Flüchtende, die den Weg über das Mittelmeer nach Europa nehmen, setzen sich damit einer Todesgefahr aus. Damit gewinnt der Zugang zu einem Mobiltelefon und den richtigen Nummern eine neue Bedeutung. Jetzt haben Antirassitische Initiativen und Organisationen das Alarmphone eingerichtet, um vereinzelte Erfahrungen und Praxen zu koordinieren.
Schließlich sind es Flüchtlinge und Migrant_innen selbst gewesen, durch die die Idee überhaupt erst entstanden ist. Konkret hat die Geschichte für uns spätestens 2009 beim Nobordercamp auf der griechischen Insel Lesbos in Griechenland begonnen, danach ging es Anfang 2011 mit der Bamako-Dakar-Karawane weiter. Denn in jener Zeit haben sich zahlreiche Kontakte mit Leuten entwickelt, die noch unterwegs oder gerade in Europa angekommen waren. Und genau sie sind es auch gewesen, die für sich oder andere nach praktischer Unterstützung gefragt haben. Etwa danach, die aktuellen Wetterdaten telefonisch in die Wälder bei Nador in Marokko durchzugeben oder die spanische Seenotrettung zu einem vereinbarten Zeitpunkt anzurufen, um einen Rettungseinsatz zu initiieren. Aus diesen und vielen vergleichbaren Einzelerfahrungen ist das entstanden, was heute das Alarmphone als koordinierte europaweite Struktur ausmacht. (afrique europe interact)
Peter Nowak schreibt auf Telepolis:
Das ambitionierte Ziel ist die Etablierung eines zivilgesellschaftlichen Alarmnetzwerks auf beiden Seiten des Mittelmeers. Seit dem 10.Oktober 2014 arbeiten die Aktivisten in Kooperation mit dem Projekt Watch the med, das Menschenrechtsverletzungen gegenüber Geflüchteten im Mittelmeer dokumentiert, eng zusammen.
Es gibt keine Garantie, dass die kritische Öffentlichkeit schnell genug erreicht wird, um Menschenleben zu retten und auch die Überfahrt wird mit dem Alarmphone nicht weniger gefährlich.
Doch die Initiative, die noch wächst, zeigt auch, dass es Möglichkeiten gibt, das stille Sterben von Geflüchteten in Afrika nicht einfach hinzunehmen. Mit den Möglichkeiten der modernen Technik und einer kleinen Gruppe engagierter Menschen aus mehreren Kontinenten zeigen sie eine Alternative zur bisherigen Politik der Flüchtlingsabwehr auf. […] Würde das Know How, das Frontex und andere Organisationen einsetzen, zur Rettung der Menschen verwendet, könnte das Sterben im Mittelmeer schnell beendet werden. Dass es nicht geschieht, ist politisch gewollt.
Seit dem 1. November 2014 ist das Programm „Mare Nostrum“ beendet:
Seit Anfang 2014 hat die italienische Marine nach Angaben der Regierung in Rom bei 420 Einsätzen etwa 150.000 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet. […] An der Mission waren Soldaten, Schiffe und Flugzeuge der italienischen Marine, Armee und Luftwaffe, der Carabinieri, der Zolltruppe und der Küstenwache beteiligt, dazu auf den Einsatzschiffen auch Polizeibeamte. Dank der einzigartigen Such- und Rettungsaktionen konnten seither geortete Migrantenboote schon vor der libyschen Küste aufgegriffen werden. Die Geretteten wurden in Häfen auf Sizilien oder auf das italienische Festland gebracht. (Stefano Liberti, le monde doplomatique, November 2014)
In dem neuen Programm „Triton“ geht es wieder und einmal mehr verschärft um Abschottung, Abschiebung, mehr Tote und erinnert an „Mos Maiorum“ (vgl. Stefano Liberti, le monde doplomatique, November 2014). Angesichts dessen kommt das Alarmphone genau richtig. Für die Geflüchteten eröffnet es ein Stück weit mehr Handlungsspielraum und ermöglicht mehr Selbstbestimmung auf den Booten. Die antirassistischen Initiativen können durch die Aneignung der technischen Möglichkeiten politischen Druck und Handlungszwang bei Küstenwache und Polizei erzeugen. Politisch ist es eine Antwort auf Frontex, rassistische EU Programme zur Abschottung Europas mit modernster Technik und die dadurch verursachten unzählbaren Toten im Mittelmeer.
Alarm Phone Nr.: + 334 86 51 71 61