Erst das Trinkwasser, dann unsere Atemluft?

Private Kommerzialisierung von öffentlichen Dienstleistungen
(Kittsteiner, Berliner Wassertisch) Die Verschuldung der öffentlichen Hand in Berlin und weltweit hat immer mehr zur Folge, dass Betriebe der öffentlichen Daseinsfürsorge (z.B. Wasserbetriebe und anderes „Tafelsilber“) von Regierungen (1999 vom Berliner Senat mit Hilfe der meisten Abgeordneten) aus Kurzzeitdenken an global  agierende, lediglich gewinnorientierte private Firmen verschleudert werden (Berlin: RWE und Veolia haben mit ihren 49,9% Anteilen an den Berliner Wasserbetrieben fast 100% Bestimmungsrecht!).
Von den privaten Energie- und Wasserkonzernen wird gegen alle Versprechungen bei Vertragsabschluss der Begriff  „Effektivität“ sehr schnell reduziert auf Kosteneinsparung jeder Art zur Gewinnoptimierung für den neuen Besitzer, zur Renditensteigerung für die Aktionäre und für das Konzern-Image an der Börse in der Logik von „shareholder value“. Entlassungen (2000 Mitarbeiter der Berliner Wasserbetriebe), Vernachlässigung von Wartung und Infrastruktur, Wasserpreisanstieg für die Verbraucher (in Berlin ca.30%), Einbußen von Steuergeldern wegen Absicherung der vom Senat garantierten (!) Rendite (8%) sind u.a. die Folgen. Sinken die Renditen, werden die herunter gesparten, dann oft maroden Betriebe wieder der öffentlichen Hand (d.h. den Steuerzahlern) teuer zurückverkauft. So beabsichtigt RWE (angestrebte Rendite 18%) wegen zu hoher laufender Instandsetzungskosten und enttäuschter Gewinnerwartungen des Konzerns aus dem Wassergeschäft in London wieder auszusteigen mit entsprechenden Folgekosten für die  Londoner Bürger und Steuerzahler.
Ein aus Bolivien wegen unbezahlbarer Wasserpreissteigerung nach heftigen Volksaufständen hinweg gekündigter Wasserkonzern verklagte den Staat auf 25 Mio. Dollar wegen entgangener Gewinne durch Wassergeschäfte.  In Manila (Philippinen) sterben Wasserverbraucher an Cholera wegen kostensparender mangelnder Wartung des Wassernetzes in den Armenvierteln. In Indien saugt Coca-Cola täglich 600.000 Liter Grundwasser aus dem bislang landwirtschaftlich genutzten Boden, Bauern verlieren ihre Existenz mangels Ernten. Trotz zahlreicher drastischer Beispiele dieser Art weltweit drängen die EU in Brüssel, Entwicklungshilfeinstitutionen (GTZ) und die Weltbank Hand in Hand mit den transnationalen Wasserkonzernen auf die private Kommerzialisierung der Wasserversorgung in über 70 Ländern der Welt. Wer dort arm ist, wer bei z.T. 1 Dollar Tagesverdienst kein Geld für den Wasseranschluss und die Kommerzpreise hat, hat kein Wasser. Wer protestiert, bekommt es mit der Staatsmacht zu tun wie im Jahr 2000 in Cochabamba, Bolivien (mehrere Tote bei Protestaktionen).
In Hamburg wurde durch den Druck einer erfolgreichen Volksinitiative der Verkauf der Hamburger Wasserbetriebe gesetzlich verboten. Die Stadt Herten im Ruhrgebiet vergab zum Ärger der privaten Wasserkonzerne Fondsanteile der Stadtwerke an die eigenen Bürger mit positiver Rückwirkung für die nun mehr selbstbestimmte öffentliche Versorgung der Menschen. In einigen deutschen Städten haben Bürger und Mitarbeiter den Verkauf von Betrieben der öffentlichen Daseinsfürsorge an rein kommerziell interessierte private Träger durch Bürgeraktionen und Streiks verhindert.
Was bedeuten diese Beispiele für die Berliner? Folgt nach London bald Berlin, d.h. der Ausstieg von RWE und Veolia? Es gibt in Berlin und überall Menschen, die u.a. im globalisierungskritischen Zusammenhang (GATS) diese und weitere Vorgänge verfolgen und versuchen, mehr Bewusstsein über die Folgen neoliberaler Politik zu schaffen, Öffentlichkeit herzustellen und an den Menschen
orientierte  Handlungsstrategien durchzusetzen nach dem Motto „Global denken, lokal handeln“.

Wasser – nach dem Öl das Geschäft der Zukunft! Der Unwille bei der Bevölkerung wächst, Forderungen werden lauter: „Wasser gehört uns allen – Wasser in Bürgerhand!“. Die natürliche, unverzichtbare Ressource Wasser ist Menschenrecht und darf nicht als Geschäftsobjekt missbraucht werden. Hier und weltweit. Wird womöglich zukünftig nach dem lebensnotwendigen Grundversorgungsmittel Trinkwasser auch unsere Atemluft als Eigentum von Konzernen wie RWE zur Quelle hoher Renditen? Von der Ironie zur Geschäftsidee ist es nicht weit…

„Akzeptiert man die Privatisierung des Wassers, akzeptiert man die Vermarktung des Lebens“ (Riccardo Petrella)

Von Claus Kittsteiner, „Berliner Wassertisch“

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