‚Die Welt‘ sieht einen Wendepunkt am Wohnungsmarkt
Wendepunkt am Wohnungsmarkt
Freiburger Bürger stimmen gegen Privatisierung von städtischen
Wohnungen. Der Entscheid schmälert die Chancen für weitere Verkäufe.
Von Richard Haimann
Freiburg – Das Ergebnis war absehbar, die Konsequenzen sind es auch:
„Freiburg ist ein Wendepunkt“, sagt Thomas Beyerle, Chefresearcher der
Allianz-Immobilientochter Degi. Nachdem 70,5 Prozent der
wahlberechtigten Einwohner der Breisgau-Stadt gegen den Verkauf von 7900
städtischen Wohnungen gestimmt haben, drohen nun eine ganze Reihe von
Vorhaben, bei denen die öffentliche Hand auf Investoren angewiesen ist,
auf Eis gelegt zu werden. Beyerle: „Im schlimmsten Fall werden auch
Public-Private-Partnership-Projekte abgeblasen.“
Mit dem Wohnungsverkauf wollte Freiburgs grüner Oberbürgermeister Dieter
Salomon 510 Mio. Euro einnehmen, um die Schulden der Stadt zu tilgen.
Nun ist die Kommune finanziell nicht mehr handlungsfähig. Experten
hatten mit dem ablehnenden Votum gerechnet, nachdem die Bürgerinitiative
„Wohnen ist Menschenrecht“ problemlos die nötigen Unterschriften für den
Bürgerentscheid zusammenbekommen.
Nicht nur in Freiburg, bundesweit gebe es erhebliche Ängste in der
Bevölkerung vor den Folgen des Verkaufs kommunaler Wohnungspakete an
ausländische Investoren, weiß Rolf Scheffler, Leiter von
Aengevelt-Research. „Die Menschen hören von hohen Renditezielen und
fürchten, dass die Mieten steigen und die Gebäude verkommen.“ Weder
Politik, noch ausländische Investoren hätten bisher diese Ängste ernst
genommen. Scheffler: „Kein Opportunity Fund hat eine aktive
Kommunikationsstrategie betrieben, um Bürger und Mieter zu gewinnen.“
Dieser Ansicht ist auch Beyerle: „Die Investoren müssen lernen, dass
eine gute Kommunikation 51 Prozent jedes gelungenen Kapitalmarktdeals
ausmacht.“ Wie zum Beweis war gestern kein angelsächsischer Investor
bereit, die Freiburger Entscheidung offiziell zu kommentieren.
Dabei dürfte das Bürgerveto Signalcharakter für andere Kommunen haben,
in denen ein Verkauf von Wohnungsunternehmen geplant ist, meint der
Degi-Chefresearcher. „Politiker werden gut überlegen, ob sie an
Verkaufsplänen festhalten und ihre Wiederwahl aufs Spiel setzen.“ Auch
Public-Private-Partnership-Projekte wie das Sale and Lease Back von
Schulen und Krankenhäuser drohten nun zu scheitern, sagt Beyerle. Bei
diesen Vorhaben verkauft eine Kommune ihre Immobilien an einen Investor
und mietet sie anschließend zurück. Ziel ist es, mit dem Erlös Schulden
zu tilgen.
Für Tobias Just, Immobilienanalyst bei Deutsche Bank Research, hat die
Trendwende bereits beim Verkauf der Dresdner Woba an Fortress im
Frühjahr begonnen. Just: „Damals gab es erstmals massiven Widerstand im
politischen Raum.“ Dieser habe inzwischen erhebliche Ausmaße angenommen.
Diese zeige das Gesetz zur Einführung der Real Estate Investment Trusts
(REITs). Wegen heftigen Widerstands in der SPD sollen die Steuer
optimierten, an einer langfristigen Bestandshaltung interessierten
Trusts keine Wohnungen erwerben dürfen. Damit bleiben die nur an einer
kurzfristigen Renditeoptimierung interessierten Opportunity Funds quasi
die einzigen Ansprechpartner jener Kommunen, die ihre
Wohnungsgesellschaften veräußern wollen, um die Haushaltslage aufzubessern.
Dabei schließt sich nach Ansicht von Just ohnehin das Zeitfenster, in
dem Kommunen noch gute Preise bei Wohnungsverkäufen erzielen können.
Wegen des Zinsanstiegs würden Investoren lediglich in wirtschaftlich
starken Regionen noch Top-Preise zahlen. Das zeigen zwei Beispiele aus
der vergangenen Woche: Für die Übernahme von 87 Prozent der Aktien der
Grundstücks- und Baugesellschaft Heidenheim mit ihren 9000 Wohnungen in
Rheinland-Pfalz blätterte Gagfah 763 Euro/qm hin. Hingegen zahlten
Morgen Stanley Real Estate Fund (MSREF) und Arsago Real Estate für 1900
Wohnungen in Dresden lediglich 630 Euro/qm.
erschienen am 14.11.2006