Einige der Berliner Leser_innen werden sich erinnern: Vor einigen Wochen wollten BMW und Guggenheim mit Kunst in Berlin Kreuzberg aufwarten. Der zunächst auserwählte Platz für das BMW Guggenheim Lab ist eine vielfältig genutzte Brache am Ende der Cuvrystrasse an der Spree. Ein von der Nachbarschaft lieb gewonnener sozialer Ort: Eintritt frei für sitzen in der Spreebrise, Gassi gehen mit dem Hundchen, grillen, schlafen, Gartenbau. Dort gibt’s nicht viel zu sehen oder anzusehen, keine unterhaltenden Events, nichts zu kaufen. Die Nachbarschaft protestierte erfolgreich gegen die Nutzung des Geländes durch das BMW Guggenheim Lab.
Sie fand, dass sie kein Laboratorium braucht, um sich durch künstlich erzeugter Partizipation mit ihrer Stadt auseinanderzusetzen. Und sie befürchtete eine geldliche Aufwertung der Wohngegend und damit weitere Mietsteigerungen durch das Projekt. Ihre Argumente trägt sie auf einem Blog zusammen.
Das BMW Guggenheim Lab eröffnet heute auf dem Pfefferberg in Berlin Prenzlauer Berg. Ein ganz anderes beschauliches städtischen Ambiente. Hier trifft das finanziell gut ausgestattete Kunstprojekt auf ein mit Kapital gut versorgtes Publikum.
Die Berliner Zeitung schreibt:
Sechs Jahre lang soll das Lab durch neun Städte in der ganzen Welt touren. Finanziert wird es komplett von BMW. „Wir hätten es sonst nicht machen können“, betont Nicanor. „Sie kamen zu uns und fragten nach einem interessanten Projekt über Städte. Es sollte an verschiedenen Orten stattfinden – das war ihre einzige Vorgabe.“ Sonst hatte der Sponsor keine Wünsche? „Nein, sie mischen sich überhaupt nicht in den Inhalt ein“, beteuert die Kuratorin. „Sie wissen auch noch nicht sehr viel mehr als Sie, was genau in Berlin stattfinden wird.
Der Spiegel schreibt weiteres über die Ambitionen von BMW:
Das Engagement des Autokonzerns für das urbane Zukunftscamp verdankt sich laut BMW-Marketingchef Uwe Ellinghaus einer neuen Kommunikationsstrategie: „Mit der Experiential branding-Strategie, und ganz konkret mit dem BMW Guggenheim Lab, möchten wir jene ansprechen, die heute vielleicht noch keine besondere Affinität zur Marke BMW haben […].
Die Affinität zu der Automarke BMW lässt sich sicher eher im Prenzlauer Berg als in Kreuzberg finden. Auf Wikipedia ist zu lesen, dass das Durchschnittseinkommen hier 5% über dem Gesamtberliner Durchschnitt liegt.
Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich die Anzahl der Bewohner mit Hochschulreife verdoppelt, in den teuersten Gegenden um Kollwitz- und Helmholtzplatz sind heute drei Viertel der erwachsenen Bewohner Akademiker.
Kunstkenner_innen, Akademiker und BMW Interessierte können im Labor mittels Kunst partizipieren, sich der Illusion erfreuen, über die Zukunft Berlins zu bestimmen und die soziale Realität der meisten Menschen in Berlin ausblenden. Ein Ansatz, der dem Recht auf Stadt für Alle zuwiderläuft. Im Sinne einer öffentlichen Debatte um Ressourcenverteilung und -zugang ist dieser ganz und gar nicht begrüßenswert.
In einem Interview der Berliner Linken mit Andrej Holm antwortet dieser auf die Frage, was ein linkes Leitbild für eine Wohnungspolitik wäre:
Alles was hilft, Berlin für renditeorientierte Investoren zu deattraktivieren und Non-Profits zu fördern erscheint mir sinnvoll. Das können Genossenschaften, öffentliche Wohnungsunternehmen aber auch Modelle der Mieterselbstverwaltung sein. Die Veränderung der Eigentümerstruktur ist die nachhaltigste Wohnungspolitik.
„Kunstkenner_innen, Akademiker und BMW Interessierte können im Labor mittels Kunst partizipieren, sich der Illusion erfreuen, über die Zukunft Berlins zu bestimmen“
Über die Zukunft Berlins wird ja gerade NICHT beim Lab geredet.
Durch den Kreuzberg-Stress hatten die Macher auf einmal das Thema Gentrifizierung an der Backe und reagierten darauf mit diversen Blogartikeln über die Situation in Berlin. Das laß sich gut und einigermaßen verständnissvoll.
Aber im Programm hat sich das später nicht niedergeschlagen. Das besteht nämlich aus Bastelveranstaltungen und Vorträgen über Urbanität im Allgemeinen. Ob dort evl. die Situation in Berlin angeschnitten wird (freiwillig oder durch das Publikum) ist vollkommen offen.