Die große Privatisierung

Privatisierung war gestern? Nein – gerade erleben wir die tatsächlich große Privatisierung. Die Groteske um die Zukunft von Opel lässt fast vergessen, wie sehr sich staatliche Intervention zu einer neuen Welle der Privatisierung entfaltet. Man könnte sagen, dass die Verstaatlichung zu einem wesentlichen Hebel einer Privatisierung neuen Typs geworden ist.
Die schwarzen Zahlen, die Banken schreiben, die unter staatliche Konjunkturmaßnahmen geflüchtet sind, sind dafür ein Beleg. Boni, Gehälter und Pensionen von Spitzenmanagern sind ein weiterer. Das munter weiter verbrieft wird, Derivate emittiert werden und natürlich Ratingagenturen weiter raten – niemanden scheint es zu stören. Das mit größter Selbstverständlichkeit die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu einem Puffer gegen die Krisenfolgen genutzt werden, ist ja nichts neues. Auch das dies von denen, die diese Beiträge nicht selber aufbringen sondern bestenfalls verwalten, das auch noch als Wohltat gegenüber denen, die bezahlen deklariert wird, ist auch nicht neu.
Bemerkenswert ist, wie unverhohlen die Verursacher der Krise zu Rettern stilisiert werden. Ein Blick auf den Kreis derer, die die führenden Positionen in den von der Bundesregierungen geschaffenen Krisenbewältigungsorganisationen besetzten, sagt viel. Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Konjunkturpaket I) wird von Hannes Rehm, Vorstandsvorsitzender der Norddeutschen Landesbank bis Dezember 2008, Christopher Pleister, Gerhard Stratthaus, ehemaliger Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken und ehemaliger Finanzminister des Landes Baden-Württemberg geleitet. Die Führung des Deutschlandfonds (Konjunkturpaket II) liegt in den Händen von Michael Rogowski, ehemaliger Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hubertus Schmoldt (Chef der Industriegewerkschaft BCE), Walter Hirche (ehemalige niedersächsische Wirtschaftsminister), Alfred Tacke (früher Wirtschaftsstaatssekretär), Jürgen Heraeus (Unternehmer) und Nikolaus Knauf (Unternehmer), Hubertus Erlen (früher Schering-Chef) und Martin Hellwig (Ökonom). Diese Frage wird uns zu einem späteren Zeitpunkt noch zu beschäftigen haben.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die völlige Unterordnung von Politik und Gewerkschaften unter die Strategie des Opel-Managements. Nachdem über Wochen alle möglichen Leute über die Zukunft eines Unternehmens, das ihnen nicht gehört, diskutierte, wird nun jenseits der Realitäten darüber beraten, wie ein weiteres europäisches Unternehmen zusammengezimmert wird, dass die Überkapazitäten im Automobilsektor auch schön hoch halten soll – auf das die Krise sich verlängere. Da erscheint die Position der schwedischen Regierung in Bezug auf Volvo realistischer, die immerhin anerkennt, dass diese Automassen schlichtweg niemand braucht und dementsprechend die Hilfe für Volvo zielgerichtet mit Maßnahmen zur Umschulung der Beschäftigten verbindet. Dass dies auch noch wenig mit eigentlich notwendiger aktiver Strukturgestaltung zu tun hat, sei dabei erst einmal dahingestellt. Gestaltungswille bei Belegschaften oder auch auf der kommunalen Ebene ist kaum zu beobachten.
Die Verstaatlichung bzw. der in vielen Unternehmen wachsende Einfluss des Staates ist dementsprechend weit von einer Vergesellschaftung oder einer Stärkung des Öffentlichen entfernt. Dazu fehlen im Moment einfach die Akteure, die diesen Übergang einfordern wollten. Der Verzicht auf eine bewusste Gestaltung zukunftsfähiger wirtschaftlicher Strukturen macht die Verstaatlichung zu einer verdeckten Form der Privatisierung gesellschaftlicher Produktivkraft.
So oder so – bezahlen werden es Schluss die abhängig Beschäftigten. Die Umverteilungsmaschine über die Konjunkturpakete und über die damit verbundene wachsende Staatsverschuldung ist in Gang gesetzt und wird, auch angesichts der rasant wachsenden Probleme in den osteuropäischen Mitgliedsstaaten der EU, schnell an Dynamik gewinnen.

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