Gegen den massiven Ausverkauf. MieterGemeinschaft und SPD-Linke veranstalten einen Anti-Privatisierungskongress

Bei der Privatisierung von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge liegt Berlin bundesweit an der Spitze, meint die Berliner MieterGemeinschaft (BMG). Ob Verkäufe ganzer Wohnungsgesellschaften wie der GSW oder Privatisierungen großer Teilbestände wie aktuell bei der WBM, ob BEWAG, medizinische Einrichtungen oder Wasserbetriebe – die Hauptstadt habe schon lange ihr Tafelsilber verhökert.
Um den Argumenten der Befürworter etwas entgegenzusetzen und Kräfte von Privatisierungsgegnern zu bündeln, findet am kommenden Sonnabend die Konferenz »Privatisierung in Berlin« statt. Am Ende soll ein privatisierungskritisches Bürgerbündnis entstehen. Zu den Vorbereitern gehören neben der BMG der Donnerstagskreis der SPD-Linken, die WASG und Gewerkschafter. Man rechne mit 200 Teilnehmern, schätzt Joachim Oellerich von der BMG vorsichtig. Schließlich ist am selben Tag die Anti-Bolkestein-Demo.
Seit 15 Jahren betreibe Berlin den »massiven Ausverkauf öffentlicher Bestände«, kritisieren die Mieterberater. Von den 482 000 Wohnungen, die 1990 in der Hauptstadt in kommunalem Bestand waren, sind noch 270 000 übrig – knapp 15 Prozent aller Wohnungen. Mehr als die Hälfte gingen unter dem rot-roten Senat über den Tisch, so die BMG.
Der Verkauf wird gern mit den »leeren Haushaltskassen« begründet. Doch die Misere der Wohnungsbaugesellschaften ist hausgemacht: Mit In-Sich-Verkäufen wurden ihnen über 600 Millionen Euro entzogen, sie mussten Sonderdividenden in Höhe von 500 Millionen Euro und normale Dividenden zahlen. Klar, dass sie so auf keinen grünen Zweig kommen.
Viele der Käufer seien überwiegend international agierende Finanzanleger. Wohnungen würden inzwischen wie Wertpapiere gehandelt, kritisiert die BMG. Private Equity-Fonds wie Cerberus verwalten inzwischen etwa 120 000 Wohnungen in Berlin. Zwar setzt ein Eigentümerwechsel nicht die bestehenden Mietverträge außer Kraft. Doch die BMG fürchtet einen schleichenden Abbau des Mietrechtes.
Auch die aktuelle Situation der WBM wird Thema am Sonnabend sein. »Wir werden über die Vorgeschichte informieren und darüber, welche politischen Entscheidungen den Weg geebnet haben«, so der Stadtsoziologe Andrej Holm. Neben der Wasserprivatisierung wird zudem auch die Situation im Gesundheitswesen eine Rolle spielen, kündigte Hermann Werle (BMG) an. So wurden bei Vivantes seit dem Jahr 2000 etwa 3000 Stellen abgebaut, bis 2010 will der Senat bei der Charité 212 Millionen Euro einsparen.
Die BMG hat einen stillschweigenden Konsens, eine Privatisierungslobby quer durch alle Parteien des Abgeordnetenhauses ausgemacht. »Wir haben niemanden entdecken können, der eine privatisierungskritische Haltung auch in der Praxis umsetzt«, so Oellerich.

»Privatisierung in Berlin« am 11.2., DGB-Haus, Keithstraße 1/3, 10 Uhr bis ca. 18.30 Uhr. Die Veranstaltung ist offen, eine Anmeldung nicht nötig.
Anke Engelmann, Neues Deutschland, 08.02.2006

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