Privatisierung und Einbindung

German Foreign Policy: „Berliner Behörden für innere und äußere Repression beschäftigen sich inzwischen ebenfalls mit der seit dem Sommer 2007 anhaltenden Finanzkrise. Hintergrund sind langfristig angelegte Bemühungen, die auf die Anbindung von Wirtschaftsunternehmen an die Repressionsapparate und auf ihre unmittelbare Einbindung in die staatlichen Krisenbewältigungsstrategien zielen. Dies wird nicht nur für nötig gehalten, weil die Privatisierung der Staatsbetriebe strategische Versorgungsbereiche der unmittelbaren Regierungskontrolle entzogen hat, sondern vor allem wegen der sich verschärfenden globalen Konkurrenz.“

Verschwimmende Grenzen
Die anhaltende deutsche Bankenkrise beschäftigt Experten der Berliner Behörden für innere und äußere Repression. Finanzkrisen könnten „politische Erschütterungen auslösen, die schwer beherrschbar sind“, erklärt der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik angesichts des kaum zu verhindernden Zusammenbruchs der Mittelstandsbank IKB. „Sicherheitspolitik“ dürfe sich daher nicht auf die Verwaltung von Polizei und Militär beschränken, sondern müsse „finanzpolitische Risiken“ berücksichtigen und „ressortübergreifend“ arbeiten. Dabei verschwämmen die Grenzen „zwischen Politik und Wirtschaft“ genauso wie „die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit“ oder „zwischen Krieg und Frieden“. Mit dem Vorschlag, die strategischen Konzepte der Repressionsbehörden noch enger als zuvor mit Wirtschaft und Finanzinstituten zu verschmelzen, bereitet sich Berlin auf zukünftige Krisen im globalen Finanzsystem vor, die das deutsche Bankenwesen sowie die wirtschaftliche Weltgeltung deutscher Unternehmen bedrohen. In der gegenwärtigen Krise ist die Bundesregierung auf erneute Milliardenzahlungen angewiesen, mit denen nicht kalkulierbare Folgeschäden des Zusammenbruchs einzelner Kreditinstitute verhindert werden sollen.

Noch das ganze Jahr
Erst in der vergangenen Woche hat die Bundesregierung erneut eine Milliardensumme zur Stützung der von Insolvenz bedrohten IKB zugesagt. Damit beläuft sich der Gesamtbetrag, der seit dem vergangenen Sommer eingesetzt wurde, um einen Zusammenbruch der IKB zu verhindern, auf rund 8,5 Milliarden Euro. Allein die staatseigene KfW trug mit fast sechs Milliarden Euro dazu bei. Mehrere weitere deutsche Banken sind nach wie vor ebenfalls bedroht. So wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass auch die Bayerische Landesbank vor Milliardenverlusten steht. Weil die Insolvenz eines großen Kreditinstituts unabsehbare Kettenreaktionen auslösen könnte, werden neue Staatszuschüsse zum Ausgleich hoher Fehlspekulationen nicht ausgeschlossen. Ein Ende ist nicht abzusehen. „Wir haben es in Teilen der Welt mit einer ernsthaften Finanzkrise zu tun, die uns noch das ganze Jahr 2008 beschäftigen wird“, urteilt der Finanzminister.[1]

Verwundbarkeit reduzieren
Die Berliner Behörden für innere und äußere Repression beschäftigen sich inzwischen ebenfalls mit der seit dem Sommer 2007 anhaltenden Finanzkrise. Hintergrund sind langfristig angelegte Bemühungen, die auf die Anbindung von Wirtschaftsunternehmen an die Repressionsapparate und auf ihre unmittelbare Einbindung in die staatlichen Krisenbewältigungsstrategien zielen. Dies wird nicht nur für nötig gehalten, weil die Privatisierung der Staatsbetriebe strategische Versorgungsbereiche der unmittelbaren Regierungskontrolle entzogen hat, sondern vor allem wegen der sich verschärfenden globalen Konkurrenz. Terrorismus und Krieg machten es etwa nötig, das „Schutzniveau“ für zentrale Wirtschaftsbereiche („Kritische Infrastrukturen“) „anzuheben, um die Verwundbarkeit des Landes zu reduzieren“, heißt es im Bundesinnenministerium.[2] Die Berliner Pläne unterwerfen zentrale Wirtschaftsbereiche einer dauerhaften staatlichen Kontrolle und erschließen den Repressionsbehörden den Zugang zu bislang zivilen Segmenten der deutschen Gesellschaft (german-foreign-policy.com berichtete [3]).

Ressortübergreifend
Wie aus einer kürzlich gehaltenen Rede des Präsidenten der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Rudolf Adam, hervorgeht, zielen die Pläne der deutschen Behörden ebenso auf den krisenhaften Finanzsektor. Adam zufolge zählen „zunehmend auch Fragen, wie wirtschaftliche und finanzpolitische Risiken eingehegt werden können“, zur „Sicherheitspolitik“. „Eine Wirtschafts- oder Finanzkrise kann politische Erschütterungen auslösen, die schwer beherrschbar sind“, erläutert der Präsident der Bundesakademie. Daher müssten die „neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen (…) ressortübergreifend“ behandelt werden.[4]

Ordnungspolitik
Adam, Präsident einer Bundesbehörde, die dem Bundesverteidigungsministerium zugeordnet ist, nennt die aus Sicht eines „Sicherheitspolitikers“ erforderlichen Maßnahmen. Demnach muss im Bankensystem Vorsorge für zukünftige Krisen getroffen werden.[5] So sei „eine realistische Einschätzung von Risiken absolut unerlässlich“, auch müssten „worst case Szenarios in entsprechender Bewertung Berücksichtigung finden“. Die „neue Unübersichtlichkeit“ des Finanzsystems sei aus der Perspektive der „Sicherheitspolitik“ ein „unbefriedigender Zustand“. Adam verlangt „dringend“ eine neue „Ordnungspolitik“, um kommende, wodurch auch immer bedingte Krisen kontrollieren zu können.

Kontrollrechte
Adams Vorschläge für das Finanzsystem reihen sich ein in weitere Forderungen, mit denen die nationale Kontrolle über die entscheidenden Elemente der deutschen Wirtschaft gesichert werden soll. So plädiert der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik dafür, die Kontrollrechte der Bundesregierung bei ausländischen Übernahmen deutscher Unternehmen auszuweiten – „zumindest auf solche Unternehmen, die zur kritischen Infrastruktur zählen und zentrale, gesamtwirtschaftliche Bedeutung haben, wie Bahn, Post und Telekommunikation“.[6] Auch den Schutz vor ausländischem „Zugriff auf seltene Technologien“, der im Falle von Firmenübernahmen nicht gewährleistet ist, setzt Adam auf die Tagesordnung („technologische Souveränität“). Die Maßnahmen zielen sämtlich darauf ab, die deutsche Wirtschaft in der internationalen Konkurrenz zu stärken.

Weltmachtpolitik
Wirtschafts- und Finanzfragen drängten sich weltweit „mehr und mehr in den Vordergrund“, begründet Adam seine Forderungen: „Unter den 100 größten Wirtschaftseinheiten der Welt befinden sich über 40 private Unternehmen. Sie verfügen demnach über eine Finanzkraft, die die der Mehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen übertrifft“.[7] Die Bedeutung der Schlagkraft deutscher Unternehmen, Finanzkonzerne inklusive, für die deutsche Weltgeltung nimmt damit zu – und steigert die Bemühungen der Repressionsbehörden um eine stärkere Kooperation mit der Wirtschaft zur Abwehr von Gefahren wie der gegenwärtigen Finanzkrise und zugunsten der Berliner Weltmachtpolitik: „Verschwimmende Grenzen“ in den Worten des Präsidenten der Bundesakademie für Sicherheitspolitik.

Quelle: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57163, 19.02.2008

[1] Finanzmarktkrise ist für Deutschland verkraftbar; Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 15.02.2008. S. auch Hauptanlageland, Willkommene Normalisierung, Zeitbomben und Die Krise als Chance
[2] Zuständigkeiten für den Schutz Kritischer Infrastrukturen; www.bmi.bund.de
[3] s. dazu Nationaler Sicherheitsrat, Strategic Community, In die Zange nehmen und Ansprechstellen
[4], [5], [6], [7] Rudolf Adam: Unternehmerische Risiken des neuen globalen Monopoly? Strategische und sicherheitspolitische Überlegungen zum künftigen globalen Wettbewerb, Januar 2008

Hinterlasse eine Antwort