Hohe Juristen gegen Privatisierung des Massregelvollzugs

Hannover (epd). Hochrangige Juristen haben eine Privatisierung des Maßregelvollzugs für psychisch kranke Straftäter klar abgelehnt. „Der Staat muss seine Handlungsspielräume behalten“, sagte der Karlsruher Bundesverfassungsrichter Professor Siegfried Broß am Dienstag in Hannover bei einer Anhörung der Gewerkschaft ver.di. Durch eine Privatisierung öffentlicher Aufgaben verliere er seine Steuerungsfähigkeit und mache sich von den Gesetzen des Marktes abhängig. In der Folge müsse ein riesiger Kontrollapparat aufgebaut werden. Damit könne der Staat aber nichts gestalten.
Die niedersächsische CDU/FDP-Landesregierung plant zurzeit, die zehn psychiatrischen Landeskrankenhäuser an private Träger zu verkaufen. Dort sind auch 1.157 psychisch kranke Straftäter untergebracht. Scharfe Kritik an einer Privatisierung übte Professor Hans-Ludwig Schreiber von der Universität Göttingen: „Das ist ein teilweiser Rückfall in die Institution der Privatstrafe.“ Dies halte er für verfassungswidrig. Zudem beruhten die Berechnungen der Landesregierung „auf einem wirtschaftlichen Irrtum“. Auf das Land kämen hohe Folgekosten zu.
Der frühere Richter am Bundesverwaltungsgericht, Professor Heinz-Joachim Bonk aus Potsdam, hielt zumindest eine teilweise Privatisierung für denkbar. Service-Leistungen wie Küche, Wäsche oder das Gebäude-Management könnten auch im Maßregelvollzug an private Betreiber delegiert werden. Tätigkeiten, die in die Freiheitsrechte eingriffen, müssten aber sowohl in landeseigenen Kliniken wie auch in privat geführten Krankenhäusern Beamten vorbehalten bleiben: „Der Maßregelvollzug ist eine Kernaufgabe des Staates.“
Der Bremer Rechtswissenschaftler Professor Helmut Pollähne erläuterte, dass die Ausführung von Staatsaufgaben laut Gesetz in der Regel nur Beamten übertragen werden dürfe. Eine Ausnahme von dieser Regel könne er im Fall des Maßregelvollzugs nicht sehen: „Das ist derjenige Bereich, in dem der Staat am massivsten in die Rechte des Einzelnen eingreift.“ Die Eingriffe reichten zum Teil noch weiter als beim Strafvollzug. Zudem müsse der Maßregelvollzug im Gemeinwesen Sicherheit gewährleisten.
(epd Niedersachsen-Bremen/b3001/20.09.05)
>>>http://www.epd.de/niedersachsen_bremen/niedersachsen_bremen_index_37273.html

Hinterlasse eine Antwort