Drohnen für den Mindestlohn

Blick von Tanger, Marocco nach Tarifa, Spanien
Blick von Tanger, Marocco nach Tarifa, Spanien

Mindestlohn ist in der BRD immer mal wieder für eine mehr oder weniger intensive Debatte gut. Die Forderung: Menschen sollen anständig für ihre Arbeit bezahlt werden. Gestritten wird öffentlich um die Höhe. Weniger offen geht es um die Frage, ob alle in der BRD arbeitenden Menschen den gleichen Mindestlohn bekommen sollten. Es gibt eine bedenkenswerte Verbindung zu den aktuellen Veränderungen im Asylrecht.

Eurosur wurde am vergangenen Wochenende eingeführt. Es werden perspektivisch immer weniger Flüchtlinge sein, die es lebendig in den mörderisch vergoldeten Westen schaffen. Drohnen werden eingesetzt, um das Mittelmeer zu überwachen. Flüchtlinge sind dadurch gezwungen, immer lebensgefährlichere Wege zu finden, mehr als bisher schon werden dabei sterben.

Offiziell wird EUROSUR als „Mehrzwecksystem“ bezeichnet. Es soll grenzüberschreitende Kriminalität aufdecken, darunter Drogenhandel oder Schmuggel. Wie vom Parlament gefordert sollen auch Schiffbrüchige gerettet werden. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass EUROSUR die Passagen Schutzsuchender vor allem im Mittelmeer eher riskanter macht: Werden Migranten schon bei der Abfahrt aufgespürt, erreichen sie erst gar nicht internationale Gewässer oder Hoheitsgebiete von EU-Mitgliedstaaten, in denen Asyl beantragt werden kann.

Die BRD ist aus Imagegründen (und nicht aus Gründen der Humanität) angesichts ihrer agressiven EU-Außenpolitik gezwungen, Flüchtlinge aufzunehmen, die es trotz Drohnen, Satellitenüberwachung, Frontex und Eurosur geschafft haben. Das Gesetz zur Aufnahme von Flüchtlingen veranlasst die Verteilung auf verschiedene Gemeinden. Die notwendige Willkommenskultur und -infrastruktur formuliert das Gesetz nicht als Voraussetzung. In vielen, nicht in allen Gemeinden läuft die Aufnahme dennoch friedlich ab. Berlin-Hellersdorf oder Schneeberg gingen als Negativbeispiele durch die Presse und erinnern ein wenig an die Situation Anfang der 1990er Jahre. Rassistische Massenaufläufe vor Flüchtlingslagern gingen einher mit der faktischen Abschaffung des Asylrechtes per Grundgesetzänderung.

Aktuell gibt es Forderungen, Asylverfahren schneller zu bearbeiten. Das bedeutet, dass Abschiebungen schneller vorgenommen werden. Das bedeutet auch, dass die Menschen, die bleiben dürfen, arbeiten müssen. Hier lässt sich eine Brücke von den Drohnen am Mittelmeer und die Debatte um den Mindestlohn schlagen. Drohnen sollen verhindern, dass die im westlichen Wohlstand Lebenden ein Stück vom Kuchen abgeben müssen. Der Mindestlohn wird vermutlich nur an jene gezahlt, die Besitzer_innen eines deutschen Passes sind. Flüchtlinge, die ein paar Jahre bleiben dürfen, müssen erst unter Beweis stellen, ob sie dazu gehören. Es ist zu befürchten, dass ihnen kein Mindestlohn bezahlt wird oder vielleicht nur die Hälfte davon.

Die Rechnung aus wirtschaftlicher und staatspolitischer Rationalität geht auf. Die einen jammern aus Habgier, die anderen aus Rassismus. Die einen können weiterhin auf zu Hungerlöhnen arbeitende Fachkräfte zurückgreifen, die anderen auf ihre Macht, da weiterhin die Herkunft über Leben und Tod entscheidet. Auch die rassistischen Ressentiments, die sich aus der Arbeitnehmer_innen-freizügigkeit speisen, bekommen Nahrung: EU Bürger_innen sind ebenfalls nicht biodeutsch und werden deswegen auch nicht gleich bezahlt werden müssen.

Ein sehr düsteres Bild in Zeiten friedlich-liebender Weihnachtsgebäckzusammenkünfte? Ja. Wen das schaudert, wird nicht umhin kommen, sich organisiert und solidarisch gegen die Spaltung der Menschen in der Ausbeutung durch den Kapitalismus  zu engagieren.

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