Tel Aviv. Es ist schwer, die linke Resignation und den Zynismus angesichts der erneuten Hardliner-Geste Benjamin Netanyahus zum UN-Upgrading Palästinas zu erschüttern. Wenn, dann kann es sich dabei nur um andere interne Katastrophenmeldungen handeln. Zeitgleich mit der Veröffentlichung der Ergebnisse des UN-Votums wurde vom Nationalen Versicherungsinstitut, das zuständig ist für Krankenversicherung, Renten und sonstige Sozialversicherungen, der aktuelle Armutsbericht für Israel veröffentlicht. Nicht alles war neu: Israel gilt seit mehreren Jahren als das ärmste Land der „westlichen Welt“. Von den 8 Millionen Einwohnern – nicht eingeschlossen die Bevölkerung der Westbank – leben über 1,8 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze.
Arm heißt beispielsweise im Hinblick auf Lebensmittelversorgung, dass 10 % der Menschen regelmäßig nicht genug zu essen haben. Fast 40 Prozent der Haushalte können die monatlichen Kosten nicht regelmäßig bestreiten. Im Jahr 2011 ist die Anzahl armer Kinder gestiegen – auf 860.900 oder 36,6 %. In nichtarbeitenden Familien liegt die Anzahl armer Menschen bei 70 % – ein Phänomen vor allem in der orthodoxen Bevölkerung oder in von ethnischer Diskriminierung betroffenen Bevölkerungsgruppen, deren Liste lang ist. Neu ist, dass die neoliberale Politik der Regierung Netanyahu nicht einmal mehr Familien, in denen ein oder zwei Erwachsene erwerbstätig sind, vorm sozialen Fall in die Armut bewahren kann. Innerhalb eines Jahres stieg hier die Zahl um das Doppelte auf 5 %. Bitter daran bleibt der Nachgeschmack auf die sozialen Proteste 2011. In denen war es gerade diese, als Mittelschicht gelabelte, Bevölkerungsgruppe im zentralen Teil des Landes, die auf die Straße gegangen war – ihre eigene Armutsrealität dabei längst nicht mehr nur vor Augen. Jetzt ist die offizielle Bilanz da. Ob sie es, trotz ihrer Brisanz, auf die ansonsten sehr schwachbrüstige sozialpolitische Agenda des aktuellen Wahlkampfs schaffen wird, bleibt abzuwarten. Falls nicht, wird es voraussagbare Auswirkungen auf die Lebenssituation vieler Menschen haben. Am Zynismus wird es eher weniger ändern.