Für OB Pia Beckmann ist es Vorzeigeprojekt und Meilenstein der Bürgernähe, für Kritiker wie die Die Linke der Ausverkauf der Stadtverwaltung ans Privatkapital. Die Rede ist von der elektronischen Partnerschaft der Stadt mit dem Bertelsmann-Dienstleiter Arvato für das neue Bürgerbüro. Diese soll dank einer von Arvato entwickelten Datenplattform für alle Bürgerdienste 27,5 Millionen einsparen helfen – auf Kosten von 75 Arbeitsplätzen, die nicht wieder besetzt werden sollen.
Anlass für den Rosa-Luxemburg-Club, an diesem Samstag den Workshop „Wie eine Verwaltung privatisiert wird“ zu veranstalten. Referent im „Wörther Hof“ ist Prof. Rudolph Bauer. Der Bremer ist einer der Autoren des Buches „Bertelsmann – Netzwerk der Macht“, in dem auch die Würzburger Arvato-Verbindung kritisch betrachtet wird – wie auf der Information zum Workshop. Dort heißt es unter anderem: „Künftig entscheiden bei Verwaltungsabläufen in Würzburg nicht mehr der Oberbürgermeister und der Stadtrat, sondern Arvato – und im Streitfall der Schiedsrichter.“ Zudem werde die Stadt zum Experimentierfeld für die Privatisierung von kommunaler Verwaltung in Deutschland. Und wenn das ganze nicht funktioniere, zahle die Allgemeinheit die Verluste.
Diese Behauptungen will die Stadt nicht stehenlassen. Es sei zwar nicht üblich, Seminare im Vorfeld zu kommentieren, sagt Rathaus-Sprecher Ole Kruse, aber man könne nicht hinnehmen, dass mit falschen Fakten dass Bürgerbüro-Projekt „auf so billige Weise diskreditiert“ werde.
Kommunalreferent Wolfgang Kleiner, Leiter des elektronischen Pilotprojektes „Würzburg integriert“, hat Holger Grünwedel, dem Sprecher des Luxemburg-Clubs, postwendend geschrieben und unter anderem mit-
„Verantwortung bei Stadt“
geteilt, Arvato sei lediglich in technische Abläufe eingebunden. Die Verantwortung für die Verwaltungsvorgänge bleibe uneingeschränkt im Hohheitsbereich der Stadt. Das finanzielle Risiko trage allein Arvato.
Grünwedel zeigte sich verwundert über die Reaktion der Stadt und mutmaßt, in eine offene Wunde gestochen zu haben. Er freue sich aber über jede Transparenz zu diesem „heiklen Thema“ und werde die Informationen von Kleiner selbstverständlich den 30 Teilnehmern des Workshop vorlegen. Dieser sei im übrigen so schnell ausgebucht gewesen, dass man die vorgesehenen Flyer gar nicht drucken brauchte. Viele Teilnehmer hätten sich aus Städten angesagt, in denen Arvato mit dem Würzburger Projekt hausieren gehe.
Stadt-Sprecher Kruse kann die Vorbehalte nicht verstehen. Das Projekt, das dem Bürger für seine Anliegen eine zentrale Anlaufstelle verspricht, hätte die Stadt nicht alleine schultern können. Im übrigen blieben alle Daten im Rathaus gespeichert. Das neue Bürgerbüro soll im Frühjahr öffnen.
Mainpost, 8.12.07