„Wir lassen uns nicht die Rendite der Reformpolitik der Regierung Schröder stehlen […] Wir sind es gewesen, die damals dieses Land vorangebracht haben!“
Lobeshymnen auf die Agenda 2010 sind für Peer Steinbrück die Grundlage seiner Politik. „Rendite“ – Was für eine Begriffswahl! Ja, in der der Tat ist die Rendite der Unternehmer explodiert. Die Profite sind seit 2000 um 30 Prozent hochgeschnellt, die Reallöhne jedoch um fünf Prozent gesunken.
Steinbrück beklagt, dass die Menschen
„verunsichert und orientierungslos sind […] durch eine Finanz- und Bankenkrise, die ihren Glauben […] in eine Soziale Marktwirtschaft erschüttert haben.“
Aber es waren doch die SPD-Finanzminister Eichel und Steinbrück, die den Finanzzockern und Heuschrecken den roten Teppich ausgerollt haben. Steinbrück beklagt, dass
„Arbeit immer weiter entwertet wird. […] Die Menschen müssen immer gebildeter sein, immer mobiler, immer flexibler […] und kriegen auch immer weniger Lohn.“
Aber es waren doch SPD und Grüne, die den Arbeitsmarkt dereguliert haben, die Leiharbeit, Befristungen, frauendiskriminierende Minijobs und vor allem die Knechtung der Menschen durch Hartz IV eingeführt haben. Arbeit wurde entwertet, weil rot-grün den Widerstandswillen von Millionen Beschäftigen mit der disziplinarischen Peitsche des Sanktionsregimes von Hartz IV geschwächt hat. Steinbrück will dies nicht korrigieren. So werden alle Bekenntnisse zu höheren Löhnen fragwürdig und zynisch. Steinbrück legt nahe, dass er jährlich 25 Milliarden mehr für Bildung ausgeben will, weil es sich hierbei um den
„Schlüsselfaktor für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft dieses Landes“ handelt.
Gute Idee! Er sollte dies seinen Parteifreunden von der baden-württembergischen Landesregierung sagen, die gerade in Tateinheit mit den Grünen 6.000 Lehrerstellen streichen und ihre Wahlversprechen brechen. Steinbrück will den Kommunen mehr Geld geben und die Infrastruktur, zum Beispiel Hunderte von maroden Brücken, sanieren. Gute Idee! Die Kommunen rechnen vor, dass ein Investitionsstau von 700 Milliarden besteht. Übrigens: Auch zu Zeiten von Rot-Grün bestand er schon; gleichwohl wurde damals gekürzt ohne Ende. Steinbrück will mehr Steuern einnehmen, damit die Forderungen der Schuldenbremse im Fiskalpakt erfüllt werden können. Gute Idee! Denn wenn in den nächsten 20 Jahren nicht mindestens 600 Milliarden Steuern zusätzlich eingenommen werden, drohen Haushaltskürzungen in gleicher Höhe! Steinbrück benennt wichtige Bereiche, für die der Staat dramatisch mehr Geld in die Hand nehmen muss. 50, eher 100 Milliarden pro Jahr wären erforderlich.
Doch Steinbrück will den Spitzensteuersatz nur auf 49 Prozent erhöhen – dies bringt rund fünf Milliarden. Erbschafts- und Vermögensteuer sollen erhöht bzw. wieder eingeführt werden. Allerdings wohl so zaghaft, dass das Plus bescheiden ist. Rechnet man großzügig, dürften mit der stärkeren steuerlichen Belastung von Reichen und Vermögenden 10 bis 20 Milliarden erzielbar sein. Und es besteht die Gefahr, dass nach der Wahl alles vergessen ist, so wie die Wiedereinführung der Vermögensteuer 1998 ja schon einmal versprochen wurde. Es bleibt eine riesige Kluft zwischen Forderungen und Finanzierung. Sollte es zu Rot-Grün kommen, ist vorprogrammiert, dass Steinbrück seine Wahlversprechen brechen wird. Es fehlt das Geld, weil er die Reichen nicht wirklich zur Kasse bitten will. Zum Beispiel mit einer Millionärsteuer, wie DIE LINKE sie will. Eine Vermögensbesteuerung von fünf Prozent ab einer Million Vermögen, die jährlich alleine 80 Milliarden Euro einbringen würde. Eine der wenigen verbliebenen Sozialdemokratinnen in der SPD-Bundestagsfraktion – Hilde Mattheis aus Ulm – kommentiert Steinbrücks Rede:
„Wir werden ihn an manches erinnern, was er heute gesagt hat.“
Sie ist sich wohl selbst unsicher, ob Steinbrück nach der Wahl nicht vieles wieder vergisst.