Weltbank-Studie "Where is the Wealth of Nations?"

Die vor einigen Wochen erschienene Studie monetarisiert, was ihr so unter kommt: Fischbestände, Wälder, Bodenschätze und Energievorkommen, immaterielle Güter wie Bildung, Regierungsführung und Behördenqualität. Während bei den Ärmsten ein Drittel bis die Hälfte des Reichtums aus Naturressourcen besteht, liegt dieser Anteil in der BRD bei einem Prozent. In den reichen Ländern liegt mehr als 80 % des Reichtums in so genanntem immateriellen Kapital wie Bildung und funktionierendem Rechtssystem. Lesenswert in diesem Zusammenhang auch Marco Morosinis Artikel „Reichtum oder Wohlstand“ in GAIA 1/2005 und eine Replik von Rademacher.

Hessischer Landtag beraet Privatisierung des Uniklinikums Marburg-Giessen

WIESBADEN. Einen Gesetzentwurf der Landesregierung zur geplanten Privatisierung des fusionierten Uni-Klinikums Gießen und Marburg hat der hessische Landtag am 22. September beraten. Der Gesetzentwurf sieht vor, das privatisierte Uni-Klinikum unter der Rechtsaufsicht des Wissenschaftsministeriums zu belassen. Das Ministerium behält sich dem Entwurf zufolge außerdem das letzte Wort in Berufungsverfahren vor. Wissenschaftsminister Udo Corts (CDU) sagte im Landtag, ein Teil der Beschäftigten – unter anderem das wissenschaftliche Personal – solle im Landesdienst bleiben.
Die FDP-Wissenschaftspolitikerin Nicola Beer sieht das Hauptproblem darin, die Freiheit von Forschung und Lehre zu sichern, aber gleichzeitig das zu privatisierende Klinikum attraktiv für potenzielle Investoren zu machen. Durch die geteilte Zuständigkeit für das Personal werde es dazu kommen, dass das Land die Professoren und der private Betreiber die Chefärzte berufe. Beer stellte es als unausweichlich dar, dass die beiden Medizin-Fachbereiche mittelfristig fusionierten.
Für die SPD unterstrich der Arzt und mittelhessische Abgeordnete Thomas Spies das grundsätzliche Nein seiner Fraktion zu den Privatisierungsplänen. Die meisten Menschen in Mittelhessen seien gegen dieses Vorhaben. Ähnlich äußerte sich die Grünen-Wissenschaftsexpertin Sarah Sorge. Alle in einer Anhörung angesprochenen offenen Fragen seien in dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht beantwortet. Als Beispiele nannte sie eine nicht geklärte Altersvorsorge der Klinikbeschäftigten und eine Bundesförderung für den Hochschulbau, die vermutlich auslaufen würde und möglicherweise sogar zurückgezahlt werden müsse./hil/ddp
Quelle: Deutsches Ätzteblatt >>> http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=21475

Neukoelln privatisiert Dienstleistungen – Gewerkschafter-Protest bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2006/2007

Berlin – Massive Privatisierung bislang öffentlicher Dienstleistungen und Einsparungen im Personalbereich sind die Schwerpunkte des Neuköllner Doppelhaushalts für 2006/2007. Der wurde von den Bezirksverordneten der SPD und Grünen sowie zwei Linkspartei.PDS-Vertretern abgesegnet.
CDU und FDP sowie ein Verordneter der Linkspartei stimmten dagegen. Vor der Sitzung hatten Friedhofsmitarbeiter und Ver.di-Gewerkschafter 3500 Unterschriften als Protest gegen die Privatisierung des Friedhofsamtes übergeben. Für 2006 stehen insgesamt 552,25 Millionen Euro zur Verfügung. Gegenüber 2004 müssen laut Senatsvorgabe zehn Prozent Personalmittel über zwei Jahre eingespart werden. „Daher wird das Friedhofsamt seine Aufgaben privat vergeben und auch der Pförtner- und Postdienst sowie die Eigenreinigung des Rathauses werden privatisiert“, sagt Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). Die Mitarbeiter kommen in den Personalüberhang.
Zehn Mietobjekte wie das Wohnungsamt an der Lahnstraße werden gekündigt, Grundstücke verkauft. Die neun Gesundheitsstandorte werden laut Buschkowsky auf drei konzentriert. Zur Pflege der wichtigsten öffentlichen Grünanlagen – Schulhöfe, Spielplätze, Körner- und Schulenburgpark, Britzer Schloßpark – gibt es 1,2 Millionen Euro mehr. Für die anderen Flächen werden verstärkt Private eingesetzt. Das zusätzliche Geld muß beim Personal der Bauabteilung eingespart werden. Das entspricht etwa 25 Mitarbeitern. Baustadträtin Stefanie Vogelsang (CDU): „Mehr Geld für Grünpflege ist erfreulich. Das darf aber nicht auf Kosten der Gartenarbeiter passieren.“ Erstmals gibt es im Haushalt eine Rücklage für die passive Phase von Mitarbeitern in Altersteilzeit. „Bisher ist das nirgends geregelt“, so Buschkowsky. Insgesamt bereitet der Haushalt allen Parteien Bauchschmerzen. „Er ist nicht auskömmlich, hat falsche Schwerpunkte, der Wertausgleich kommt zu kurz“, klagt Gabriele Vonnekold (Grüne).
von Gabi Zylla
Artikel erschienen am 23. September 2005 in „Die Welt“

Forbes – Liste der Reichsten

Das US-Magazin Forbes veröffentlichte diese Woche seine Liste der 400 reichsten US-Amerikaner für das Jahr 2005. Der erste Forbes-Bericht, de vor 23 Jahren publiziert wurde, dokumentierte einen Reichtum von 92 Mrd $ für diese Gruppe. 2005 waren es 1,13 Billionen $, rund 125 Milliarden Dollar mehr als noch im vergangenen Jahr. Die Eintrittsgrenze in den Club der 400 lag diesmal bei 900 Millionen Dollar – 150 Millionen mehr als ein Jahr zuvor.
Die Spitzenpositionen machen aus:
1 Gates, William Henry III 51,000 49 Medina, WA Microsoft
2 Buffett, Warren Edward 40,000 75 Omaha, NE Berkshire Hathaway
3 Allen, Paul Gardner 22,500 52 Seattle, WA Microsoft, investments
4 Dell, Michael 18,000 40 Austin, TX Dell
5 Ellison, Lawrence Joseph 17,000 61 Silicon Valley, CA Oracle
6 Walton, Christy 15,700 50 Jackson, WY Wal-Mart inheritance
6 Walton, Jim C 15,700 57 Bentonville, AR Wal-Mart
8 Walton, S Robson 15,600 61 Bentonville, AR Wal-Mart
9 Walton, Alice L 15,500 56 Fort Worth, TX Wal-Mart
10 Walton, Helen R 15,400 86 Bentonville, AR Wal-Mart
11 Ballmer, Steven Anthony 14,000 49 Redmond, WA Microsoft
12 Anthony, Barbara Cox 12,500 82 Honolulu, HI Cox Enterprises
12 Chambers, Anne Cox 12,500 85 Atlanta, GA Cox Enterprises
12 Johnson, Abigail 12,500 43 Boston, MA Fidelity
15 Adelson, Sheldon 11,500 72 Las Vegas, NV Casinos, hotels
16 Brin, Sergey 11,000 32 San Francisco, CA Google
16 Page, Larry E 11,000 32 San Francisco, CA Google
18 Omidyar, Pierre M 10,200 38 Henderson, NV Ebay
19 Kerkorian, Kirk 10,000 88 Los Angeles, CA Investments, casinos
19 Mars, Forrest Edward Jr 10,000 74 McLean, VA Candy
19 Mars, Jacqueline 10,000 66 Bedminster, NJ Candy
19 Mars, John Franklyn 10,000 69 Arlington, VA Candy
23 Kluge, John Werner 9,000 91 Palm Beach, FL Metromedia
24 Icahn, Carl 8,500 69 New York, NY Leveraged buyouts
25 Redstone, Sumner M 8,400 82 Beverly Hills, CA Viacom
Die beiden Gründer der Suchmaschine Google Brin und Page rückten vom 43. auf den 11. Platz hoch und werden auf je 11 Milliarden Dollar besitzen. Warren Buffett ist Investor und Chef von Berkshire Hathaway, Paul Allen (22,5 Milliarden Dollar) ist Microsoft-Mitbegründer und Michael Dell bekanntlich ebenfalls Computerunternehmer. Forbes bringt eine nette Diashow über die Wohnungen der Rich und eine zweite über ihre Ferienresorts, zählt deren gute Taten – ein paar Millionen – für die Beseitigung der Katrina-Folgen auf und bewirbt die Autos der zehn super-rich, an der Spitze den Maybach. Siehe http://www.forbes.com/home/lists/2005/09/19/400-richest-americans-2005-list_05rich400_land.html

Private Kriegsdienstleister militarisieren Lateinamerika

In Südamerika haben sich die USA fast unbemerkt in diverse Kriege eingekauft, ohne die rote Linie überschreiten zu müssen: Seit zehn Jahren haben die USA stillschweigend in Lateinamerika aufgerüstet. Jenseits weltpolitischer Brennpunkte und unbehelligt von medialer Aufmerksamkeit richteten sie neue Stützpunkte ein. Mit einem simplen Trick wurden unzählige „Militärberater“ in den Andenstaaten stationiert, ohne dass etwa die Öffentlichkeit in den USA und anderswo weiß, wie viele es sind und was sie eigentlich tun. Mehr im Freitag.

Reichtumstest

Der Global Rich Test zeigt ziemlich gut, dass fast jede/r, der das hier liest, schlicht zur Kategorie der Reichen gehört -> http://www.globalrichlist.com/index.php

CISPES (El Salvador): Materialien gegen die Zentralamerikanische Freihandelszone

Die US-amerikanische El Salvador-Soli-Organisation bietet Materialien gegen die Zentralamerikanische Freihandelszone
Aus der Selbstdarstellung von CISPES: The Committee in Solidarity with the People of El Salvador (CISPES) has been working since 1980 in solidarity with the FMLN (Farabundo Marti National Liberation Front) and the Salvadoran social justice movement to promote an alternative to the oppressive US-backed policies of the Salvadoran right.
Today, a decade after the signing of the Salvadoran Peace Accords, the struggle for a more just society continues on many socio-economic fronts. CISPES currently works within the solidarity and anti-corporate globalization movements, to build a cross-border movement that can confront the injustices of the neoliberal economic model that is ravaging El Salvador and much of the globe.
In particular, CISPES is now helping to launch a hemisphere-wide campaign against CAFTA, a proposed free trade agreement between the United States and Central America modeled on NAFTA, and which was promoted by George W. Bush in a March 2002 visit to El Salvador.

Privatisierung der Weltbank gescheitert. Argentinische Regierung legt sich mit franzoesischem Multi an – wegen der Wasserversorgung in Buenos Aires

PORTO ALEGRE taz Es ist ein Signal: Der französische Wassermulti Suez will sich aus aus Buenos Aires zurückziehen. Man werde den eigenen Aktionären empfehlen, den „Konzessionsvertrag“ aufzulösen. Damit wird erneut deutlich: Die Weltbank ist mit ihrer Politik gescheitert, die öffentlichen Dienstleistungen in den Schwellenländern zu privatisieren.
Der argentinische Staatschef Néstor Kirchner reagierte deutlich auf den Rückzug des Wasserkonzerns: „Sollen sie doch gehen, wenn sie gehen wollen.“ Der Konzern habe die Wasserpreise unzumutbar erhöht und dennoch völlig auf Investitionen verzichtet. „Dieser Präsident wird nicht zulassen, dass die Firma dem argentinischen Volk weiterhin Trinkwasser und Abwasserkanäle vorenthält.“ Andere Investoren würden sich durch diese Vorgaben nicht abschrecken lassen, fügte Kirchner trotzig hinzu.
1993 war das öffentliche Wasserwerk der argentinischen Hauptstadt privatisiert worden. Es wurde von Aguas Argentinas übernommen, zu dessen Anteilseignern nicht nur Suez gehörte – sondern auch die Weltbank-Tochter IFC. Doch Aguas Argentinas verstieß gleich gegen mehrere Auflagen des Konzessionsvertrags. Die Gebühren wurden bis 2002 um durchschnittlich 88,2 Prozent erhöht, für die ärmsten Nutzer sogar um 177 Prozent. Die Rendite von Aguas Argentinas betrug damals über 15 Prozent im Jahr – weitaus mehr als im internationalen Durchschnitt.
Dennoch ist Aguas Argentinas heute mit knapp 600 Millionen Dollar verschuldet. Denn nach der unvermeidlichen Abwertung des Peso 2001 war es vorbei mit der Privatisierungs-Bonanza: Die Einkünfte in harter Währung gingen drastisch zurück, die Erhöhung der Wasserpreise hielten sich in engen Grenzen.
Nach dem Rückzug von Aguas Argentinas überlegt die Regierung fieberhaft, wie die privatisierten Wasserwerke nun zumindest zum Teil wieder verstaatlicht werden können. Denn Engpässe in der Wasserversorgung sind gerade in den Sommermonaten keine Seltenheit, und im Oktober finden Kongresswahlen statt.
Zudem sind die Streitereien mit Suez noch immer nicht ausgestanden. Denn nun muss geklärt werden, wer für die vorzeitige Beendigung des 30-jährigen Konzessionsvertrags verantwortlich ist. Vor dem Weltbank-Schiedsgericht für Investitionsfragen hat der Multi Argentinien bereits auf Schadensersatz in Höhe von 1,7 Milliarden Dollar verklagt. Umgekehrt will die Regierung Kirchner die Gläubiger des Konsortiums und die argentinischen Gerichte über dessen „gravierende Vertragsverletzungen“ informieren.
Für den Forscher Daniel Azpiazu ist die gescheiterte Wasserprivatisierung in Buenos Aires das Paradebeispiel dafür, dass der Neoliberalismus in Argentinien gescheitert ist: „Die Firmen haben geklaut, der Staat war korrupt, der IWF und die Weltbank stellten sich als Komplizen heraus.“
Zumindest in ihren offiziellen Veröffentlichungen hat die Weltbank inzwischen einen Schwenk vollzogen. Sie propagiert jetzt Public Private Partnerschips und ist von Totalprivatisierungen abgerückt. Allerdings kann sich die Weltbank noch nicht vorstellen, die öffentliche Versorgung wieder ganz den staatlichen Regierungen zu übertragen.
Entsprechendem Druck dürfte sich auch argentinische Wirtschaftsminister Roberto Lavagna in Washington ausgesetzt sehen, wo er ab morgen an den Jahrestreffen von IWF und Weltbank teilnimmt. Die Weltbank etwa hat Argentinien einen 500-Millionen-Dollar-Kredit „für die Verbesserung des Investitionsklimas“ in Aussicht gestellt.
TAZ-Bericht GERHARD DILGER
taz Nr. 7775 vom 22.9.2005, Seite 8, 132
http://www.taz.de/pt/2005/09/22/a0121.nf/text.ges,1

Ideen zur Privatisierung der Verwaltung sollen kein Geheimnis bleiben

Bürgermeister kündigt auf Anfrage der Grünen öffentliche Vorstellung des Gutachtens über die Anstalt öffentlichen Rechts an Überlegungen zur Gründung eines Abwasserbetriebes Ausgangspunkt des Auftrags – Verwaltung relativiert die Aussagekraft
WERNE · Die bisher im stillen Kämmerlein in kleinem Kreise erörterten Gedankenspiele zu einer möglichen Privatisierung von Teilen der städtischen Bauverwaltung (WA berichtete) sollen voraussichtlich Anfang November öffentlich den Fraktionen vorgestellt und diskutiert werden. Das haben Bürgermeister Tappe und der Erste Beigeordnete Christ am Dienstag in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses angekündigt.
Anlass war eine Anfrage von Benedikt Striepens (Grüne). Durch den WA-Bericht aufmerksam geworden, wollte er wissen, wann, von wem und zu welchen Kosten das Gutachten zu dem Thema in Auftrag gegeben worden sei. Er könne sich daran nicht erinnern und habe auch in den Protokollen keinen Vermerk finden können.
Das Wirtschaftsberatungsunternehmen TBBO hatte der Stadt empfohlen, die betreffenden Bereiche in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AÖR) zu überführen und dafür erste Vorschläge unterbreitet. Unter anderem, den Eigenbetrieb für das Bad dabei einzubeziehen.
„Es handelt sich nicht um ein Gutachten, sondern um eine Befassung mit dem Thema, um eine Vorsondierung vorzunehmen“, versuchte Christ die Aussagekraft des Papieres zu relativieren. Soweit sich Kämmereileiter Klaes erinnern konnte, sei die Untersuchung in der vorherigen Ratsperiode eher beiläufig im Bauausschuss erörtert worden. Ausgangspunkt sei die Frage nach der Schaffung eines Abwasserbetriebes gewesen. Da für den Auftrag Fördermittel des Landes aus der Abwasserberatung genutzt worden seien, habe die Stadt nur einen vierstelligen Betrag beisteuern müssen.
Der Finanzfachmann wies darauf hin, dass für eine verlässliche Betrachtung der Privatisierung gar keine Datenbasis vorhanden sei. Eine weitergehende Untersuchung, mahnte Christ, würde sicherliche höhere fünfstellige Ausgaben erfordern.
Gleichwohl hat das Thema einigen im Rat schon den Mund wässrig gemacht. Schließlich stellt der Berater eine jährliche Personalkostenersparnis von einer Million Euro in Aussicht. Das Ergebnis habe ihn schon sehr gewundert, berichtete CDU-Fraktionschef Kranemann als Mitglied des Ältestenrates. Deshalb habe das Gremium empfohlen das Papier zügig allen Fraktionen vorzustellen. „Das muss jetzt folgen“, bestätigte Christ.
Der Westfälische Anzeiger, 22.09.2005, gez. bkr
>>> http://www.westfaelischer-anzeiger.de/lokales/westfaelischer_anzeiger/story.jsp?id=168454

Hohe Juristen gegen Privatisierung des Massregelvollzugs

Hannover (epd). Hochrangige Juristen haben eine Privatisierung des Maßregelvollzugs für psychisch kranke Straftäter klar abgelehnt. „Der Staat muss seine Handlungsspielräume behalten“, sagte der Karlsruher Bundesverfassungsrichter Professor Siegfried Broß am Dienstag in Hannover bei einer Anhörung der Gewerkschaft ver.di. Durch eine Privatisierung öffentlicher Aufgaben verliere er seine Steuerungsfähigkeit und mache sich von den Gesetzen des Marktes abhängig. In der Folge müsse ein riesiger Kontrollapparat aufgebaut werden. Damit könne der Staat aber nichts gestalten.
Die niedersächsische CDU/FDP-Landesregierung plant zurzeit, die zehn psychiatrischen Landeskrankenhäuser an private Träger zu verkaufen. Dort sind auch 1.157 psychisch kranke Straftäter untergebracht. Scharfe Kritik an einer Privatisierung übte Professor Hans-Ludwig Schreiber von der Universität Göttingen: „Das ist ein teilweiser Rückfall in die Institution der Privatstrafe.“ Dies halte er für verfassungswidrig. Zudem beruhten die Berechnungen der Landesregierung „auf einem wirtschaftlichen Irrtum“. Auf das Land kämen hohe Folgekosten zu.
Der frühere Richter am Bundesverwaltungsgericht, Professor Heinz-Joachim Bonk aus Potsdam, hielt zumindest eine teilweise Privatisierung für denkbar. Service-Leistungen wie Küche, Wäsche oder das Gebäude-Management könnten auch im Maßregelvollzug an private Betreiber delegiert werden. Tätigkeiten, die in die Freiheitsrechte eingriffen, müssten aber sowohl in landeseigenen Kliniken wie auch in privat geführten Krankenhäusern Beamten vorbehalten bleiben: „Der Maßregelvollzug ist eine Kernaufgabe des Staates.“
Der Bremer Rechtswissenschaftler Professor Helmut Pollähne erläuterte, dass die Ausführung von Staatsaufgaben laut Gesetz in der Regel nur Beamten übertragen werden dürfe. Eine Ausnahme von dieser Regel könne er im Fall des Maßregelvollzugs nicht sehen: „Das ist derjenige Bereich, in dem der Staat am massivsten in die Rechte des Einzelnen eingreift.“ Die Eingriffe reichten zum Teil noch weiter als beim Strafvollzug. Zudem müsse der Maßregelvollzug im Gemeinwesen Sicherheit gewährleisten.
(epd Niedersachsen-Bremen/b3001/20.09.05)
>>>http://www.epd.de/niedersachsen_bremen/niedersachsen_bremen_index_37273.html

Heiligendamm/Meck-Pomm.: Ein ganzer Ort wird privatisiert

Abgeriegelte Wege, überdimensionale Bauten und Stadtvertreter, die von Geisterhand gesteuert alles befürworten, was der Investor plant. Aus dem Ostseebadeort Heiligendamm wird offensichtlich das, was viele befürchtet haben: Der Investor (EntwicklungsCompagnie Heiligendamm, ECH) plant, den Ort fast komplett abzuriegeln – um ungelenkte und störende Besucherströme fernzuhalten. Heiligendamm wird dann nur noch von der Strandpromenade aus erlebbar sein. Auf http://www.proheiligendamm.de wird sehr schön der laufende Prozess der Privatisierung eines ganzen Küstenortes dargestellt. Ziel: Ein abschließbares Luxus-Ensemble für das Gipfeltreffen der G8-Staatschefs im Jahr 2007.

Kritik an der Privatisierung von Petrom

19. September 2005, Neue Zürcher Zeitung
Kritik an der Privatisierung von Petrom
Der rumänische Präsident rügt Abkommen mit OMV
Der rumänische Staatspräsident Basescu stösst sich daran, dass die Kraftstoffpreise in seinem mit Rohölreserven reichlich gesegneten Land im Gleichschritt zu den Weltmarktnotierungen laufend in die Höhe klettern. Schuld daran sei der im Sommer 2004 erfolgte Verkauf der nationalen Mineralölgesellschaft an die österreichische OMV.
T. K. Wien, 18. September
Benzinpreiserhöhungen sind für die meisten Volkswirtschaften ein Ärgernis, doch in Rumänien mit einem Durchschnittseinkommen von monatlich nur 353 Fr. können sie zu einer Frage des wirtschaftlichen Überlebens werden. Die sukzessive Anpassung des Literpreises Normalbenzin von 27 000 auf rund 37 000 Lei (Fr. 1.58) innerhalb eines Jahres wird in Bukarest umso stossender empfunden, als 80% des Konsums aus eigenen, auf nationalem Territorium gelegenen Rohölreserven stammen. Die rumänische Explorations- und Verteilergesellschaft Petrom lässt sich dadurch freilich nicht beirren: Der Chef des Unternehmens erklärte zu Beginn der letzten Woche, die Absatzpreise müssten an die Vorgaben des Weltmarktes angepasst werden, wolle sich Rumänien nicht dem Vorwurf des Preisdumpings aussetzen.
Basescus Schelte
Der Präsident der Petrom, der Österreicher Wolfgang Ruttenstorfer, liess darüber hinaus verlauten, dass sich das Unternehmen wöchentlich mit dem rumänischen Wirtschaftsminister zur Abstimmung der Geschäftspolitik treffe. Diese Erklärungen reichten dem rumänischen Staatspräsidenten Traian Basescu freilich nicht. Bei seiner Abreise an den Uno-Gipfel fand er Anfang letzter Woche vernichtende Worte für die Petrom-Preispolitik. In New York angekommen, bezeichnete er den im Sommer 2004 erfolgten Verkauf des Unternehmens (und damit auch der gesamten nationalen Rohölreserven) an eine private Gesellschaft (die von Ruttenstorfer geführte österreichische OMV) als «Fehler», und nach seiner Rückkehr am Samstag zweifelte er offen an der Rechtmässigkeit des Privatisierungsvertrages, den er nun überprüfen und später möglicherweise auch veröffentlichen will. Damit hat der streitbare Basescu, der seit Amtsübernahme Ende des vergangenen Jahres immer wieder direkt in die Regierungsgeschäfte eingreift, in ein weiteres Wespennest gestochen.
Reputationsprobleme
Verfassungsspezialisten werfen ihm vor, dass rumänische Staatspräsidenten solche Prüfungen gar nicht vornehmen dürfen, sondern sich im Zweifelsfalle an die zuständigen staatlichen Stellen (in diesem Fall die Wettbewerbsbehörde) wenden müssten. Der ehemalige sozialdemokratische Regierungschef Nastase verteidigte die von ihm selbst (und auch vom österreichischen Regierungschef Schüssel) intensiv «begleitete» Abtretung einer 51%-Aktienmehrheit der Petrom an die OMV als ein vorteilhaftes Geschäft, das der Regierung mit einer Restbeteiligung von 40% genügend Einfluss auf die Preisgestaltung lasse.
Der gegenwärtige Ministerpräsident Popescu Tariceanu kann sich an der Bedrängnis seines Vorgängers jedoch nur beschränkt erfreuen. Er erkennt im Vertragswerk mit der OMV zwar ebenfalls «nicht sonderlich vorteilhafte Klauseln», meint jedoch, dass eine Revision des 1,5- Mrd.-Euro-Geschäftes aus Rücksicht auf die Reputation des auf ausländische Investoren angewiesenen Landes unangebracht und – wegen juristischer Gegenmassnahmen der OMV – auch gefährlich wäre. Einen Ausweg aus dem Dilemma hat nun aber möglicherweise Tanasescu, Nastases Finanzminister und heutiger Vorsitzender des parlamentarischen Haushaltsausschusses, gefunden: Um die Revision des Petrom-Privatisierungsvertrages zu vermeiden und die Energierechnungen für die Bevölkerung verdaubarer zu machen, schlägt er dem Parlament vor, die Treibstoff-Abgaben während sechs Monaten um 13% und den entsprechenden Mehrwertsteuersatz von 19% auf 16% zu kürzen. Dem Dumping-Vorwurf würde sich damit nicht Petrom, sondern der Staat aussetzen.
Diesen Artikel finden Sie auf NZZ Online unter:
>>> http://www.nzz.ch/2005/09/19/wi/articleD5JGO.html