Nördlich von Magdeburg liegt das größte Kriegsvorbereitungsgelände auf dem Boden der BRD, der Truppenübungsplatz Colbitz-Letzlinger Heide. Kriegseinsätze werden dort geübt mit Panzern und Raketen und Aufstandsbekämpfung in einem geräumten Dorf und künstlichen Stadtumgebungen – letzteres wird gerade ausgebaut, inkl. U-Bahnhof… Die Bundeswehr nutzt den Standort, der privat bewirtschaftet wird – bis vor kurzem von der Serco GmbH und SAAB und seit einiger Zeit von Rheinmetall (vgl. SZ-Schwerpunkt zu Rheinmetall), die sich damit ein Testgelände gespart haben und dort nebenbei ihre neuesten Panzer probefahren lassen können.
Rheinmetall berichtet auf der eigenen Homepage stolz über seinen Dienst an der Allgemeinheit:
September 2009
Rheinmetall Defence sorgt in der Altmark für reibungslosen Betrieb des Gefechtsübungszentrum des HeeresRealitätsnah via Bits und Bytes
Das federführend von Rheinmetall Defence entwickelte und gebaute Gefechtsübungszentrum des Heeres (GÜZ) auf dem Truppenübungsplatz Altmark in der Colbitz-Letzlinger Heide nördlich von Magdeburg gehört weltweit zu den modernsten militärischen Ausbildungseinrichtungen. Hier üben die Soldaten in Verbänden bis zur Bataillonsstärke in einer Mischung aus realem Manöver und IT-gestützter Live-Simulation die Panzerabwehr, den Häuserkampf oder das Verhalten gegenüber einer aufgebrachten Menschenmenge. Für die industrielle Betriebsunterstützung des GÜZ ist seit 1. September 2008 die Rheinmetall Dienstleistungszentrum Altmark GmbH (RDA) verantwortlich, die ihrerseits im Auftrag der Rheinmetall Defence Electronics GmbH in Bremen arbeitet. Die Aufgaben der Bundeswehr haben sich seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts stark verändert. Standen früher die Landesverteidigung und die gegenseitige Beistandsverpflichtung innerhalb des Nato-Bündnisses im Vordergrund, so sind heute Out-of-Area-Einsätze immer häufiger an der Tagesordnung. Bei diesen Einsätzen tragen deutsche Streitkräfte in multinationalen Verbänden dazu bei, den Frieden zu sichern. Beispiele hierfür sind das Kosovo, Afghanistan oder das Seegebiet vor dem Horn von Afrika. Um den Soldaten eine optimale Ausbildung und damit einen bestmöglichen Schutz zu geben, setzt man bei der Bundeswehr auf ein simulationsgestütztes Training, das ein hohes Maß an Realitätsnähe, Effizienz und Wirtschaftlichkeit bietet. Herzstück dieser Technik ist das Ausbildungsgerät Duellsimulator. Dabei werden der Schuss und die Wirkung im Ziel per Laserimpuls und Laserecho simuliert.Das Gelände des GÜZ, das rund 23.000 Hektar umfasst, wurde seit Mitte der dreißiger Jahre militärisch genutzt. Nachdem die in der ehemaligen DDR stationierten russischen Truppen im Jahr 1994 abgezogen waren, wurde das Areal von der Bundeswehr übernommen und nach und nach zu einem hochmodernen Gefechtsübungszentrum ausgebaut.
„Der wesentliche Unterschied zwischen einem herkömmlichen Truppenübungsplatz und dem GÜZ besteht darin, dass wir hier nicht scharf schießen“, sagt Oberst Gerd Josef Kropf, der seit über zwei Jahren als Leiter an der Spitze des GÜZ steht. Vielmehr setzt man auf die hochentwickelte Simulationstechnik, die entscheidend dazu beiträgt, dass die Soldaten die Ausbildungsinhalte auch annehmen. „Wenn wir uns vor 20 Jahren darüber unterhalten haben, was eigentlich während einer Übung geschehen ist, sprechen wir heute darüber, warum es passiert ist, und wie wir es nächstes Mal besser machen können“, bringt er es auf den Punkt. Aufgrund dieses unmittelbaren Trainingserfolgs genießt das GÜZ bei der Truppe ein hohes Ansehen.
Im Übungszentrum werden nicht nur Verbände des Heeres ausgebildet, sondern ebenso Soldaten aller Teilstreitkräfte und militärischer Organisationsbereiche. Die einsatzvorbereitende Ausbildung, also das Training für Auslandseinsätze in den Krisenregionen der Welt, macht zurzeit rund zwei Drittel der insgesamt 21 Übungsdurchgänge pro Jahr mit zusammen gut 240 Übungstagen aus. Die anderen Durchgänge gelten so genannten Operationen Verbundener Kräfte, bei denen unterschiedliche Waffengattungen wie etwa Panzer, Pioniere, Artillerie und Luftwaffe gemeinsam die Abwehr eines Feindes üben. „Somit können wir die gesamte Bandbreite von friedensstabilisierenden Maßnahmen bis hin zu traditionellen Kriegsszenarien hochgerüsteter Armeen abdecken“, so Oberst Kropf.
Neben deutschen Einheiten trainieren auch Streitkräfte anderer Staaten immer wieder im GÜZ. Hierzu gehören etwa die im Kosovo eingesetzten Truppen des Österreichischen Bundesheeres (Kfor), französische Verbände der Deutsch-Französischen Brigade oder belgische und luxemburgische Truppenteile der EU-Battle-Group. Da das GÜZ über einen eigenen Gleisanschluss verfügt, können die Gefechtsfahrzeuge der Übungstruppe von der Eisenbahn direkt in die Einrüsthalle, wo sie mit der Simulationstechnik ausgestattet werden, und anschließend auf den Übungsplatz rollen.
Pro Jahr durchlaufen rund 25.000 Soldaten das GÜZ. Für deren realitätsnahe Ausbildung sorgen neben der von Rheinmetall Defence gelieferten GÜZ-spezifischen Simulationstechnik insgesamt 1.150 Personen. Dazu gehören 700 Soldaten, von denen 500 ihren Dienst im Ausbildungsverband leisten. Dieser Verband kann sowohl eine reguläre Armee darstellen als auch Polizeikräfte, Mitglieder der organisierten Kriminalität oder die einheimische Bevölkerung. Damit sich das Militär voll und ganz auf die Ausbildung konzentrieren kann, werden alle unterstützenden Tätigkeiten entsprechend des Public-Private-Partnership-Konzepts (Öffentlich-Private Partnerschaft) gemeinsam mit einem industriellen Betreiber durchgeführt.
Diese Aufgabe liegt seit dem 1. September 2008 in den Händen des Defence-Geschäftsbereiches Simulation und Ausbildung. Mit der Durchführung der Unterstützungsleistungen vor Ort wurde die eigens für diesen Zweck neu gegründete RDA mit Sitz im GÜZ beauftragt, die ihre Dienstleistungen in enger Abstimmung mit dessen Leiter erbringt.
„Als integraler Bestandteil des Gefechtsübungszentrums tragen wir Mitverantwortung für den reibungslosen Ablauf des Übungsbetriebs“, erklärt RDA-Geschäftsführer Jens Heusmann (45). Die Aufgaben – in der Bundeswehr als Arbeitspakete bezeichnet – des industriellen Betreibers sind in einem über 130 Seiten langen Lastenheft mit diversen Anlagen beschrieben. Dazu zählen Betrieb und Betreuung der Zentrale, der Laser-Duellsimulatoren und des gesamten Kommunikationsnetzes einschließlich der Computer-Hardware, aber ebenso die Wartung und Instandsetzung der Gefechtsfahrzeuge, vielfältige Leistungen bei der Aus- und Rückgabe sowie Pflege und Lagerung der umfangreichen Simulationstechnik sowie der Fuhrpark.
Basierend auf der langjährigen, GÜZ-spezifischen Erfahrungen des Geschäftsbereiches Simulation und Ausbildung aus der Entwicklungs-, Bau- und anfänglichen industriellen Betriebsphase sowie zahlreicher systemtechnischer Erweiterungen gelang es, die Tätigkeit des bisherigen industriellen Betreibers ohne Störung des laufenden Übungsbetriebes nahtlos durch die RDA fortzuführen.
Die Organisationsstruktur des Unternehmens, dessen Mitarbeiter zum größten Teil aus der Region stammen, orientiert sich an den von der Bundeswehr definierten Arbeitspaketen, ist zugleich aber auch für künftige Aufgabenstellungen wie etwa Einsatzszenarien in urbaner Umgebung ausgelegt. Da ein Teil des kaufmännischen Bereichs und der Verwaltungstätigkeiten von der Bremer RDE übernommen werden, ist die Verwaltung am Standort sehr schlank gehalten. „So konnten wir gleichsam von null auf hundert durchstarten. Denn die kurze Übergangsphase diente vor allem dazu, den Betrieb des GÜZ zu übernehmen und weniger dem formalen Aufbau einer neuen GmbH“, so Heusmann.
Der Betrieb des GÜZ verlangt den RDA-Mitarbeitern viel ab. Denn an einem Übungsdurchgang können bis zu 1.500 Soldaten und mehrere hundert Rad- und Kettenfahrzeuge beteiligt sein. Um so viele Menschen und Fahrzeuge in die Gefechtsfeldsimulation einbinden zu können, sind ebenso viele Rüstsätze erforderlich, die in einem automatischen Hochregallager mit über 2.400 Plätzen lagern.
Ein solcher Rüstsatz besteht aus einem Lasersender, einem Datenfunkgerät mit GPS-Antenne, Triple-Prismen und Detektoren sowie einem Netzteil – im Fall der Soldaten ein Akku-Pack. Die Fahrzeuge werden außerdem mit optischen Anzeigen wie Stroboskoplampen, Signalleuchten oder Einrichtungen für pyrotechnische Effekte ausgestattet. Zudem müssen während eines Übungsdurchgangs, der in der Regel zwei Wochen dauert, die Geräte ständig gewartet und defekte Komponenten ausgetauscht werden. „So schaffen wir für den Ausbildungsverband und die Übungstruppe die technischen Voraussetzungen für die Gefechtsfeldsimulation“, erklärt Heusmann.
Aber die so genannte Einrüstung sowie die Wartung der Simulationstechnik sind nur ein Teil des Aufgabengebiets des industriellen Betreibers. Er stellt außerdem Fahrzeuge mit Fahrern für die Ausbilder zur Verfügung. Ferner sorgt er für Kamerateams, die den Verlauf der Übung aufnehmen. Auch der gesamte Funkverkehr – hierfür stehen 36 Truppensprechfunkkanäle und 12 digitale Kanäle (Tetra-Funk) zur Verfügung – wird rund um die Uhr dokumentiert. Schließlich betreibt die RDA die gesamte IT-Infrastruktur des GÜZ mit zusammen mehreren hundert Rechnern und Servern. „Erst durch die Verbindung von Daten- und Simulationstechnik kann der militärische Ausbildungsauftrag vollständig erfüllt werden“, konstatiert Heusmann. Dazu gehört beispielsweise, dass sich die in der Auswertezentrale aufgelaufenen Daten einer Übung sofort in Form von Multimedia-Ausbildungsbesprechungen an die Truppe übermitteln lassen. So können die Ausbilder mittels mobiler Auditorien gemeinsam mit den Soldaten noch auf dem Gefechtsfeld den Übungsverlauf exakt und anschaulich analysieren. Schließlich wird das gesamte Datenmaterial gesichert und kann so auch später wieder reproduziert werden.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Militär und industriellem Betreiber erfordert von den RDA-Mitarbeitern viel Einfühlungsvermögen. „Dabei hilft sicherlich, dass eine Reihe von ihnen ehemalige Soldaten sind und diese Kompetenzen entsprechend einsetzen können“, so Heusmann. Dies trifft auch für ihn zu. Denn nach dem Abitur ging er zur Bundeswehr und schlug dort die Offizierslaufbahn ein. Während dieser Zeit absolvierte er ein Studium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften, das er mit dem akademischen Grad Diplom-Kaufmann abschloss. 1996 wurde er als Ausbilder ins GÜZ versetzt, das sich damals gerade im Aufbau befand, und wechselte schließlich Anfang 1998 in die Industrie.
Wie Jens Heusmann gehört auch der Geschäftsbereich Simulation und Ausbildung von Rheinmetall Defence in Bremen als Systemanbieter für moderne Simulationstechnik zu den Pionieren im GÜZ. Die gesamte Entwicklung sowie der Bau und die zwischenzeitlich durchgeführten Erweiterungen des GÜZ erfolgten unter dessen Federführung. Mitte vergangenen Jahres wurden – wie berichtet – die Datenverarbeitungsanlagen und das Audio-/Videosystem der Leitungs- und Auswertezentrale sowie der Daten- und Sprechfunk erneuert. Außerdem brachte man das Kommunikationsnetz des Truppenübungsplatzes, die Betriebstechnik der Kommunikationszentrale und die Ausbildungsterminals auf den neuesten Stand der Technik und lieferte weitere mobile Videosysteme und Fahrzeugzielsysteme. Aktuell erfolgt momentan die datenfunktechnische Anbindung des bisher noch nicht genutzten Südteils des Übungsplatzes an die Leitungs- und Auswertzentrale. Und mit dem mobilen Mout-Trainingssystem, das speziell für die Simulation von Einsätzen in urbaner Umgebung entwickelt wurde, ist der Geschäftsbereich Simulation und Ausbildung auch für die ins Auge gefasste Erweiterung der Übungsszenarien im GÜZ bestens gerüstet.
Ulrich Sasse, Geschäftsbereichsleiter Simulation und Ausbildung in Bremen, resümiert: „Das Projekt GÜZ beweist einmal mehr die Fähigkeit von Rheinmetall Defence, nicht nur bedarfsgerechte, hochmoderne und komplexe Ausbildungseinrichtungen entwickeln und liefern zu können, sondern im Verbund mit umfangreichen Dienstleistungen allen Anforderungen an eine moderne und effektive Ausbildung gerecht zu werden.“