Auch nach den Vorbereitungen auf den G-20-Gipfels gilt: Nüchtern betrachtet ist die EU mit den Versuchen eines konsistenten finanz- und strukturpolitischen Handelns in der Krise bisher gescheitert. Weder war sie bisher in der Lage, wirksame Instrumente zur Reorganisation des Finanzsektors zu finden, noch Rahmen für die Entwertung des relativ überschüssigen Kapitals zu organisieren. Auch die Aufstellung der europäischen Wirtschaft für die Nachkrisenzeit kann von ihr bisher nur schwach begleitet werden.
Was bleibt an Handlungsfähigkeit? Der Bereich des Sozialen und damit der Rückzug auf die Funktion der Wahrung von politischer Stabilität. So findet sich im Proposal for the Joint Report on Social Protection and Social Inclusion 2009 folgende Aufgabenstellung:
„The European Social Fund should be used to its full potential in a flexible and timely way to alleviate the social impacts of the crisis, by supporting rapid labour market re-entry of the unemployed and focussing on the most vulnerable. Simplified implementation of Structural Funds and improved coordination with social policies will help. The Commission will issue a regular bulletin to monitor social trends. Reports from Member States could facilitate exchange of information and policy experiences in the Social Protection Committee.“ (COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE COUNCIL, THE EUROPEAN PARLIAMENT, THE EUROPEAN ECONOMIC AND SOCIAL COMMITTEE AND THE COMMITTEE OF THE REGIONS Proposal for the Joint Report on Social Protection and Social Inclusion 2009 Brussels, 13.2.2009 COM(2009) 58 final p. 3)
Aber auch hier geht es eher um eine Fortsetzung alter Strategien, als um ein neues Herangehen. Die Empfehlungen, die die EU-Kommission im Februar im Ergebnis der Prüfung der Berichte verschiedener Länder zu wesentlichen Seiten ihrer Haushaltspolitik formulierte, machen dies deutlich sichtbar.( http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/09/273 (4.3.09)) Sie konzentrieren sich auf das Haushaltsdefizit als solches, fordern die Weiterführung von Reformen in der Alterssicherung und im Gesundheitswesen und damit im Kern die Fortsetzung des Privatisierungskurses. Das Privatisierungsgebot wird auch im aktuellen Proposal for the Joint Report on Social Protection and Social Inclusion 2009 festgeschrieben.( COM(2009) 58 final p. 6)
Die Maßnahmen, die überhaupt ergriffen werden, werden also ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ihrer Kompatibilität mit den Zielen der Lissabon Strategie betrachtet.( COM(2009) 114 p.9-10) Sogar die sozial-stabilisierenden Maßnahmen stehen unter dem Lissabon-Vorbehalt. Mehr noch – die Privatisierungsforderung füttert den Finanzmarkt und wird dementsprechend weitere Krisen herausfordern.
Mit der Lissabon-Strategie haben die EU gemeinsam den Rahmen geschaffen, der prozyklisch die Krise mit zum Ausbruch hat bringen lassen. Der Versuch, im Rahmen dieser Strategie und mit den Instrumenten dieser Strategie die Krise lösen zu können, ist weltfremd, wenn nicht die Stabilität der EU, vor allem die soziale Stabilität, der Ideologie des freien Marktes geopfert werden soll.
Weiter so?
Wollte man eine vorläufige Bilanz des Handelns der EU in der Krise ziehen, so könnte sie so aussehen: die EU-Mitgliedsstaaten haben sich in den vergangenen Jahren eine große Zahl von Verfahren und Institutionen geschaffen, die die Krisen in den einzelnen Ländern miteinander verbinden aber die Freisetzung von Impulsen zur Bekämpfung der Krisen behindern. Die mit dem Euro, den verschiedenen Gemeinschaftspolitiken und Gemeinschaftsprogrammen geschaffenen Möglichkeiten einer konsistenten Konjunkturpolitik werden mit der Lissabon-Strategie in ein Korsett gezwängt, das immer neue innere Widersprüche produziert. Soziale Kohäsion und „freier“ Markt stehen in einem unvereinbaren Widerspruch. Wie sollen konkurrierende Regionen gemeinsam Krisenlösungsstrategien entwickeln, die real Entwertung von dort angesiedeltem Kapital bedeuten muss?
Mehr dazu in der Ausgabe 4 des transform-Journals