Entschieden einseitig. Gegen Privatisierungen veranstaltet Berliner Mietergemeinschaft am 11. Februar eine erste Konferenz. Konzentrierte Diskussion zu Folgen der Enteignung der oeffentlichen Hand erwartet.

Am Anfang stand ein bedauerlicher Befund. Auf der Suche nach Bündnispartnern im Kampf gegen Privatisierungen des öffentlichen Wohnungsbestandes in der Hauptstadt traf die Berliner Mietergemeinschaft auf wenig Zuspruch. Wie Andrej Holm am Dienstag auf einer Pressekonferenz berichtete, fand man sich unverständlicherweise weitgehend isoliert. All die vielen Argumente, alle Hinweise auf die Schäden, die den Mietern und dem Gemeinwesen aus dem Verkauf von Wohnungen entstehen, wurden nicht berücksichtigt. Quer durch alle Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus gehe ein Konsens: Nicht das Ob, sondern höchstens das Wie von Privatisierungen sei noch umstritten. Was dabei den einen die wohltuende Wirkung des Marktes, sei den anderen der unhintergehbare Sachzwang der Globalisierung. Innerhalb von zehn Jahren wurden bis 2005 in Berlin etwa 210 000 Wohnungen verkauft – 55 Prozent davon in der Zeit des SPD-PDS-Senates. Höchste Zeit also, sich anderswo nach Bündnispartern umzusehen.  
Widerlegung der Mythen
Am 11. Februar zieht die Mietergemeinschaft auf einer Konferenz im Berliner DGB-Haus Bilanz. Offenbar führte die Suche nach entschiedenen Privatisierungsgegnern zu vielfältigem Erfolg. Da ist der Donnerstagskreis der Linken in der Berliner SPD, für den Gerlinde Schermer engagiert wie eh und je gegen die Verbetriebswirtschaftlichung der öffentlichen Haushalte streitet. Da sind Kollegen aus dem gewerkschaftlichen Bereich und – nicht zuletzt – kritsche Wissenschaftler. Zusammen können sie den Bogen schlagen von einer Widerlegung der Mythen der Privatisierer über die Bereiche Wohnen, Gesundheitswesen und Wasser bis hin zur politischen Praxis. Denn die Konferenz ist entschieden einseitig, wie Joachim Oellerich von der Mietergemeinschaft hervorhob, den Privatisierern wolle man nicht noch ein Podium bieten, auf dem sie ihre »Der Markt wird’s schon richten«-Position ausbreiten können. Der thematischen Breite und Qualität der Debatte muß das aber keinen Abbruch tun, im Gegenteil. An wenigen Orten im Lande wird sich eine so konzentrierte Diskussion zu den Voraussetzungen und Folgen der Enteignung der öffentlichen Hand organisieren lassen wie in Berlin, wo seit 1996 der Verkauf öffentlichen Eigentums Senatsdoktrin ist. 
Großverkäufe am Pranger
Der Reigen der Großverkäufe begann 1997 mit dem Stromversorger BEWAG. Bereits nach vier Jahren verkaufte der Ersterwerber Southern Energy die BEWAG weiter an Vattenfall – zu 150 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises von 1,45 Milliarden Euro. Die beachtliche Wertsteigerung ging nicht auf einen Ausbau des Unternehmens zurück: Die Beschäftigtenzahlen wurden halbiert, die Investitionen auf einen Bruchteil zurückgefahren. Die Befunde beim Gasversorger GASAG und den teilprivatisierten Wasserbetrieben fallen nicht anders aus: Die Preise für Gas, Wasser und Strom steigen, die Investitionen und die Belegschaften werden von den privaten Eigentümern massiv reduziert.  Dabei ist es gerade der angestaute Investitionsbedarf der öffentlichen Hand, der zur Legitimation von Privatisierungen angeführt wird: Die Mobilisierung privaten Kapitals für öffentliche Aufgaben in »öffentlich-privaten-Partnerschaften« endet aber selbstverständlich immer mit der Bereicherung der Privaten und der weiteren Einschränkung der Daseinsvorsorge. Die Konferenz wird deshalb Folgen haben müssen. Vielleicht lassen sich verbindliche Verabredungen treffen, um der Hegemonie der Privatisierer etwas entgegenzusetzen – nicht nur im Berliner Wahljahr 2006, nicht nur in Berlin.  
 
Sebastian Gerhardt, junge welt, 08.02.2006

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