Bolivien verstaatlicht Eisenbahnen

[lang_de]Der bolivianische Präsident Evo Morales gab am Sonntag die Verstaatlichung der Zuggesellschaften bekannt. Betroffen von der Ankündigung werden chilenische und US-amerikanische Firmen sein, die das Eisenbahnnetz im Rahmen der Privatisierung vor zehn Jahren unter sich aufgeteilt haben.
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Bis Anfang August müssen die 21 Kommissionen der „Constituyente“, der verfassungsgebenden Versammlung, ihre Ergebnisse übergeben, weshalb die Spannung steigt. Probleme gibt es vor allem um die Ausgestaltung des „Autonomienstaats“. Indigene Völker haben die Autonomieforderungen der vier reichen Departements für sich gewendet. Sie fordern nun die Einrichtung „indigener Selbstverwaltungsgebiete“.

Am vergangenen Sonntag [extern] kündigte Evo Morales die Renationalisierung der „Empresa Nacional de Ferrocarriles“ (Enfe) an. Mit der Verstaatlichung der Zuggesellschaften geht Morales einen weiteren Schritt weiter, um die Privatisierungen der Vorgängerregierungen wieder rückgängig zu machen, damit die natürlichen Ressourcen auch der Bevölkerung eines der ärmsten Länder Lateinamerikas zu gute kommen können. „Die Leute, die damals die Privatisierung auf den Weg brachten, sollen uns heute bitte erklären, wo denn die Früchte dieses Prozesses sind“, sagte Morales. „Die Kapitalisierung fand nie statt. Stattdessen wurde dem bolivianischen Volk und unseren Firmen das Kapital entzogen, und deswegen beginnen wir jetzt wieder mit der Nationalisierung“.

Enfe wurde 1996 teilprivatisiert und aufgeteilt. Die mächtige chilenische Gruppe Luksic bekam den Zuschlag für die Empresa Ferroviaria Andina (EFA), die das Streckennetz in der Andenregion betreibt. Sie versprach Investitionen in einer Höhe von 13.2 Millionen US-Dollar in das 2.261 Kilometer lange Schienennetz. Die Firma „Trenes Continentales“, eine Filiale der US-amerikanischen Firma Genesee Wyoming erhielt die Kontrolle über das Netz im reichen Tiefland im Osten des Landes. Zwar gehören in beiden Fällen bisher theoretisch noch 49 Prozent dem „bolivianischen Volk“, allerdings werden diese Anteile von der spanischen Großbank Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) und der schweizerischen Finanzinstitution Zurich Financial Service verwaltet. Die neue Verstaatlichung hat in diplomatischen Kreisen und bei Unternehmern in Chile für Unmut gesorgt. Ein geplantes Treffen für Mittwoch zwischen chilenischen Unternehmern und der bolivianischen Regierung wurde verschoben. Dabei sollte es auch um ein Abkommen zur Verstärkung der Beziehungen zwischen Chile und Bolivien gehen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die betroffenen Firmen fürstlich entschädigt werden, ähnlich wie bei der Übernahme der Raffinerien von der brasilianischen Petrobras im Mai (Streit zwischen Bolivien und Brasilien über Verstaatlichung von Ölraffinerien beigelegt). Morales kann kein Interesse an einem Streit mit dem Nachbarn haben, schließlich haben sich die chilenischen Häfen Arica und Antofagasta in die Hauptumschlagplätze für Mineralien und landwirtschaftliche Erzeugnisse Boliviens verwandelt.

Die Regierung Morales geht nun einen weiteren Schritt, nach der Nationalisierung des Öl- und Gassektors, der Landreform, der Verstaatlichung einer Gießerei im Februar, die der Schweizer Firma Glencore gehörte, und der Übernahme von Raffinerien von Petrobras. Mit der italienischen Telecom befindet sich die Regierung derzeit noch in einem Streit über die Kontrolle des Telekommunikationsunternehmens Entel.

Autor: Ralf Streck, in Telepolis, 18.07.2007 [http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25740/1.html][/lang_de]

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