Die Sharing Economy macht Furore. Gerade heute wieder darf Jeremy Rifkin im taz-Interview die Arbeitsbedingungen in chinesischen Computerfabriken unter den Tisch fallen lassen, um das 25-Dollar-Smartphone als Argument für seine Theorie der letztlich auf Null schrumpfenden und den Kapitalismus damit in seine finale Transformation treibenden Grenzkosten heran zu ziehen (Grenzkosten: Preis, der für die Produktion einer zusätzlichen Mengeneinheit eines Produktes gezahlt werden muss). Dagegen ließ mich das ND am vergangenen Wochenende durchargumentieren, warum die Sharing Economy das kapitalistische Elend nur in die Länge ziehen wird, wenn wir das Teilen von denen organisieren lassen, denen es gar nicht um solidarische Ökonomie und Transformation des Kapitalismus geht, sondern ganz im Gegenteil um die Sicherung und die Vermehrung des Kapitals ihrer Anleger. Artikel im ND lesen
Mein Aufhänger, um im ND grundsätzlicher aufs Teilen und Tauschen zu sprechen zu kommen, ist das Carsharing, wie ich es in Berlin erlebe. Jetzt stelle ich fest, dass meine (Genossenschafts-)Bank eine strategische Kooperation mit car2go eingegangen ist, einem Subunternehmen von Daimler und Europcar, das seine Profite mit dem Angebot von „stationslosem Carsharing“ oder „Free Floating Carsharing (FFC)“ macht und den Absatz der konzerneigenen PKW-Produktpalette auch in Zeiten von Carsharing sichert.
Das hat mich dazu gebracht, noch einmal einige Fundstellen zum Thema Carsharing zusammenzustellen (vgl. darüber hinaus auch die Ergebnisse der Konferenz „Auto Mobil Krise“ 2010):
In einem „Factsheet“ von 2011 stellt der VCÖ (die österreichische Entsprechung zum ADAC) unter der Überschrift „Carsharing verringert Verkehrsprobleme“ fest:
Car2go und DriveNow sind nicht Carsharing
In Deutschland wird in Ulm und in Hamburg so genanntes „Car2go“ angeboten. Bei „Car2go“ stehen Kleinstwagen zur spontanen Nutzung im Stadtgebiet zur Verfügung. Im Gegensatz zu Carsharing können die Autos nicht langfristig im Voraus reserviert werden, nur eine spontane Nutzung ist möglich. „-Car2go“ ersetzt damit nicht den privaten Autobesitz. De facto werden durch „Car2go“ Strecken, die sonst mit öffentlichen Verkehrsmitteln, per Fahrrad oder mit dem Taxi zurückgelegt werden, mit dem Auto gefahren. Gleiches gilt für das für München und Berlin angekündigte System „DriveNow“.“ Quelle: vcoe.at
Motor-talk.de weist auf eine Studie zum gleichen Thema hin, die von Civity kommt, einem „Beratungsunternehmen für öffentliche Dienstleistungen“. Die Studie kommt zu einem sehr kritischen Urteil, indem sie die Statistik der FFC-Nutzung am Ziel einer vernünftigen Entwicklung der urbanen Verkehrsgestaltung misst und fasst zusammen:
Die FFC-Fahrzeuge werden in einem hohen Maß für kurze Distanzen innerhalb oder zwischen den angesagten Stadtteilen genutzt. Free-Floating-Carsharing deckt Entfernungsbereiche und Mobilitätsbedürfnisse ab, die größtenteils mit dem öffentlichen Verkehr oder dem Fahrrad zu bewältigen gewesen wären. In Berlin sind 50 Prozent der Fahrten kürzer als fünf Kilometer. Diese Fakten, ergänzt um nicht repräsentative Nutzeraussagen, führen uns zu der These, dass Free-Floating-Carsharing in einem erheblichen Umfang „motorisierte Bequemlichkeitsmobilität im Nahbereich“ ist, die vorher mit stadt- und umweltverträglicheren Verkehrsmitteln, wie dem öffentlichen Verkehr und dem Fahrrad, durchgeführt wurde.“ Quelle: civity.de
Das Automagazin motor-talk.de lässt sich auf die analytisch wie politisch gebotene Unterscheidung von stationsgebundenem Carsharing und FCC ein und lässt einen universitären Mobilitätsexperten zusammenfassen:
Für Ferdinand Dudenhöffer, Auto-Experte und Professor an der Universität Duisburg-Essen, sind die Ergebnisse der Civity-Studie nicht überraschend. „Es ist schon lange bekannt, dass in großen Städten manche Menschen vom Bus auf Carsharing umsteigen“, sagte Dudenhöffer zu MOTOR-TALK. Das liege auch am Angebot des ÖPNV. Ebenfalls klar sei, dass stationsloses Carsharing wie Car2go und Drive Now mehr Autos in die Städte bringe. Anders ist dies nach Ansicht des Professors bei stationsgebundenen Carsharing-Angeboten wie Flinkster.“ Quelle: motor-talk.de
Einigermaßen absurd ist in diesem Zusammenhang zwar der Hinweis auf Flinkster, den Carsharing-Ableger der Bahn, mit dem diese sich selbst bzw. ihrem Tochterunternehmen S-Bahn das Wasser bzw. die Kunden abgräbt – zumindest was Berlin angeht. Da verweise ich für die Suche nach dem richtigen Carsharing-Unternehmen im Falschen auf Cambio, ein franchise-basiertes Angebot lokaler Anbieter stationsbasierten Carsharings. Hier wird das eigentliche Geschäft von lokalen GmbHs betrieben. „Kundenbeziehungen sowie der gesamte Fuhrpark liegen in der Verantwortung der lokalen Anbieter. Eigentümer der cambio-Gruppe sind ausschließlich Kunden und Mitarbeiter“, so die cambio-Homepage.
Meine Bank betont im Hinblick auf ihr Geschäftsgebaren ihre Unabhängigkeit von Investoreninteressen:
Sparda-Bank Mitglieder profitieren vom Rückhalt, den nur die Genossenschaft geben kann. Denn als Bank, die ihren Mitgliedern gehört, sind wir von den Renditeinteressen anonymer Aktionäre komplett unabhängig – sondern allein dem Vorteil unserer Mitglieder verpflichtet. Statt auf schnelle Gewinne für die Bank zu wetten, bieten wir nachhaltige Produkte, die sich für die Menschen vor Ort auszahlen.“ Quelle: Sparda-Bank
Warum schließt sie sich also beim Thema „Carsharing und urbane Mobilität“ mit car2go zusammen und nicht – wie etwa die Reiffeisenbank Oldenburg (Quelle: Cambio Geschäftskunden – Auswahl) es vormacht – mit einem lokalen Carsharingunternehmen, das diesen Namen auch verdient hat?
Geiles Bild eines „bike sharing graveyard“ in China: https://www.theguardian.com/uk-news/2017/nov/25/chinas-bike-share-graveyard-a-monument-to-industrys-arrogance
Dazu jetzt auch: Die schöne neue Shareconomy und ihre Schattenseiten
von: Elisabeth Voß, (Mittwoch, 10. September 2014) siehe http://www.gegenblende.de/29-2014/++co++1043ad24-39a2-11e4-a2bc-52540066f352