Wie stark sich die geradezu explodierende Einkommensungleichheit in den USA auf eine winzige Spitzengruppe fokussiert deren Position zunehmend das jahrhundertalte Gefüge kapitalistischer Einkommensungleichheit zu sprengen beginnt, zeigt eine spannende Kontroverse, die nur wenig Resonanz über US-amerikanische Medien hinaus hatte. Im März 2007 hatte u.a. die New York Times in mehreren bemerkenswerten Beiträgen auf Analysen zur Einkommensentwicklung in den USA aufmerksam gemacht:
- David Cay Johnston: Income Gap is Widening, Date Shows (NYT v. 29.3.2007); der Beitrag bezieht sich auf einen Beitrag von
- Emmanuel Saez: „Income Inequality in the United States, 1913-1998“ with Thomas Piketty, Quarterly Journal of Economics, 118(1), 2003, 1-39 (Longer updated version published in A.B. Atkinson and T. Piketty eds., Oxford University Press, 2007) (TABLES AND FIGURES UPDATED TO 2005 in Excel format, March 2007). Beide hatten die Einkommensentwicklung anhand der berichteten Angaben zur Versteuerung rekonstruiert. Dazu auch ein Überblick des Center on Budget and Policy Priorities vom 29.3.2007. Auf eine Kritik aus dem CATO-Institut an Saez-Piketty replizierte Saez, es folgte eine Antwort von Reynolds. Erneut aufgegriffen wurde die Thematik schließlich kurz darauf von
- Louis Uchitelle: The Richest of the Rich, Proud of a New Gilded Age (NYT vom 15.7.2007)
Was sind die wesentlichen Punkte dieser Entwicklung?
Die aktuelle Situation wird mit dem Goldenen Zeitalter vor dem ersten Weltkrieg verglichen – seit den 70ern entstanden erneut die Figuren der Barone und Tycoone des (nun neoliberalen) Kapitalismus. Gates und Buffett gehören nun zur Gruppe der „30 reichsten“ Amerikaner in der US-Geschichte. Und es geschah ein drittes Mal, was zuvor nur 1915/1916 und dann in den 20ern geschehen war: das oberste 1/100 Prozent (also etwa 15 000 Familien) mit einem Einkommen von mindestens 9,5 Mio. $ im Jahr eignet sich fünf % des Einkommens aller Amerikaner an (das Durchschnittseinkommen in dieser Gruppe betrug 2005 25,7 Mio $). Ähnliches gilt, wenn man das oberste 1 Prozent betrachtet: diese Gruppe mit einem Jahreseinkommen ab 348 000 $ hat mit 21,8 % (2005) ihren Anteil seit 1980 mehr als verdoppelt und seit 1928 keinen vergleichbar großen Einkommensanteil mehr erreicht; ähnliches gilt für die oberen 10 % (ab 100 000 $).
Insgesamt entspricht 2005 das Einkommen dieser 300 000 Amerikaner an der Spitze der Einkommens“pyramide“ mit 48,5 % fast dem Einkommen der „unteren“ 150 Millionen Amerikaner; das durchschnittliche Einkommen in der oberen Gruppe lag 440 Mal höher als das durchschnittliche Einkommen der übrigen Amerikaner. Die Ungleichheitsspanne hat sich krass vergrößert: in den späten siebziger Jahren lag der Anteil dieser „Top Ten“ noch bei ca. 33 %, 1928 waren es 49,3 %. Das bedeutet auch: die Einkommenszunahme seit den frühen 80ern geht fast ausschließlich auf das Einnahmenwachstum des obersten Prozent zurück.
Der Präsident der USA George Bush vermerkte denn auch am 31.1.2007 völlig richtig: „The fact is that income inequality is real; it`s been rising for more than 25 years.“