereich von Logistik, Instandhaltung und Wartung der Waffensysteme sind immer mehr Beschäftigte des Privatsektors tätig. Während noch im ersten Golfkrieg 1991 auf 100 Soldaten ein privat Beschäftigter kam, waren es im vorigen Jahr bereits zehn. Derzeit stellen die PMCs im Irak eine Art zweite Besatzungstruppe dar, deren Gesamtstärke einem Fünftel der US-Streitkräfte entspricht.

Von den jährlichen Einsparungen in Höhe von 4,5 bis 6 Milliarden Dollar, die sich das Pentagon von der Umstrukturierung erhoffte, ist bislang nicht viel zu spüren. Prüfungen des US-Rechnungshofs ergaben, dass die tatsächlichen Kosten bei etlichen Verträgen die Vorabschätzungen deutlich überstiegen und für Dienstleistungen im Irak überhöhte Rechnungen vorgelegt wurden.(5) Der Ölkonzern Halliburton etwa, dem bis 2000 US-Vizepräsident Cheney vorstand, erhielt über seine Tochterfirma KBR voriges Jahr Aufträge über mehr als 1 Milliarde Dollar. Die undurchsichtige Auftragsvergabe sorgte für einen Skandal, der erneut die Interessenverquickung zwischen der Bush-Administration und US-Konzernen des militärisch-industriellen Komplexes deutlich machte.(6)

Abgesehen vom Sparen und Privatisieren spielen beim Outsourcing auch strategische Überlegungen eine Rolle. Gegen den „Terrorismus“ führen die USA weltweit einen Krieg geringer Intensität – im Jargon der Militärs eine low intensity warfare -, der auf eigenständigen strategischen und taktischen Zielen beruht. Entsprechend ihrer Militärdoktrin wollen die USA zudem in der Lage sein, mehrere größere Konfrontationen gleichzeitig zu bestehen. Eine Schwächung ihrer Führungsrolle durch den Rückzug aus strategisch minder wichtigen Regionen können sie aber nicht hinnehmen. Das Delegieren soll daher die regulären Streitkräfte von Missionen entlasten, die für die nationale Sicherheit geringere Priorität haben.

Im Rahmen des Outsourcing-Programms sollen die Streitkräfte außerdem flexibler und schneller werden, indem administrative Kontrollen und bürokratische Verfahren abgeschafft werden. Darüber hinaus bietet dieses Programm die Möglichkeit, die Außenpolitik der Kontrolle durch den US-Kongress zu entziehen. So können private Einheiten aktiv werden, auch wenn offiziell keine Bodentruppen entsandt werden dürfen. Auch Vorgaben wie das „Null Tote“-Ziel einer Mission lassen sich auf diese Weise unschwer umgehen. Operationen werden möglich, die im Widerspruch zur „offiziellen“ Militärstrategie stehen, wie es etwa im Bosnienkonflikt der Fall war: Hier ließ die US-Regierung – obwohl sie sich offiziell zur Neutralität und zur Mitwirkung an friedenserhaltenden Maßnahmen bekannte – der Söldnerfirma MPRI freie Hand, unter Verletzung des UN-Embargos die kroatisch-muslimischen Truppen mit Waffen zu versorgen und auszubilden.(7)

In den 1990er-Jahren haben US-Söldnerfirmen wie die Vinell Corporation, MPRI, Cubic und Logicon im Rahmen militärischer Kooperationsabkommen die Streitkräfte von über 40 Ländern ausgebildet und trainiert.(8) Die dadurch geknüpften Beziehungen erwiesen sich in Lateinamerika, Afrika und im Nahen Osten als ein hervorragendes Instrument zur Verbreitung von US-Militärnormen und zum Abschluss von Ad-hoc-Bündnissen. Auf dem afrikanischen Kontinent sind Söldnerfirmen mit logistischen Aufgaben für das US-Militär betraut – dazu gehört sogar das Erstellen von Expertisen für schnelle Eingreifoperationen.

Söldnerfirmen spielen im US-Verteidigungssystem und bei der logistischen Unterstützung ausländischer Kampfeinsätze(9) inzwischen also eine vitale Rolle. Viele von ihnen haben es im Laufe der letzten Jahre geschafft, sich durch intensive Lobbyarbeit als leistungsfähige Partner bei der Durchführung friedenserhaltender Maßnahmen zu profilieren. Damit entsteht aber die Gefahr, dass der Unterschied zwischen Entwicklungshilfe, humanitärer Hilfe und Militäreinsätzen noch weiter verwischt wird. Dies gefährdet insbesondere die Beschäftigten rein ziviler Organisationen, die mit Bedacht auf militärischen Schutz verzichten, weil er ihre Arbeit diskreditieren würde.

Im Hinblick auf die Expansion privatmilitärischer Aktivitäten kam es in den vergangenen fünf Jahren zu einer umfassenden Neustrukturierung der US-amerikanischen Rüstungsindustrie. Dazu gehörten zahlreiche Fusionen und Unternehmensübernahmen.(10) Für die multinationalen Konzerne, die den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie als Mittel zur „Beherrschung des Schlachtfelds der Zukunft“ propagieren, eröffnet sich hier ein lukrativer Markt. So erklärte Vorstandschef Frank Lanza von L-3 Communications bei der Übernahme von MPRI vor vier Jahren: „MPRI ist ein stark expandierendes Unternehmen, das im Bereich der Truppenausbildung hohe Gewinnmargen und Wettbewerbsvorteile wie kein anderes Unternehmen vorzuweisen hat und dessen Dienstleistungen unsere Produktpalette hervorragend ergänzen. […] MPRI ist auch auf der internationalen Bühne sehr aktiv, da der politische Klimawechsel mit einer wachsenden Nachfrage nach bestimmten Dienstleistungen einherging. […] Im Übrigen haben die genannten Programme die Tendenz, sich auszuweiten und uns weitere Auftragschancen zu eröffnen.“(11)

Die Kehrseite der Medaille: Die Söldnerfirmen lassen sich, wie der US-Bundesrechnungshof hervorgehoben hat, kaum kontrollieren. Kein zentralisiertes System, urteilt er, sei in der Lage, die zahllosen Outsourcing-Verträge der einzelnen US-Regierungsbehörden zu überblicken.(12) Obwohl die Vermarktung militärischer Dienstleistungen in den USA staatlicher Kontrolle unterliegt, ist es gängige Regierungspraxis, die Bestimmungen zumal in den Bereichen Informationsbeschaffung und Sonderoperationen so weit wie möglich auszulegen.(13)

Gesetzeslücken auszunutzen spielt für die republikanische Administration bei der wirksamen Bekämpfung des Terrorismus eine wichtige Rolle. Seine Grenzen findet der zunehmende Einsatz von Söldnertruppen allerdings dort, wo die Verantwortung der Politik gefragt ist. Denn die marktwirtschaftliche Dynamik kann zu unerwünschten Spannungen und anderen gravierenden Fehlentwicklungen führen.(14) Schon heute gefährdet die wachsende Nachfrage nach geeignetem Personal gelegentlich die Rekrutierungsbedürfnisse der Berufsarmee.

Anfang 2004 wurde außerdem bekannt, dass auch Angestellte der US-Söldnerfirmen Caci und Titan an der Misshandlung irakischer Kriegsgefangener beteiligt waren. Kenneth Roth, Geschäftsführer von Human Rights Watch, erklärte dazu: „Wenn das Pentagon schon beabsichtigt, Privatunternehmen mit militärischen und nachrichtendienstlichen Missionen zu betrauen, so muss es sicherstellen, dass diese Firmen strengen Auflagen und gesetzlicher Kontrolle unterliegen.“ Könnten sie „im rechtsfreien Raum handeln, käme dies einer Aufforderung zum Missbrauch gleich“. Und selbst die regierungsnahe National Defense University räumte in einem Bericht aus dem Jahr 2000 ein: „Privatisierung ist vielleicht weniger kostspielig als eine Militärintervention, doch die Qualität des Resultats und die Achtung der Menschenrechte könnten darunter leiden.“(15)

Als Ziel von Outsourcing unterscheidet man herkömmlicherweise zwischen Dienstleistungen zur Unterstützung der regulären Streitkräfte, also Tätigkeiten „im Hintergrund“ sowie „in der Etappe“, und im engeren Sinn operativen Funktionen auf dem Schlachtfeld. Doch seit dem 11. September ist die Grenze zwischen beiden Bereichen unscharf geworden.

Nach der Niederlage der irakischen Armee wurden Bewachungsaufgaben rasch an Privatunternehmen übertragen, ohne dass man über die Mittel verfügte, diese effektiv zu kontrollieren. Im September 2003 gab die US-Regierung bekannt, sie werde die Erinys Iraq Ltd. mit der Ausbildung von mehreren tausend Irakern beauftragen, die künftig die wiederholt attackierte Pipeline zwischen Kirkuk und dem türkischen Hafen Ceyhan überwachen sollen. Unter dem Führungspersonal und den Ausbildern der für Erinys Iraq arbeitenden Rekruten finden sich auch viele Spezialisten der südafrikanischen Polizei.

Negative Folgen hat diese Privatisierungsdynamik vor allem für die westlichen Sicherheits- und Militärinstitutionen. Nicht wenige Spezialisten für Sondereinsätze wandern wegen der bis zu zehnmal höheren Gehälter in den Privatsektor ab.(16) Langfristig könnte dieser Verlust an Humanressourcen auf einen Verlust an Know-how hinauslaufen, etwa bei der Wartung moderner Waffensysteme oder der Ausbildung von Piloten.

Dass es an einheitlichen Befehls- und Kontrollstrukturen ebenso fehlt wie an standardisierten Verfahren für die Rekrutierung künftiger Söldner, löst unter US-Offizieren zunehmend Besorgnis aus. Zudem werden mehr und mehr „Privatsoldaten“ als Geiseln genommen oder fallen Anschlägen zum Opfer, und die Militärs sind außerstande, diese „Zivilisten“ zu schützen. Die vier Männer, die in Falludscha Ende März 2004 von der Menge verbrannt und aufgehängt wurden – was damals zu heftigen Kämpfen führte -, waren Angestellte des US-Unternehmens Blackwater Security.

Die ebenso schlecht geplante wie auf desaströse Weise durchgeführte Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung irakischer Soldaten ins Zivilleben hinterließ im Irak ein Sicherheitsvakuum. Im Juni 2003 gab das Pentagon daher den Abschluss eines 48 Millionen Dollar schweren Vertrags mit der Vinnell Corporation bekannt, die den Kern einer neuen irakischen Armee ausbilden soll. Weitere Söldnerfirmen wie die MPRI wurden als Subunternehmer herangezogen. Im April desselben Jahres beauftragte das US-Außenministerium die DynCorp Aerospace Operations mit der Ausbildung der irakischen Polizeikräfte.

Die Aktivitäten örtlicher Milizen und die immer intensiver werdenden „aufständischen“ Aktivitäten setzten im Irak eine Gewaltspirale in Gang – die privaten Sicherheitskräfte wurden zum weniger gefährlichen Ziel für Angriffe und führten so zu mehr Instabilität. In der Folge stiegen die Tageshonorare für Söldner auf bis zu 1 000 Dollar. Mehrere tausend ehemalige Militärangehörige arbeiten derzeit für Sicherheitsunternehmen, die westliche Zivilbehörden schützen. Die Kroll Inc. und Control Risks zum Beispiel sorgen für die Sicherheit des Personals der US-Agentur für Internationale Entwicklung (USAid), des britischen Diplomatencorps und britischer Hilfsorganisationen.

Die Irakkrise zeigt, dass private Sicherheitskräfte während und nach einem bewaffneten Konflikt unentbehrlich sind, um die Machtpositionen der USA abzustützen. Der zunehmende Einsatz westlicher Söldnerfirmen ist das Ergebnis einer Politik, die mit neuen Interventionsformen experimentieren will. Insbesondere die Koordinationsprobleme, die sich daraus ergaben, wurden zunächst übersehen – und als das nicht mehr möglich war, wiederum privatisiert. So erhielt die im Jahr 2003 von dem britischen Oberst Tim Spicer gegründete Firma Aegis Defence Service im Mai dieses Jahres den Zuschlag für die Koordinierung von über 50 Sicherheitsunternehmen, die im Rahmen des Wiederaufbauprogramms den Schutz westlicher Unternehmen gewährleisten sollen. Der Auftrag hat ein Volumen von 293 Millionen Dollar.

Britische und US-amerikanische Diplomaten sehen in der schnellen Privatisierung offenbar kein Problem. Ein hochrangiger ziviler Beamter der Kriegskoalition, der anonym bleiben will, erklärte am Rande der Pariser Konferenz im Mai 2004, er halte den verstärkten Einsatz von Söldnerfirmen für „eine gesunde Entwicklung“. Das Verfahren könnte auch andernorts Schule machen, wenn es sich im Irak als erfolgreich herausstellen sollte. Auch friedenserhaltende Operationen sollten zunehmend privatisiert werden, indem man die Grenzen für ein Outsourcing militärischer Funktionen „fortlaufend“ erweitert.

Die Entscheidung des ehemaligen US-Zivilverwalters im Irak, Paul Bremer, private Sicherheitskräfte nicht dem neuen irakischen Recht zu unterstellen, entzieht diesen Sektor jeder Kontrolle durch die Iraker. Zwar dürfte der vermehrte Einsatz ziviler und militärischer Privatkräfte den strategischen Interessen der USA dienen, doch die vielen Anschläge und Aufstände im Irak belegen, dass sie im Land selbst vornehmlich zu größerem Chaos und weiteren Konflikte führen.

Tatsächlich untergräbt die Privatisierung militärischer Kräfte die künftige Souveränität des irakischen Staats. Sie macht deutlich, dass die wirtschaftlichen Zielvorstellungen der USA mit den politischen Gegebenheiten im Irak kollidieren. Die Söldnerfirmen bieten „schlüsselfertige“ Lösungen an, die von der Beratung bis zur Umsetzung vor Ort reichen. Weil sich die Expertise mehr und mehr in ihren Händen konzentriert, spielen technische und organisatorische Gesichtspunkte bei der Analyse von Konflikten eine unverhältnismäßig große Rolle. Politische Überlegungen treten immer mehr in den Hintergrund.

Der Bedeutungszuwachs privater Söldnerfirmen bringt die traditionellen politischen und zivilmilitärischen Verhältnisse aus dem Gleichgewicht – und zwar nicht nur in Gesellschaften wie der irakischen, die eine schwere Krise durchgemacht haben, sondern auch im Westen. Sie sind hybride Geschöpfe, indem sie die Unterscheidung zwischen zivilem und militärischem, privatem und öffentlichem Sektor verwischen. Da sie überdies vielfach als informelle Netzwerke funktionieren, begünstigen sie Korruption und Kriminalität. In dem Maße, wie die neue US-Strategie eine globale Interventionsfähigkeit der Söldnerfirmen vorsieht, erweist sie sich als Quelle von Instabilität und Chaos. Sie legitimiert die unilaterale Machtausübung der USA weltweit, vor allem aber in den „instabilen“ Regionen des Südens, wo mittels CIA, Sondereinsatzkräften und Söldnerfirmen jene „Kriege geringer Intensität“ geführt werden.

Der Einsatz der PMCs illustriert eine Entwicklung, die durch neuartige Konflikte und die Schwächung staatlicher Souveränität auf der internationalen Bühne gekennzeichnet ist. Solche Konflikte werden in Grenzregionen der Globalisierung an Bedeutung gewinnen. Im Rahmen dieser Entwicklung wird die Privatisierung der Gewaltausübung wahrscheinlich eine bestimmende Rolle spielen. Für die anderen Mitglieder der Kriegskoalition dient das irakische Experiment als Probelauf, um die Auswirkungen von Outsourcing besser einschätzen zu können – bevor sie sich selbst an dessen Einführung machen.

deutsch von Bodo Schulze
Fußnoten:
(1) US State Department, „Security Companies Doing Business in Iraq“, Mai 2004.
(2) Frank Camm, „Expanding Private Production to Defense Services“, Rand Report MR734, S. Monica 1996.
(3) John Deal u. James Ward, „Second Thoughts on Outsourcing for the Army“, Army Magazine, Association of the United States Army, Arlington (VA), Mai 2001, S. 54; Michael O’Hanlon, „Breaking the Army“, The Washington Post, 3. Juli 2003.
(4) Zitiert nach Maya Kulycky, „How Far Can a War be Outsourced?“, MSNBC News, 14. Januar 2003, www.msnbc.msn.com/id/3072959
(5) US GAO, Contingency Operations: „Army Should Do More to Control Contract Cost in the Balkans“, NSDIAD-00-225, Oktober 2000.
(6) Walter F. Roche Jr. und Ken Silverstein, „Iraq. Advocates of War Now Profit From Iraq’s Reconstruction“, Los Angeles Times, 14. Juli 2004.
(7) Sami Makki, Sarah Meek u. a., Private Military Companies and the Proliferation of Arms, „Biting the Bullet Briefing 11“, International Alert, London, Juni 2001, S. 10.
(8) Deborah Avant, „Privatizing Military Training“, Foreign Policy in Focus 7 (6), Institute for Policy Studies, Washington, D. C., Mai 2002.
(9) Dazu Stephen Perris und David Keithly, „Outsourcing the Sinews of War: Contractor Logistics“, Military Review, US Army Command and General Staff College, Fort Leavenworth (KS), Oktober 2001, S. 72-83.
(10) Dazu Murray Weidenbaum, „The Changing Structure of the US Defense Industry“, Orbis, Foreign Policy Research Institute, Philadelphia (PA), Herbst 2003.
(11) „L-3 Com Announces Acquisition of MPRI“, Business Wire, 18. Juli 2000, zitiert nach Peter W. Singer, „Corporate Warriors: The Rise of the Privatized Military Industry“, Ithaca u. London (Cornell Univ. Press) 2003, S. 134.
(12) US GAO, „Military Operations: Contractors Provide Vital Services ot Deployed Forces but Are Not Adequately Addressed in DoD Plans“, Report GAO-03-695, Washington, D. C., Juni 2003.
(13) Dazu Eugene Smith, „The New Condottieri and US Policy: the Privatization of Conflict and Its Implications“, Parameters, US Army War College Quarterly, Carlisle (PA), Herbst 2002-2003.
(14) Thomas Adams, „The New Mercenaries and the the Privatization of Conflict“, Parameters, US Army War College Quarterly, Carlisle (PA), Sommer 1999, S. 103.
(15) National Defense University, Strategic Assessment 1999, Washington D. C., 2000, S. 240.
(16) Dazu das Dossier in Courrier international 710, 10. bis 16. Juni 2004, S. 4952.

Le Monde diplomatique Nr. 7512 vom 12.11.2004