Grüner Kapitalismus und der globale Süden

Am 8. Dezember schrieb Jana Flemming in diesem Blog:

Die Ökologiebewegung bewahrt das Kapital vor der Zerstörung seiner gesellschaftlichen und natürlichen Grundlagen.

In der New York Times erschien am 9. Dezember eine Reportage, in der es — zumindest, wenn man den Artikel gegen den Strich liest — um genau den gegenteiligen Effekt geht: Höhere Umweltstandards führen zu einer Gefährdung von Mensch und Umwelt. Ist das nicht ein Widerspruch? Nein! Man muss sich nur die Nord-Süd-Perspektive dazu denken.

In dem besagten Artikel wird eindringlich geschildert, wie jedes Jahr Millionen verbrauchter Auto- und Industriebatterien aus den USA nach Mexiko gebracht und dort unter übelsten Bedingungen recycelt und ausgeschlachtet werden. Völlig legal! Besonders begehrt ist das Blei in den alten Batterien — ein Rohstoff, der aus Mexiko dann in Länder wie China exportiert und dort in der Technologieproduktion weiterverwendet wird. Was in Mexiko auf Grund der niedrigen Arbeits- und Umweltstandards zurückbleibt, sind vor allem: kranke ArbeiterInnen, der mit dem Schwermetall verseuchte Boden rund um die Fabriken herum und Menschen, die auf diesem Boden leben müssen.

Und damit kommen wir zum Kern der Sache: Der Anreiz für dieses giftige Geschäft auf Kosten von Mensch und Umwelt sind die unterschiedlichen Umweltstandards in den USA und Mexiko. Ursprünglich wurden die Batterien nämlich vor allem in den USA entsorgt. Seit dort jedoch die gesetzlichen Regelungen (durch die EPA) verschärft wurden, lohnt sich der Weg über die Grenze: Während 2006 nur sechs Prozent der alten Batterien aus den USA nach Mexiko gebracht wurden, sind es derzeit bereits 20 Prozent. Mehr Umweltschutz im globalen Norden übersetzt sich hier unmittelbar in mehr toxische Schweinereien im Süden!

Mexikos Bleiexport nach China beläuft sich übrigens 2011 auf geschätzte 150 Millionen Tonnen — das ist drei mal so viel wie 2007, obwohl sich die mexikanische Bleiproduktion im Minenabbau seitdem kaum erhöht hat. Mexiko ist also binnen kürzester Zeit zum transnationalen ‚Durchlauferhitzer‘ für giftiges Blei geworden!

Zurück zu unserem Widerspruch, der sich also durchaus auflösen lässt: Die nationale Ökologiebewegung bewahrt das Kapital vor der Zerstörung seiner nationalen gesellschaftlichen und natürlichen Grundlagen und eröffnet damit gleichzeitig neue Geschäftsfelder, nämlich den Export gefährlicher Güter und die Verlagerung gefährlicher Produktionsprozesse in den globalen Süden.

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